Wort zum Sonntag, KW 46

Wort zum Sonntag, den 17. November 2019

In dieser nunmehr vergangenen Woche mussten bei der AfD gleich zwei Köpfe metaphorisch rollen: Joachim Paul ist nicht länger Ausschussvorsitzender im Medienausschuss in Rheinland-Pfalz, und Stephan Brandner ist nicht länger Vorsitzender im Rechtsausschuss des Bundestages. Wäre es nach vielen Linken in Deutschland gegangen, hätten es die beiden gar nicht erst in diese Positionen geschafft, doch es war notwendig, dass diese Katharsis durchlaufen wurde.
Die Gründe für die beiden Rauswürfe aus Spitzenpositionen waren eindeutig und lassen eigentlich nur sehr wenig Raum übrig für Kritik an den Entscheidungen selbst. Paul konnte man eine Autorenschaft bei einer NPD-nahen Zeitung unter dem Pseudonym Karl Ludwig Sand vorwerfen, wobei Erinnerungen an dieselben Vorwürfe gegen den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke (alias Landolf Ladig; der Artikel selbst ist hinter einer Bezahlschranke, doch kann man im freigeschalteten Bereich noch lesen, wie er es schaffte, und aus welchen Gründen); Brandner warf man fehlenden Respekt gegenüber seiner Stelle vor, insbesondere hervorgebracht durch seinen Tweet am Tage des Anschlags gegen eine Synagoge in Halle an der Saale, neben einem Retweet über das Gedenken der Politiker, die dessen Erachtens in Moscheen „herumlungerten” (seines Erachtens hat man seinen Tweet im Übrigen fehlerhaft interpretiert; man darf sich aber auch wundern, welcher Libertärer wahrscheinlich Kulturen oder Flüchtlingen eine inhärente Schuldhaftigkeit vorwerfen möchte, und damit suggestive Artikel der Boulevardpresse teilt, anstatt tatsächliche Statistiken aufzuführen, die beispielsweise erhöhte Straffälligkeit aufweisen können. Das aber nur am Rande, ich wollte auch meinen eigenen Senf irgendwo unterbringen). Wie man aber dem oben als zweites verlinkten Artikel entnehmen kann, hat er sich mehr als flegelhaft im Bundestag benommen, seinem Amt nicht entsprechend. Man hatte also, sogar vor dem „Judaslohn”-Kommentar bereits allen Grund, ihn abzuwählen. Es hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, wenn man sich in solchen Tönen über andere auslässt, insbesondere, wenn man im Rechtsausschuss befindet, nebenbei auch noch „Desinteresse an der rechtspolitischen Sacharbeit” erwecken lässt. Da muss man sich schon vielmehr fragen, weswegen dieser Jemand überhaupt dieses Amt bekleidet, und nicht doch lieber Platz macht für jemanden, der sich besser eignet. Wahrscheinlich ging es der Bundespartei vielmehr darum, quantitativ aufzutrumpfen, um den Wählern zu geben, was sie sich erhofften. Für einen Moment hätten sie es geschafft, doch pokerte Herr Brandner zu hoch, und verlor schlussendlich. 

Was kann uns aber dieser Präzedenzfall in zwei Aufzügen beweisen? Vor allem eines: Dass dies allein das mustergültige Verfahren im Kampf gegen die AfD sein kann. Sie zu behandeln wie jede andere Partei, und ihre Missstände gegen den allgemein anerkannten/anzuerkennenden Rechtsstaat durch die peinigende Bureaukratie und gesetzten Verfahren hervorzuheben, für alle gut sichtbar. Sie andauernd an den Pranger zu stellen und auszubuhen funktioniert insofern nicht, als dass sich die Partei davon nährt, sie wächst an den Vorwürfen, weil es sie in ihren Ansichten bestätigt: Auf diese Weise können sie bezeugen, wie sehr sich die Altparteien verrannt hätten, wie sehr sie in ihrer Ideologie gefangen sind, in ihrer linksgrünen Mainstreamideologie, dass sie gänzlich handlungsunfähig geworden sind, praktisch nur noch nach ihrem Gusto handeln, ohne abzuwägen zwischen den Konsequenzen und alternativen Optionen. Aus den einstmals verschiedenen Parteien ist ein homogener Einheitsbrei entstanden, welchem sie sich verschrieben sehen, etwas entgegenzusetzen. So zumindest ihre Selbstdarstellung, in welcher sie obendrein noch bestätigt werden durch erwartbare Reaktionen. 

Man möchte mir entgegenbringen, dass das aber doch eine Tautologie ist, welcher man gegebenenfalls nicht entkommen kann, wenn man vorsieht, das Richtige zu tun, auch wenn es zu eben jenem Effekt führe. Normalerweise wäre das auch richtig, doch haben wir es hier nicht mit einem binären Sachverhalt zu tun, sondern mit einem vielschichtigerem. Das heißt, dass man auch in zwei Weisen die AfD bekämpfen kann: Richtig, oder falsch. Die AfD zwar in die Opposition zu lassen, sie aber aus allem auszugrenzen (außer aus einer Regierungsbeteiligung: Von dieser sollte zu jeder Zeit nach Möglichkeit abzusehen sein, dazu habe ich aber auch bereits anderswo etwas geschrieben), ist falsch, weil sie sie in den Umfragen beflügeln kann und ihr noch weitaus höhere Erfolge bescheren kann. Schlimmer noch: Auf Dauer, wäre man so fortgefahren, hätte sie auch alsbald Erfolge im Westen erzielen können, und nicht nur im Osten (im Westen konnte sie bisweilen nur kleinere Teilerfolge feiern), sondern auch im Westen. Die Methode, wie man vorgeht ist wichtig. Sie teils und teils zum Zuge kommen zu lassen, beispielsweise beim Vorsitz in gewissen Ausschüssen, um sie später durch unrechtmäßiges Auftreten zu entlassen, kann dabei helfen, sie zu „entzaubern”. 
Kann das aber funktionieren? Es hängt eben davon ab, ob es genügend Anhaltspunkte gibt, die beweisen, dass die AfD im Kern bösartig und verdorben ist. Bislang kennt man nur ihr Toben in der Opposition und ihre ständigen Entgleisungen bei schwerwiegenden Ereignissen, die insbesondere auch ausländische Mitbürger beinhalten. Theoretisch hätten all diese Vorfälle auf Bundesebene bereits Grund genug gegeben, sie zu verbieten, doch zog man das noch nicht in Betracht, weil wohl ihre Relevanz zu hoch ist, als dass man sie einfach von der Bildfläche hätte radieren können. Stattdessen versuchte man sie peu à peu zu entmachten, in der Hoffnung, dass sie sich von selbst auflöse. In der Opposition konnte sie hingegen an Stärke erlangen, sodass sie nunmehr ein ernsthaftes Problem darstellt, welches sich nicht so einfach ignorieren lässt; gleichzeitig lässt es sich auch nicht durch andauerndes Brandmarken und Anprangern, wie auch durch ständige Empörung über Äußerungen ihrer Politiker beseitigen. Man muss zur Tat schreiten, muss sie sich selbst enttarnen lassen, und, sofern man auf Dauer nicht beabsichtigen wird, mit ihr zusammenzuarbeiten, sie eben verbieten lassen, oder die Menschen, die sie wählen, dort abholen, wo sie sind, und sie mittels kompetenter Politik zurückerobern. Sie sind noch immer Menschen in diesem Land und als solche gleichwertig gegenüber allen anderen Mitbürgern der Bundesrepublik Deutschland. Die Devisen müssen also Überzeugung und Kompetenz bedeuten, und nicht Stigmatisierung. 
Image by Gino Crescoli from Pixabay

Natürlich werden viele hierauf wieder erwidern, dass diese Menschen in Teilen dieselben Rechte ausländischen Mitbürgern und Flüchtlingen nicht anerkennen, sie sie als Schnorrer, Kriminelle und Abschaum ansehen. Weitestgehend stimmt das auch, doch kamen diese Denkweisen nicht von allein: Man wird daran nur oberflächlich festhalten können, weil diese Menschen nicht (alle) von Grund auf verdorben und so eingestellt sind, beziehungsweise waren. Viele sind in dieses Denken hineingerutscht, weil sie beispielsweise auch mit ansehen mussten, wie im Winter Obdachlose erfrieren mussten, während sie auf der Straße, auf Parkbänken oder in U-Bahnen schlafen müssen, während Flüchtlingen mindestens anfangs Obacht geboten wird; sie sehen die teils erbärmlichen Methoden, mit welchen Hartz-IV-Empfänger malträtiert werden, ohne jegliche Aussicht auf Veränderung oder Besserung. Man musste mit ansehen, wie Dieselfahrer gebeutelt wurden wegen des Abgasskandals, während zugleich die Infrastruktur in sich zusammenfällt. Diese Gründe allein können schon aufweisen, weswegen manche Menschen die AfD wählen, trotz ihrer eindeutig rechtsextremen Einstellungen auf Bundesebene. Dies ging auch an manchen Twitter-Nutzern nicht vorbei, die aus eigenen Erfahrungen sprechen können. Es wäre zu einfältig, zu behaupten, dass alle AfD-Wähler von Grund auf Faschisten seien, manche sind dorthin auch geführt worden aus persönlichen Erfahrungen oder Aufgrund der aufgestauten Resignation ob der Machtlosigkeit, die sich anbahnt, weil die Wahlen keine Veränderung bringen können. 

Hierauf möchten manche vielleicht noch als letztes Geschütz erwidern, dass es doch auch Bündnis '90/Die Grünen oder die Linke gäbe, worauf ich hingegen nur eine Frage zu erwidern habe: Sind denn alle Menschen links, vielleicht noch in dubio? Die Antwort kann nur Nein lauten. Es wäre auch überhaupt nicht wünschenswert, dass alle Menschen links wären, auf diese Weise erhofften wir uns ein Meinungsmonopol des linken Flügels. Wem sowas nach einer wünschenswerten Utopie klingen mag, mit dem habe ich dann weniger gemein als man anfangs gedacht hätte. Meinungsmonopole sind Dystopien, die uns in einen Reaktionismus führen, welcher schlussendlich in den Untergang führt, entweder einen tatsächlichen, oder einen dekadenten. Wohl bekomm's! 

Was also lernen wir daraus? Nicht viel, um ehrlich zu sein. Zwei Schläge musste die AfD kassieren, und die Demokratie konnte eine neue Lektion erlernen: Dass es effektiver und wirkungsvoller ist, wenn man den Gegner in eine Falle lockt, um ihn daraufhin zu erdolchen, anstatt ihn andauernd anzuschreien, dass er doch endlich verschwinden sollte aus jemandes leben. Wir können nur hoffen, dass der Lerneffekt anhält, und nicht alsbald wieder verpufft. 

Ich wünsche noch einen schönen Sonntag wünsche ich noch!

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