Eine verfluchte Einfältigkeit

Warum die Debatte um Steuern und Emissionshandel zu simpel geführt werden

In der Demokratie ist die Debatte Trumpf, und durch das Internet wurde diese ungemein fairer, weil wahrhaftig jeder zu Wort kommen kann. Das Problem: Derartige Debatten finden in der Regel auf Twitter statt, einer Plattform, auf welcher die Redebeiträge pro Tweet auf 280 Zeichen begrenzt sind. Zur Info: Bis zum letzten Satz, die Überschrift ausgeschlossen, waren bislang 296 Zeichen; man kann sich also einmal vorstellen, wie wenig 280 Zeichen sind, und wie sich das auf die Debatte auswirkt. Die Folgen sind in der Regel: Man versucht, komplexe Themen auf ein Minimum herunterbrechen, kann also gar nicht auf alle Punkte Rücksicht nehmen, obgleich sie doch involviert sein könnten, oder sogar sein müssten, um den konkreten Umfang einer Thematik nachvollziehen zu können. Ein Opfer ist dabei beispielsweise die ökonomisch effiziente Bekämpfung des Klimawandels.


Einleitung

Wie man bereits der Überschrift entnehmen konnte, liegt mein Hauptaugenmerk dabei vor allem in der Frage, was denn tatsächlich besser funktioniere, wenn es darum geht, den Klimawandel zu bekämpfen, wen es um die Verbraucher und Konsumenten geht, die mit dem Flieger in den Urlaub reisen und mit ihren PKWs auf die Arbeit oder zu Besuch zu ihren Freunden fahren. Solange man den Elektromotor nicht als adäquate Alternative zum Verbrennungsmotor installieren kann in der Mitte der Gesellschaft –dazu brauche es auch eine radikale Renovierung in der verkehrstechnischen Infrastruktur, Stichwort: Zapfsäule für Elektroautos –, ist es schwer, den Menschen zu sagen, dass sie Abkehr nehmen müssten von solchen Fahrzeugen. Das bedeutet nicht, dass der Verbrennungsmotor unantastbar ist (was bei manchen Menschen in eine Art religiöse Verbindung wächst, was zwar jeder Seriosität entbehrt, dafür aber umso unheimlicher wirkt), sondern, dass man ein Fangnetz schaffen muss, bevor man die Menschen vom Trapez stürzt. Andernfalls kommen sie um beim Sturz (metaphorisch gesprochen). Natürlich ist es auch sinnvoll für Mensch, Tier und Umwelt, wenn immer mehr Menschen vermehrt das Fahrrad anstelle des Autos nutzen, doch lassen sich auch nicht alle Strecken jederzeit hoch zu Drahtross bewältigt werden können. Irgendwo wird das Auto auch einmal gebraucht, ebenso wie man nicht alle Strecken, für die man sich des Flugzeugs bediene, mit dem Auto bewältigen kann. Spätestens, wenn es nach Übersee gehen soll, hat man nur die Wahl zwischen Flieger und Schiff, wenn man nicht, wie Greta, den augenscheinlichen Luxus eines Rennboots hat, welches einem leihweise überlassen wird, um symbolisch nach New York City in den USA zu segeln. Massentauglich ist das ohnehin nicht, da auch das Segeln mit eigenem Schiff samt kleinem Team auch Individualverkehr ist; darum ging es Greta aber auch nicht, da sie nur beweisen wollte, dass man auch klimafreundlich von Europa nach Amerika segeln kann. Ohnehin ist diese gesamte Debatte um Verbrennungsmotoren und E-Antriebe auch nur ein Kratzen an der Oberfläche eines viel größeren Problems, wie ich es bereits an anderer Stelle thematisierte. Ich schrieb, dass der der Verkehr mit privaten PKWs abnehmen muss, wenn man das Klima schützen will: Weniger private Fahrzeuge mit Motoren, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden (dazu gehört auch Kohlestrom – d.i. Strom, der in Kohlekraftwerken erzeugt wurde –, ergo die meisten E-Autos, die heute auf den Markt kommen und ihren Strom nicht mit ziemlicher Gewissheit aus erneuerbaren Energien gewinnen können!), dafür mehr Fahrten mit Zügen und Bussen, letztere insbesondere innerorts. Zwischen Städten beispielsweise mehr S-Bahnen. Natürlich können aber auch Radschnellwege dabei helfen, schneller von Stadt A nach Stadt B zu reisen, doch soll niemand um seine Freiheit zur Qual der Wahl abgehalten werden. 
(Image by TeroVesalainen from Pixabay)
Um sich mit dem Verbrennungsmotor in Zeiten der Notwendigkeit von mehr Nachhaltigkeit zu arrangieren, brachte man verschiedene Vorschläge ein, um den Verbrauch mittels Stupsern in die richtige Richtung zu senken: Steuererhöhungen, beispielsweise; oder die Entnahme von bislang erstatteten Erleichterungen, wie sie Kerosin und Diesel zufielen, weil sie vergleichsweise umweltfreundlicher seien als Benzin, wobei demgegenüber auch das Schiffsdiesel eine verwachsene Umweltbilanz hat. Kritiker dagegen gab es viele; viele von ihnen sahen Steuererhöhungen oder -erhebungen als unnötig und ineffektiv hin, die vor allem wieder die ärmere Schicht träfen. Diese Kritiker brachten dann ihr Konzept hervor, den Emissionshandel. Bei dem sollten für Schadstoffemissionen Zertifikate gekauft werden, die vorgaben, wie viel CO₂ man emittieren darf. Bei höherem Bedarf könne man sich demnach noch mehr Zertifikate zukaufen, ein wenig erinnert die Methode an den katholischen Ablasshandel im Mittelalter, als man sich noch von seinen Sünden freikaufen konnte, anstatt zur Beichte zu erscheinen, wo man dem Beichtvater seine Sünden gesteht, und dieser einem sagt, wie man sich von ihnen reinwaschen kann, beispielsweise durch das Deklamieren der «Ave Maria». Sofern man sichern kann, dass hierdurch nicht auch wieder die Spalte zwischen Arm und Reich (bitte als Adjektive lesen, nicht als Nominative, es geht hierbei nicht um Gliedmaßen und Staaten) weiter auseinanderginge und somit Klassenunterschiede weiterhin manifestiere, hätte der Handel mit solchen Zertifikaten auch eine Zukunft. Immerhin wäre das die Gefahr eines solchen Handels: Diejenigen, die von Berufs wegen womöglich gebunden sind an ihr Auto mit Verbrennungsmotor und sich einen Umstieg zum E-Auto nicht leisten können, weil der Markt den Preis für einzelne Modelle, selbst im Segment der Kleinwagen, noch nicht nach unten hemmen konnte, der ÖPNV bei ihnen aber ausgedörrt ist, könnte dieser Handel einen weiteren Kostenfaktor bedeuten, den man dann nur noch mit einer gehörigen Prise Zynismus verteidigen könnte, wenn man keine Luftschlösser predigen möchte. Selbst, wenn man Steuern senke für die Mittel- und die Unterschicht, bliebe am Ende des Monats wenig übrig, weil man jeden Tag mit dem Auto zum Arbeitgeber fahren müsste, dabei eben unweigerlich Abgase emittiere. 


Argumentation

Natürlich ist das hierbei ein Beispiel, welches nicht viele Menschen betreffen mag, doch zeigt das eben, dass die Frage, wie man Menschen bis zur Radikalkur, um die man sich noch immer druckst, zum Umdenken bewegen kann, keine Einbahnstraße ist: Die Frage, ob man die Menschen mittels Steuern oder Zertifikathandel dorthin bewegen möchte, kann nicht allein darauf beruhen, ob man Menschen mit höheren Steuern bedrohen will, oder mit höheren Kosten, denen sie lediglich mittels Abstinenz entgehen können, umrankt eben noch mehr als nur das. Es geht auch beispielsweise darum, wer diese Zertifikate ausgeben dürfte: Eine staatliche Institution? Eine akademische, welche sich mit der Forschung um die Luftreinheit und ähnliche Themen beschäftigt, wie die «Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren»? Oder sollen solche Zertifikate frei am Markt gehandelt werden? Das ist eine wichtige Frage, wenn es auch darum gehen soll, den Preis irgendwie zu kalkulieren, sofern er sich daran orientieren soll, wie gut oder schlecht es um die Luft steht. 
Wollte man die Menschen mittels Steuern zum Umdenken bewegen, so wäre die Frage, wie hoch sie sein soll (eine Frage, die auch den Zertifikathandel beträfe, sofern man sie nicht am Markt handeln wollte, inklusive Wettbewerb, die den Preis dementsprechend reguliere), und ob man sie prozentual einfordere, oder mittels Pauschale. Vielleicht würde man ihn auch pauschal ansetzen mit einer Ober- und Untergrenze. Es gibt verschiedene Optionen, die nicht im Gespräch sind, weil man sich noch nicht einmal einig darüber wird, wie man vorgehen wolle. Wären diese Fragen nicht aber immanent wichtig, wenn man über sie spricht? Allein die Frage Zertifikat oder Steuern reicht nicht aus. Es geht auch um die Gerechtigkeitsfrage: Wie schaffen wir es, dass wir die Menschen zum Umdenken auf umweltfreundlichere Fortbewegungsmöglichkeiten umzusteigen, ohne ihnen dabei zu sehr zur Last zu fallen? Es ist eine Frage, die auch die vielen Spezifika der Betroffenen umfasst, insbesondere die der Unterschicht. Wie oben beschrieben ist es auch wichtig, den Menschen Alternativen zu offerieren jenseits des Individualverkehrs. Der Zwang der Steuern würde die verantwortliche Regierung schnell aus den Angeln heben und bei der nächsten Wahl eine erwirken, die diesen Schritt prima facie rückgängig machen würde. Der Handel würde wahrscheinlich tatsächliche Konsequenzen positiver Natur haben, würde aber auch, je weiter man nach unten schaut in der Gesellschaft, viele Menschen in eine Krise stürzen, weil die notwendigen Schritte, die ein metaphorisches Auffangnetz schaffen würde, ausschlösse. 

Der Punkt, der also viel zu selten thematisiert wird, ist: Was tun wir anstelle der inkrementalen, indirekten Abschaffung des Verbrennungsmotors noch? Diese Frage wird nicht gestellt, weil sie eine unbequeme Antwort zur Folge hat: Wir müssen die Verkehrsinfrastruktur massiv erneuern; weg vom Auto, hin zu Zug und Bus. Mindestens aber hin zur E-Mobilität aus erneuerbaren Energien. Da diese aber niemals das Aufkommen einer E-Auto-Welle stemmen könnten, führe auch diese Erneuerung schließlich zur Notwendigkeit von mehr ÖPNV, und weniger Privatwagen. Das Auto für den Jedermann war ein schöner Traum, der sich in einen Albtraum ohne Aufwachen verwandelte. 
Diejenigen, die sich aber informiert haben und dennoch bis zuletzt am Privatwagen klammern, weil sie den Komfort, den er erzeugt – Unabhängigkeit; die Möglichkeit, überall hinfahren zu können; morgens nicht in einem vollgepackten Waggon sitzen oder stehen zu müssen; die Gründe sind vielfältig und nicht immer ignorant, arrogant oder egoistisch angehaucht –, nicht missen wollen in Zukunft, allein aufgrund der Verfehlungen unserer Vorfahren, werfen noch ein, dass man doch auch zukünftig auf Brennstoffzellen setzen könnte. Diese seien umweltfreundlich, erzeugten keinerlei Abgase, sondern nur Wasser, weil sie mit Wasserstoff laufen, und wären auch ansonsten makellos, sodass man sie ohne Reue oder schlechtem Gewissen benutzen könnte. Theoretisch haben ihre Verfechter auch Recht damit, bis man herausfindet, dass für die industrielle Erzeugung von Wasserstoff Erdgas benötigt wird, Man merkt also: Der Kreis schließt sich auch bei diesem Grundstoff. Es gibt also schlechterdings keine Antriebstechnologie, die bislang gänzlich frei wäre von jeglicher Kritik. Für Windenergie gilt das genauso: Offshoreanlagen zerstören maritime Biotope, und auf Land werden sie zumeist in Waldgebieten gebaut, wodurch auch dort Biotope geschädigt werden. Auf die Kritik, dass ein Genozid an Vögeln verübt würde für Windkraftanlagen, weil diese auf bestialische Weise gefiederte Lebewesen mit ihren Flügel erschlügen, ist genauso übertrieben wie die Behauptung, dass sie einen Anstieg in Sachen Kopfschmerzen und Migräne erzeugten (und nein, sie erzeugen auch keinen Krebs, wie Präsident Donald Trump einstmals meinte; ersteres ist aber interessanterweise genauso falsch wie die Behauptung, dass Menschen, die in der Nähe von Atomkraftwerken lebten, häufiger an Krebs erkrankten. Diese Behauptung konnte nie vollends unterstützt werden). Bislang scheitern Windkraftanlagen an Land in ihrer Konstruktion am lokalen Aufbegehren gegen sie: Anwohner nahe der geplanten Anlagen wünschen sich Freiheit von ihnen (der verlinkte Artikel dient als sinnbildliches Beispiel; oder, wie es im Volksmund heißt: Als Serviervorschlag). Je häufiger das hingegen auftritt, desto mehr könnte man behaupten, dass es beim Wunsch nach mehr Windenergie ein Stadt-Land-Gefälle gäbe: Die jungen und umweltbewussten Menschen leben allesamt in der Stadt und wünschen sich mehr Nachhaltigkeit bei der Stromerzeugung, während diejenigen, die es eminent beträfe – diejenigen, die in unmittelbarer Nähe der geplanten Anlage wohnen –, strikt dagegen sind. Es käme dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm gleich, in welchem die Elite der Umweltbewussten lebte, herabschauend auf die niederen Untertanen, die die Folgen ihrer Entscheidungen zu tragen haben. Wenn das Volk keine Windkraftwerke mag, soll es doch einfach Photovoltaikanlagen auf seinen Äckern errichten. Qu'ils bénéficient de l'énergie éolienne... 

Was also bleibt am Ende zu sagen? Nicht viel, außer der Tatsache, dass Windkraft- und Solarkraftanlagen am Ende des Tages die einzigen umweltverträglichen Energieerzeuger sein könnten, neben der Atomkraft, zu der ich aber bereits an anderer Stelle Argumente aufführte, weswegen wir sie vielleicht doch lieber hinter uns lassen sollten, auch wenn am heutigen Tage bereits Energieversorger Stellung gegen den Staat wegen eines erzwungenen Ausstiegs. Wohlgemerkt hörte man von keiner solchen Front in Frankreich, wo doch in Kürze (im Jahre 2020) das Atomkraftwerk Fessenheim vom Netz gehen sollte.  Stattdessen bereiteten sich Kommunen darauf vor, künftig ohne den atomaren Netzbetrieb auszukommen, doch niemand forderte von Gevatter Staat stattliche Summen als Abfindung für die künftig ausbleibenden Profite, die aus Atomkraftwerken entstanden. Höchstens könnte man also dem deutschen Staate Pfusch bei den Vorbereitungen vorwerfen können. Darum geht es aber nicht: Meines Erachtens ist die Atomkraftwerk ein riskantes Unterfangen mit Altlasten, die man noch an unzählige Generationen weitervererben wird, wo es doch eigentlich bessere Optionen gibt. An anderer Stelle (ENG) habe ich überdies auch geschrieben, woran die gesamte Umweltbewegung letztlich scheitert, doch das ist ein anderes Thema, was hier ohnedies die Bandbreite sprenge. Darum belassen wir es hierbei, der Link führt zur Genüge weiter. 


Abschluss und »Postscriptum«

Worauf läuft also letzten Endes alles hinaus, was ich hier zum Besten gab? Ich versuche einmal ein Extrakt dessen, was ich nunmehr ausgeführt habe: Wenn wir untereinander, und da spreche ich für die gesamte Gemeinschaft aller Menschen, in virtueller und realer Welt, die sich für das Thema Umweltschutz interessieren, über das Thema diskutieren, dann sollten sich beide Seiten, ungeachtet ihrer Standpunkte, vorher auch gründlich überlegen, ob sie denn schon alle Gesichtspunkte beleuchtet haben, um am Ende von sich zu behaupten zu können, alles beachtet zu haben, und sie diesen Standpunkt dennoch weiterhin voller Überzeugung verteidigen zu können. Natürlich würde niemand von sich behaupten, sich nicht mit einem Thema vollends auseinandergesetzt zu haben, um trotz dessen diesen einen Standpunkt gegen alle Widrigkeiten verteidigen zu können; würde jemand erstgenannte Offenbarung von sich geben, würde dieser Jemand auch Zugeständnisse machen, wenn er oder sie eines Besseren belehrt werden konnte. Es ist die Ehrlichkeit, die dabei fehlt: Viele Menschen könnten es eigentlich besser wissen, was ihren Kenntnisstand anbelangt, behaupten aber dennoch das Gegenteil, behandeln ihre Gegenüber von oben herab, und werden dabei noch ausfällig und/oder belehrend, sodass die Debatte selbst dergestalt vergiftet ist, dass man sich nicht nur in einer Sackgasse befindet, sondern sich noch in dieser prügelt, als ob es in ihr noch etwas zu gewinnen gäbe. Die (in dem Fall bessere) Alternative ist, dass der (oder die) Klügere nachgibt und den Schaumschläger zurücklässt. Die Methode, solche Menschen generell zu ignorieren, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, klingt in erster Linie vernünftig, in der Praxis wird er dennoch nicht durchgesetzt; dort gilt eher die Maxime: (Insbesondere rechtsextremen) Spinnern keine Bühne bieten, stattdessen Paroli. Am Ende entstehen dabei Threads wie unter so ziemlich jedem Tweet von Donald Trump. 
Was also wäre die tatsächliche Lösung? Am besten weniger diskutieren, stattdessen mehr eigenständiges Informieren. Ja, es ist wichtig, dass wir im gegenseitigen Miteinander diskutieren, Meinungen austauschen und uns gegenseitig bereichern mit Anreizen und Anmerkungen über mögliche Fehler und Missverständnisse, doch hat das Internet solche Diskussionen im Miteinander korrumpiert durch überbordende Informationsströme und die permanente Vernetzung mit unseren Menschen, sodass ein Alleinsein zur Reflexion und ruhigen, ausgeglichenen und konzentrierten Informierung des Selbst nicht mehr gewährleistet ist. Stattdessen ist man andauernd mit anderen Menschen konfrontiert, andauernd gerät man in kurze oder lange Konflikte, in welchen man sich austauscht über Ansichten. Dadurch der Mensche aber an solche Situationen nicht zwingend gewöhnt ist – Situationen, in der der Mensch sich direkt oder indirekt dazu gezwungen sieht, in den Wettbewerb mit anderen zu treten, sich an ihnen zu messen und sie zu schlagen –, ist er oder sie automatisch in einem Zustand der Nervosität, der Anspannung, der Strapaze; das führt dazu, dass man Dinge schnell persönlich nimmt, sich schnell angegriffen fühlt, schlussendlich in den Angriffs- und/oder Verteidigungsmodus schaltet. 
Wohl aber liegt es auch daran, dass man selten unter vier Augen im Netz sprechen kann: Nahezu ein jeder von uns kennt den Vergleich, dass in der Öffentlichkeit ein Jemand wie eine aufgescheuchte Raubkatze wirkt, währenddessen derselbe Mensch im persönlichen Gespräch jedoch wie eine zahme Hauskatze wirkt. Warum das so ist? Man könnte von einer indirekt verspürten notwendigen Profilierung vor der Meute sprechen; dass man sich, ähnlich einem testosterongesteuerten pubertierenden Jugendlichen, vor anderen behaupten müsste als der Stärkere, der Coolere, der Unbesiegbare. Natürlich ist das nur eine vage Vermutung, und spontan vermochte ich sie auch nicht mit Studien zu stützen, doch läge es nahe, wenn man, sobald man von niemandem gesehen werden kann, die Maske der Unnahbarkeit abnehme, um sein wahres Gesicht zu offenbaren. Warum sonst sollte sich jemand nicht in aller Öffentlichkeit, wie auch im Privaten, wie ein normaler Mensch verhalten? 
Eine weitere Theorie bedürfe wohl auch eines Treffens an einem öffentlichen Platz, wo man sich im Rahmen der Möglichkeiten unter vier Augen unterhalten könnte, beispielsweise am Tresen einer Kneipe: Je nach dem, wie sich dieser Jemand dort verhielte, könnte man davon ausgehen, wie diese Person wirklich ist. In der Regel sprechen sie das Thema auch selbst an, egal in welcher privaten Situation, und bezeugten, dass sie eigentlich nicht so seien, sie aber auch gleichzeitig keine guten Gründe dafür geben könnten, weswegen sie sich so verhalten. Wäre dem so, und könnten mehrere Menschen diese Unkenntnis benennen, so wäre das Wasser auf die Mühlen einer Theorie des unterschwelligen inneren Drangs nach gespielter Rebellion in der Öffentlichkeit, insbesondere in Zeiten der Anonymität im Internet. On the internet, no-one knows you're a kind person when you pretend to be a dick. 

Auch hierzu lässt sich ein Dreh finden, zurück zur Faktizität von Debatten im Internet: Neben Verschwörungstheorien sind es auch einfach total abgedrehte Halbwahrheiten und stumpfe Lügen, die irgendwer in die Welt setzte, die aber Anhänger finden, weil sie entweder die eigene Agenda beflügeln, maßgeblich unterstützen, oder einfach auf offensive Art und Weise die Bequemlichkeit bewahren, die man so steif und fest bewahren möchte, obwohl doch sprichwörtlich die Hütte brennt. Und das ist es, was zu guter Letzt die Debatten im Internet so teilweise anstrengend macht: Menschen klammern teils wissentlich an ihrem Irrglauben von einer unbegründeten Klimahysterie, die allein darauf abzielt, (hart) arbeitenden Menschen das Leben schwer zu machen, ihnen das Glück im Leben zu rauben, indem man an allen Stellen Abstriche machen soll, weil es dem Klima nütze. Es ist verständlich, wenn Menschen sich bei Forderungen nach teils von staatlicher Seite erzwungenen Ablässen querstellen, und es braucht auch ein Stück weit Überzeugungsarbeit von links (wortwörtlich gemeint), abseits vom bald drohendem Ende der Welt, um Menschen für diese Notwendigkeit zu gewinnen. Natürlich wirkt es paradox, wenn man sagt, dass es nicht reicht, den Menschen klarzumachen, dass, wenn wir unsere Emissionen nicht bald senken, der Planet unbewohnbar wird, doch wirkt das Ereignis noch in weiter Ferne, nicht spürbar; Dürren, zunehmende Waldbrände, monsunartige Regengüsse, die ganze Dörfer versenken... Es wirkt natürlich banal, zu glauben, dass Menschen sich nicht davon überzeugt sehen über die Gefahren des Klimawandels, und doch wird es eine Unterstützung unisono brauchen, um den Klimawandel zu beenden. Und da helfen auch Grundsätze, die es zu beachten gilt, um den Kampf zu gewinnen: Reflektierte Konzepte, die man gegenseitig wohlgemut abwägt in Diskussionen; und ÜBerzeugungsarbeit von der wissenschaftlich gestützten Seite, die ihren inneren Cicero (den Redner, nicht das Debattenmagazin) entdecken muss, um eine geschlossene Front von Klimaschützern zu errichten. Selbstgefälligkeit kommt stets vor dem Fall. Einseitige, flache Konzepte wie Steuererhöhungen und Emissionshandel übrigens auch. 

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