„Nationaldemokraten sind doch auch nur Demokraten wie wir alle!”

CDU Hessen zeigt sich nach Eklat von Altenberg offen für Koalition mit AfD


Nach den Vorfällen von Altenberg (hierzu mein Kommentar) und der kontroversen Würdigung eines «Republikaners» für seine lebenslange ehrenamtliche Arbeit wollte die CDU ein Exempel statuieren, um ihre endgültige Positionierung im Namen der Demokratie wiederzuspiegeln; um zu zeigen, dass man es mit der Demokratie ernstnähme, und für sie jede demokratisch legitimierte Partei gleichwertig wäre. Dementsprechend zeigte man sich für die nächste Legislaturperiode offen, auch mit der AfD in eine Koalition auf Landesebene einzugehen. „Wenn die Wähler sie so zahlreich wählen, müssen wir uns eingestehen, dass wir den Wählerwillen nicht länger ignorieren können”, ließ sich der Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier, von der vrm-Mediengruppe zitieren.
Bouffier erklärte weiterhin: „Seit Jahren schon sitzt die AfD bei uns auch schon in der Opposition, und noch immer weigerte sich jede Partei opportun gegenüber der Idee, mit ihr zu koalieren. Das kann doch nicht unser Ernst sein!”, erklärte der 67-jährige CDU-Ministerpräsident, welcher selbst bereits seit nunmehr neun Jahren (Stand: 12. September 2019) das zentrale Bundesland regiert und sich gegenüber Reportern aufgrund einer diagnostizierten Hautkrebserkrankung einen Rücktritt vor Ende seiner gewählten Amtszeit 2024 nicht ausschloss. Dennoch steht für ihn selbst als glühenden Demokraten fest: „Lange können wir uns gegenüber der AfD nicht mehr erwehren”. Darum wollte er die CDU als Avantgarde unter den Landesparteien hervorstellen und zeigen, dass man es mit der Demokratie ernst meine: Man wollte als erster eine Koalition mit der AfD eingehen, sofern daraus eine Mehrheitsregierung erwachsen kann. „Eine jede Partei, die zur Wahl steht und auch von unseren Wählerinnen und Wählern gewählt wurde, ist demokratisch legitimiert und darf somit nicht einfach ausgeschlossen werden aus den Sondierungsgesprächen”, erklärte der Ministerpräsident. Jedoch: „Natürlich ist keine Partei A gezwungen, mit einer Partei B zu regieren, wenn sie das nicht will, weil man beispielsweise keinen gemeinsamen Konsens bei vielen Fragen findet. Wenn ich mir aber ansehe, wofür die AfD steht, da kann ich mir vorstellen, dass wir durchaus in den gängigen Fragen übereinstimmen, und als bürgerlich-konservative schwarz-blaue Regierung sondieren könnten.”
Ob die CDU Sachsen den Hessen diese Vorreiterrolle vorwegnehmen könnte, zeigte sich der zugelassene Rechtsanwalt optimistisch: „Es mag sein, dass eine solche Koalition, wie wir sie für uns offen halten, im Osten kurz bevorstehen mag, doch sehe ich darin einerseits kein Rennen, und andererseits würden wir uns auch nicht kümmern, wenn wir vielleicht nur die zweiten dabei sind. Wir nehmen das ganz gelassen.”
Das Kurhaus in Wiesbaden 
(Image by rumpelstilzken from Pixabay)
Bislang hatte sich jede Partei geweigert, mit der AfD zusammenzuarbeiten, man erachtet sie als offen rechtsextremistische Partei, was nicht zuletzt auch dem von Björn Höcke gegründeten «Flügel» zu verdanken ist, welcher in Verruf steht, die AfD maßgeblich zu beeinflussen. Auch die Vergangenheit vieler Parteimitglieder, ihrer Vorstrafen wegen Volksverhetzung oder antisemitischer Äußerungen proliferierte die allgemeine Auffassung der AfD als Partei solcher Strömungen zu deklarieren und sie somit für eine Zusammenarbeit unmöglich geeignet anzusehen. Bouffier wollte das aber nicht länger mit ansehen, sagte er, und wollte somit den Vorstoß in eine neue Ära wagen, in der der vielmals geächteten Partei ihr Ansehen als antidemokratisch und faschistisch abzunehmen. „Es sei an der Zeit”, meine Bouffier dazu. „Wenn man sich andauernd so faschistisch zeigt und eine Partei allein aufgrund ihrer konträren Ansichten verschmäht”, erklärte er weiter, „dann wird man am Ende einsehen müssen, dass man selbst zum schlimmsten Feind der Demokratie wird.”
Angesichts möglicher Beschwerden von der Bundespartei zeigte sich der Ministerpräsident unbeeindruckt. „Was wollen die schon machen, mich ausschließen? Dann mal viel Spaß dabei, ich hatte ohnehin vor, bald auszuscheiden. Aber im Ernst: Wie lange wollen wir uns noch wie im Kindergarten benehmen? Wenn wir niemals mit ihnen zusammenarbeiten wollten, weil wir sie als verfassungswidrige oder mit unseren Idealen unvereinbar sehen, hätten wir sie auch schon lange ausschließen können, dann hätten wir uns dieses Theater ersparen können, immer wieder einen Schlupfwinkel an ihnen vorbei zu finden. Auch Nationaldemokraten wie die von der NPD oder Nationalkonservative wie die AfD sind doch auch nur Demokraten wie wir alle. Warum also dieses Aufhebens um ihre schwarzen Schafe? Solche Leute haben wir auch schon in der CDU gehabt, und dennoch stehen wir heute noch an Ort und Stelle, mit Saft und Kraft. Ich habe also persönlich keine Probleme damit, mit der AfD zu koalieren; ob es aber am Ende geschehen wird, das überlasse ich meinem Nachfolger.”
Dass man ihn noch vor wenigen Wochen öffentlich anprangerte für den Bahnhofsschubser von Frankfurt, der einem kleinen Kind das Leben kostete, hat Bouffier schon längst vergessen. „Ach, Schwamm drüber”, sagte er lediglich, „da muss man einfach drüberstehen, im politischen Tagesgeschäft geht es manchmal eben rauer zu, da darf man eben nicht so dünnhäutig sein. Ist man das, hat man in der Politik auch nichts zu suchen.”

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