Die gesetzmäßige Revolution

Zu Protestbewegungen im 21. Jahrhundert

Demonstrationen, egal von welchem Flügel aus und zu welchem Zweck, müssen, bevor sie stattfinden, angemeldet werden beim Ordnungsamt, ansonsten genießt die Exekutive die freie Verfügung darüber, die Versammlung rechtlich aus dem Weg zu räumen, da sie mehr oder minder gesetzeswidrig stattfindet. So weit, so normal, es muss schließlich alles seine Ordnung haben. À propos Ordnung: Selbstverständlich trägt derjenige, der die Versammlung anmeldet, die volle Verantwortung darüber, was geschieht während dieser Versammlung, ausgehend von den Teilnehmern; es ist also besser, schon vorher zu wissen, wie viele und wer genau daran teilnimmt, damit die Schuldfrage in zweiter Instanz schnell geklärt werden kann. Es will ja niemand für etwas die Schuld tragen müssen, wenn er oder sie darauf überhaupt keinen Einfluss nehmen konnte. Ist also so weit alles logisch. Gehen wir aber eine Stufe höher, müssen wir uns doch fragen, *wofür* wir eigentlich demonstrieren; was bewirkt diese Demonstration, dieses Demonstrieren? Bewirkt das überhaupt irgendwas?


Inhaltsverzeichnis


I. Macht korumpiert
II. Man höre auch ihre Stimmen
III. Kenne deinen Feind
IV. Das Schweigen der anderen
V. Schwarze Schafe im schwarzen Block
VI. Exkurs: Israels Nationalstaatsgesetz
VII. Rückkehr zu Punkt V.: Schwarze Schafe im Schwarzen Block
VIII. Die Krise der Presse in der heutigen Zeit 
VIII.i. Stolz und Vorurteil
IX. Der Narziss, oder die Selbstinszenierung im Protest
X. Vom Hass zerrissen, im Vorurteil vereint
XI. Der Erfolg gibt mir Recht, Fuck the Haters, 
XI.i. Der demokratische Populismus
XI.ii. Zur Terminologie des «Marschierens»
XII. Ein Schläger in Uniform ist immer noch ein Schläger
XIII. Blaubraun - in Parlament und Polizei
XIV. Der Zweck heiligt die Mittel? Zu den Protesten im Kohletagebau Garzweil II

XV. Schlusswort

I. Macht korrumpiert

Diese Frage muss man sich in der heutigen Zeit durchaus stellen, in Zeiten, wo Politiker geschwind über die Köpfe der Wähler hinausgehen. Schon in anarchistischen Kreisen kursierte seit Jahr und Tag die Rede der Wirkungslosigkeit der Wahlen – wenn Wahlen etwas bewirken könnten, hätte man sie schon längst aus dem Wege geräumt, immerhin könnten sie die Macht einschränken, sie aufteilen auf das Volk! Das kann die Regierung nur bedingt wollen, immerhin winkt nicht nur eine starke Diät, die das Gehalt eines einfachen Arbeiters weit übersteigt, und nur noch durch hohe Manager in großen Konzernen und gemachten Drogenbossen oder Millionären, beziehungsweise Milliardären überstiegen wird. Diese sind aber in der Unterzahl, im Vergleich zu Politikern, deren Anzahl entweder konstant ist oder mehr wird (wie kürzlich berichtet wurde durch RP Online, hat Deutschland die zweitmeisten Abgeordneten – nach der Volksrepublik China), ganz gleich wie viel das den Steuerzahler kostet. Gefragt, ob das gewollt ist, wird nicht; generell werden, nach der Wahl, nur wenige Fragen an das Volk gerichtet bezüglich des Wunsches  über Steuererhöhungen oder –erleichterungen, die Steigerung der Anzahl der Abgeordneten im Bundestag, oder dem Verbleib bei Rüstungslieferungen an Autokratien, die einen Massenmord gegenüber einem Nachbarstaat, praktisch als stellvertretender Teilnehmer in einem Bürgerkrieg, den selbige Autokratie erst vom Zaun brach. All das ist, obgleich es nie Teil des Wahlprogramms war, durch die demokratische Wahl zu Beginn der Periode gedeckt. Es ist, als ob man die Katze im Sack gewählt hätte. Wem das nicht gefällt, der kann die Partei bei der nächsten Wahl absetzen, so wird es gesagt – ob das am Ende gelingt, entscheidet die Masse. Ansonsten darf man demonstrieren gehen, das lässt das Gesetz zu, solange es gewaltfrei zugeht, ansonsten winken Bußgeld- und Haftstrafen, inklusive öffentlicher Entrüstung über die Gewalt, die zuging während der Demonstration. Ob dabei die Demonstranten selbst Schuld trugen, oder vielleicht die Polizei, weil man sich gewaltbereit von der uniformierten Seite zeigte, das enthüllt in einiger Zeit dann die Presse. Vonseiten des Volkes und der Legislatur wird aber wie bei einer Maxime die Gewaltfreiheit geboten. Wer sich der Gewalt bedient, so sagt man, der hat verloren und liegt im Unrecht. Klingt eigentlich richtig, möchte man meinen, doch wird über die Bundesrepublik Deutschland gesagt, dass sie eben eine demokratische Republik ist, also eine Sache des Volkes, mit demokratisch gewähltem Parlament. Das klingt alles schön und gut in der Theorie, doch ist es schon lange keine Stammtischparole mehr, dass die Regierung und _die da oben_ doch ohnehin nur tun, was sie wollen; früher belustigte man sich über solche Sprüche und tat sie als Gerede ab, woraus der Alkohol sprach. Mittlerweile ist es aber eine Rede, die durchaus zutrifft und sich insbesondere bei der Wahl der Urheberrechtsreform im Internet ausdrückte: Es gab Petitionen, die Millionen an – überwiegend jungen – Menschen erreichte; Millionen von Jugendlichen gingen auf die Straße, um gegen sie zu demonstrieren; international wurden Namen wie Julia Reda und Axel Voss bekannt – Reda war Europaabgeordnete der Piraten und flamboyante Gegnerin des letztlich entschiedenen Gesetzesentwurfes, während Axel Voss der CDU-Mann im Europaparlament, der den Entwurf herausgab und Sprecher für selbigen wurde. Beide sind sie Deutsche, da Deutschland, gemeinsam mit Frankreich, die Vormacht im europäischen Parlament bildet, und somit auch die Gesetzesentwürfe einbringt. Reda kämpfte gegen den Entwurf und suggerierte auch Änderungen, denn gegen eine generelle Reform war sie nie; sie wusste nur, dass sie in der Fassung der EVP, der Fraktion, der auch die CDU angehört, kontraproduktiv war und ausschließlich den großen Konzernen zugutekam, da diese durch die neue Reform eine oligopole Stellung manifestieren konnten durch die schrittweise und indirekte Auslöschung von kleineren Anbietern von Foren und sozialen Netzwerken (beispielsweise Mastodon, Friendica oder die Diaspora Foundation). Viele Kritiker befürchteten in einem Worst-Case-Szenario gar die Beschneidung der Meinungsfreiheit, da das System der Uploadfilter, die entgegen der einhelligen Meinung der EVP, sehr wohl notwendig würden, um die Vorgaben nach dem Schutz des Copyrights eines jeden Eigentümers von Inhalten zu erfüllen. Wie beschrieben gingen Kritiker millionenfach auf die Straße, taten ihre Meinung kund, doch diejenigen, die sie adressierten, erhörten sie nicht, ignorierten sie. Man hielt sich optimistisch und behauptete, dass man es ihnen in den Wahlen heimzahlen werde. Was kann man dazu sagen? Vor allem eines: Ihnen kann es nur gefallen, dass man es ihnen in den Wahlen heimzahlen wird. Schon die Idee, gegen sie zu protestieren, kam ihnen entgegen, mit der Piratenpartei hatten sie einen willkommenen Gegner gegen ihr Urheberrecht, ebenso mit der PARTEI. Beide sind nur minoritär im Europarlament vertreten, ihre Stimme ist so leicht zu überhören wie die der Demonstranten vor Tür und Tor. Petitionen sind da nur die digitalisierte Variante des Straßenkampfes, der kein Kampf ist, sondern ein Zwergenaufstand. 


II. Man höre auch ihre Stimmen

Wie die Wahlen durften Demonstrationen in friedlicher Variante bestehen bleiben, da sie eben nichts (mehr) bewirken können. Was nützt schließlich der größte Aufstand, wenn er am Ende im Winde verhallt? Nicht umsonst lässt man auch Rechtsextreme aufmarschieren, solange sie beispielsweise keine verbotene Symbolik tragen oder präsentieren, die Demonstranten keine Waffen bei sich führen, und verbal keine Volksverhetzung betreiben. Ansonsten sind sie faktisch geduldet, auch Kommunalpolitikern sind per Gesetz die Hände gebunden, selbst wenn sie die Demonstrationen verbieten wollten. Das grausigste Beispiel stellte dabei noch die beim Chemnitzer Trauermarsch per Video aufgezeichnete Menschenjagd gegen Migranten dar, welche sogar noch vom Chef des Verfassungsschutzes als gefaket deklariert wurde. Weitere Ausfälle blieben glücklicherweise aus, sodass man sich eine Frage ganz genau stellen kann: Was sind Proteste insgesamt wert, wenn sogar Rechtsextreme rechtlich von ihnen Gebrauch machen können? Sie dienen in erster Linie dazu, den Herrschenden zu zeigen, dass die Opposition existiert, dass sie - gegebenenfalls - groß ist, und dass man sie ernst nehmen soll. Demonstrationen dienen also in erster Linie dazu, Forderungen zu stellen, in der leisen Hoffnung, dass man sie erhört und man ihre Forderungen durchsetzt. In Vergangenheit und Gegenwart gibt es prinzipiell auch Beispiele dafür, dass es funktionieren kann, wenn das Zusammenspiel zwischen Bürger und Regierung harmoniert: In der Vergangenheit hatte man - im Osten Deutschlands - das Beispiel der «Friedlichen Revolution» in Leipzig, welche nachträglich zum Mauerfall und zum Sturz der Regierung, welche schlussendlich die mehr schlechte als rechte Wiedervereinigung zur Folge hatte. Die Revolution, welche ebenfalls ganz ohne Gewaltanwendung auskam, galt dennoch als voller Erfolg und als Indikator dafür, dass sich Demonstrationen eben doch lohnen. Schauen wir auf das Jahr 2019, so haben wir ebenfalls ein Beispiel dafür, dass sich Demonstrationen sogar noch in autokratischen Nationen lohnen können: Ein Blick nach Algerien verrät uns, dass, wenn die Menschen Hand in Hand zusammenhalten, sie auch langjährige Herrscher aus dem Weg räumen können. In der ehemaligen französischen Kolonie schafften es Protestler in einigen Tagen, den alternden und kränkelnden Präsidenten Abdelaziz Bouteflika aus dem Weg zu räumen. Vorab gab er aber bereits selbst bekannt, wahrscheinlich nicht die ganze Amtszeit in der Lage zu sein, zu regieren, sodass er mittendrin ausgestiegen wäre, wenn er hätte wiedergewählt werden sollen. Folglich zog er also die Reißleine, als er sich dazu entschied, als er sich dazu entschloss, dem Widerspruch des Volkes nachzugeben. 
Der Übergang des Jahres 2018 auf 2019 zeigte aber auch Proteste, die nicht das gewünschte Ergebnis hervorriefen, und somit auch zeigen können, wie sturköpfige Politiker außerhalb Deutschlands dem Wähler Paroli bieten: Die Gelbwestenbewegung (auf Französisch: mouvement gilets jaunes) protestierte anfangs gegen steigende Benzinpreise, griff das Moment aber auf, um sogleich auch gegen generell zu hohe Steuersätze zu protestieren, gegen die neoliberale Politik des Präsidenten Emmanuel Macrons (LREM) und gegen jedwede sonstige Elite (Macron wurde bekannt für seine Anstellung bei den Rothschilds und für die Ehe mit seiner ehemaligen Lehrerin; ebenso auch für den Rat, den er einem arbeitslosen Gärtner gab, dass er nur weiter suchen müsse und er ihm eine Anstellung besorgen könne, wenn er nur über die Straße ginge). Nicht nur ging man nicht auf die Demonstranten ein, sondern rief sogleich auch Gesetze gegen den Einsatz von Gewalt bei Protesten aus (vielfach kam es während der Proteste antisemitische Gewalttaten, so auch gegen den französischen Philosophen Alain Finkielkraut; die ZEIT hat darüber berichtet in Form eines Interviews mit Finkielkraut. Bereits in seiner ersten Aussage des Interviews erzählt er von dem Vorfall, sodass nicht das ganze Interview gelesen werden muss. Über das Gesetz berichtete der französische Sender France Info (Französischkenntnisse vorausgesetzt)). Ob ein Protest also Erfolg hat, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob man Glück hat und in welchem Land man lebt, beziehungsweise, wer an der Macht ist. Letzteres ist von besonderer Wichtigkeit, da Politiker, sofern demokratisch gewählt durch eine Mehrheit an Wählern, auch einsichtig genug sein müssen, wenn der Protest funktionieren soll. Einsicht braucht es, weil Proteste meist nur eine symbolische Kraft innehaben: Sie müssen, wie zuvor beschrieben, dem betroffenen Politiker - eben die herrschende Institution im Lande - zeigen, dass die Mehrheit genug von ihm hat, und sie ihn abgesetzt wüssten. Autokraten ließen sich davon nicht beeindrucken; sie ließen die Proteste entweder ausklingen, säßen sie aus, bis sie sich aufgelöst haben, oder sie ließen sie niederstrecken durch die polizeiliche Gewalt. Doch auch demokratisch gewählte Politiker, die sich nicht festnageln an eine hohe Position bis an ihr Lebensende, wie man es von Robert Mugabe aus Zimbabwe kannte, beherrschen das Aussitzen von Kritik und Protesten gut, eben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie setzte bei den Umweltschutzprotesten der «Friday's For Future»-Bewegung (FFF) noch einen obendrauf und begrüßte die Proteste, woraufhin sie schließlich zur Tagesordnung zurückkehrte und in Sachen Klimaschutz genau eines tat - nichts. Zwar fand sie es gut, dass junge Menschen sich mit dem wichtigen Thema des Klimawandels auseinandersetzten, doch sah sie sich angesichts der anhaltenden Proteste nicht in der Bringschuld, politisch etwas zu bewegen, obwohl sie dazu alle Macht konzentrierte. Sie könnte der amtierenden Umweltschutzministerin (Svenja Schulze (SPD)) anordnen, entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten, mindestens könnte sie es aber zur Sprache bringen, damit am Ende ein angemessener Entschluss gefasst werden kann. Es wäre nicht unmöglich, sie müsste nicht voller Ohnmacht in Inaktivität verfallen, es sei denn, es ist nicht in ihrem Ansinnen, dass entsprechende Maßnahmen getätigt werden. Das wiederum wäre ein Kontradiktum zu dem, was sie den Klimaschutzdemonstranten entgegenbrachte. was also lässt sich über ihre Reaktion sagen? Dass sie sich über sie lustig gemacht. Indirekt schon. Man kann niemandem sagen, dass man jemandes Bitte, beziehungsweise Forderung, willkommen heißt, nur, um diese Bitte, beziehungsweise diese Forderung, anschließend verpuffen zu lassen. Ob es insofern aber sinnvoll von den FFF-Demonstranten ist, zu sagen, dass sie nicht aufhören werden, zu demonstrieren, bis man ihre Forderungen einerseits wahrnahm und andererseits auch in die Tat umsetzt, ist fragwürdig, da der Staat derzeit nicht inhärent in einer Bringschuld in Form einer gesicherten Zukunft für jedermann unter ihnen ist: Wenn sie am Ende beispielsweise keinen Abschluss haben, weil sie freitags nicht in der Schule waren (was ohnedies sehr unwahrscheinlich ist, weil hierbei lediglich ein Ausfall von einem Tag verzeichnet wird, was gerade einmal 20 Prozent der Schulwoche ausmacht; ohnehin gehen nicht immer alle Schüler einer Schulklasse demonstrieren, sodass es ihnen über das Wochenende möglich wäre, Unterrichtsstoff des Freitags nachzuholen, um somit nicht abgehängt zu werden), kann sich die Zuständige Bundes- oder Landesregierung geschickt rauswinden, indem sie sagen, dass sie es selbst zu verantworten haben, da man sie nicht zwangsmäßig vom Unterricht verwies, sondern sie sich aus freien Stücken dazu entschieden, ihm fernzubleiben. 
Die «Friday's For Future»-Bewegung - eine 
Demonstrationsbewegung, die Aufsehen erregte
Andere Richtlinien gelten für die Schulen, die, solange sie sich nicht solidarisch mit ihren schwänzenden Schülern zeigen (wollen/können), dazu verpflichtet sind, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen gegen die schwänzenden Schüler, die am darauffolgenden Montag keine angemessene Begründung für ihr Fehlen vorlegen können, beispielsweise ein ärztliches Attest oder das beglaubigte Schreiben eines Unternehmens, bei welchem sie beispielsweise ein Vorstellungsgespräch hatten bezüglich einer Ausbildungsstelle: Sie sind dazu angeraten, Stunden für das Nachsitzen einzurichten, oder sie gegebenenfalls permanent oder temporär der Schule zu verweisen. 


III. Kenne deinen Feind

Das klingt anfangs hart, doch ist es nur logisch, in gleich zwei Formen: Erstens, weil die Schulen, wie gesagt, dazu angehalten werden durch die gesetzliche Grundlage, Schüler zu sanktionieren bei bewussten Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz, und zweitens, weil es ihren Taten dadurch noch einen signifikanten Nachdruck verleiht. Inwiefern? Nun ja, schauen wir einmal auf die Geschichte: Dort finden wir bekannte Größen des zivilen Ungehorsams, die für ihre Taten ebenfalls ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie gegen die Staatsmacht protestierten: Mahatma Gandhi und Antonio Gramsci beispielsweise; beide verfassten während ihrer Gefängnishaft Streitschriften, welche später zur Standardlektüre linker Aktivisten gehören (Auffassung des Autors, wohlgemerkt). Mahatma Gandhi schrieb Texte zum Thema des zivilen Ungehorsams (aufzufinden in den «Selected Writings», herausgegeben von Ronald Duncan), Gramsci schrieb Essays und Briefe, die die neomarxistische Denkweise später maßgeblich beeinflussen sollten. Weltberühmt wurden aber auch Henry David Thoreaus Schriften zum zivilen Ungehorsam, die einerseits das Verständnis der Vereinigten Staaten und auch den exklusiv in den USA vorzufindenden Transzendentalismus formen sollten. Natürlich wäre es ungerecht, jetzt zu behaupten, dass die streikenden Schüler sich jetzt als die nächsten Unabhängigkeitskämpfer verstehen sollten, die in die Fußstapfen Gandhis und Gramscis stiegen, doch es soll ihr Verständnis als Streikende generell formen, unabhängig des Zieles oder des Feindes, dem sie sich gegenübersehen: Sie sollen ihren Streik nicht bloß als eine Notwendigkeit verstehen, der man schlechterdings nachgeht, obwohl man eigentlich gerade gerne woanders wäre; sie sollen es nicht auf die leichte Schulter nehmen und sich denken, dass sie auf diese Weise ein verlängertes Wochenende auf wöchentlicher Basis entgegennehmen, mit dem Segen vieler angesehener Persönlichkeiten aus Polit- und Popkultur, und sogar noch ihrer Eltern, die theoretisch auch die Zukunft ihrer Kinder auf Bildungsbasis gefährdet sehen könnten; sie sollen auch nicht denken, dass, obgleich dieselben angesehenen Persönlichkeiten aus der Kultur und Politik etwas anderes behaupten, diese Streiks ihre Bildung ersetzen könnten oder ihre Bildung durch diese Streiks Blüten trüge. All das wäre Unfug und würde auch Sinn und Zweck der Streiks selbst verfehlen. Vielmehr müssen sie ihre Streiks zu spüren bekommen - damit sie nicht eines Tages anfangen, Hoffnung oder Energie dabei zu verlieren, um am Ende in einen Zustand zu geraten, den man im Englischen als indifferent bezeichnet: Dass es ihnen eines Tages egal sein könnte, ob noch was passiert; dass es ihnen eines Tages egal sein könnte, ob sie nun im Klassenzimmer in der Mathestunde hocken oder sie auf einem öffentlichen Platz stehen und ihre Parolen schwingen, auf dass die lahmende Politik nun endlich ihr Gesäß erhebe und sie tut, was notwendig ist, um das Weltklima zu retten, sofern noch etwas zu retten ist. Es muss sich zeigen, dass ihr Protest wahrgenommne wird, und dazu gehören auch die Sanktionen, die sie über sich ergehen lassen müssen. Viele Proteste gegen die Obrigkeit hätten ohne die Sanktionen niemals ihre Wirkkraft erzielen können, hätte die Obrigkeit nicht eine gewisse Angst verspürt und schreckhaft zum Gegenschlag ausgeholt, sei es durch Inhaftierung von Teilnehmern und Rädelsführern, oder den gewaltsamen Niederschlag der Demonstrationen mit Wasserwerfern, Pfefferspray oder Scharfschützen. 
Man merkt das besonders in autokratischen Nationen, aber eben auch in der Geschichte. Man erinnert sich beispielsweise noch an den Mann aus Beijing, der sich unter Einsatz seines Lebens wagemutig vor Panzern positionierte, die sich über den Platz des himmlischen Friedens, auch bekannt als Tian'anmen-Platz, bewegten. Selbiger Platz wurde auch berühmt durch das Tian'anmen-Massaker, bei dem ein Volksaufstand brutal niedergeschlagen wurde durch die Regierung (eine Aufarbeitung über die Vorfälle lässt sich beispielsweise in diesem Artikel der ZEIT nachlesen). Die Gründe für die Proteste könnten nicht bildhafter sein: Die studentischen Protestler setzten sich für mehr Demokratie in China ein, folglich ließ man sie niederstrecken, auf einem öffentlich zugänglichen Platz, bei helllichtem Tage. Es war ein unbestreitbar grausames Bild, doch gleichsam eine allegorische Darstellung für so viele Proteste innerhalb der Geschichte, in welcher Menschen sich für ihre Freiheit und die ihrer Mitmenschen einsetzten und dabei ihr leben ließen. Noch heute können wir - in China!; oder besser gesagt: In Hongkong - erleben, wie Proteste für mehr Demokratie im Lande geahndet werden. Vorab soll aber gesagt werden: Der Autor weiß darüber Bescheid, dass Hongkong kein Teil Chinas ist, dass es einen autonomen Status innehat, ähnlich Macau. Der Unterschied ist nur, dass Hongkong formell dennoch zu China gehört. Das System, welches beide Optionen - Selbstverwaltung und Angehörigkeit zur Volksrepublik China - ermöglichen soll, nennt sich «Ein Land, zwei Systeme». Genau das ist aber auch ein springender Punkt in den sogenannten «Regenschirmproteste», die seit 2014 anhalten und wegen deren vor genau einer Woche, am neunten April, neun Initiatoren, darunter der populäre emeritierte Soziologieprofessor Benny Tai, wegen Verschwörung zur Störung der öffentlichen Ordnung (oder zivilem Ungehorsam, um es ein wenig offensichtlicher auszudrücken), verurteilt wurden (nachzulesen ist das in der Tagesschau, die darüber zu berichten wusste). 
Dass in Hongkong Ideale der ehemaligen englischen Kolonialherrschaft - Meinungsfreiheit, demokratische Wahlen, Versammlungsfreiheit - immer weiter gefährdet werden, konnten die Regenschirmproteste bildhaft darbieten (wer noch Genaueres wissen möchte über das Autonomiesystem Hongkongs gegenüber China, kann diesen erklärenden Text lesen, bereitgestellt durch das Wirtschafts- und Handelsbüro Hongkongs in Berlin). Ohnehin lässt sich im alltäglichen Leben der Menschen in Hongkong immer weiter ablesen, inwieweit China versucht, Einfluss zurückzugewinnen: Ähnlich der Taktik, die es auch in Europa und in Ostafrika übt, kauft sich China weiter ins Landesinnere ein und bezieht dadurch auf markttypische Weise Stellung. In Ostafrika macht es das insofern, als dass es Unternehmen aufbaut und Projekte durchführt, durch welches es die Länder aufbaut, welches sie selbst mangels einer wirtschaftlichen Infrastruktur und daraus hervorgehendem finanziellen Mangel nicht selbst können. China wird dadurch Arbeitgeber, aber zugleich auch Schirmherr über das gesamte Land. Denn wer so viel Einfluss übt, will dafür auch etwas zurückhaben. Per se kann man also behaupten, dass China versucht, Hegemonialmacht zu werden in Afrika, sofern es das noch kann; es ist auch die nächste Möglichkeit, an Europa anzuschließen, da man sich dort schwertut, China immer mehr zu offerieren oder zu verkaufen. Unternehmen kauft es bereits auf, so zum Beispiel den Hersteller von Industrieobotern, Kuka, um ein deutsches Beispiel zu nennen. Mittlerweile versucht es auch, eine neue Seidenstraße zu errichten, eine Transitstrecke für den Güterverkehr über Land; üblich war bislang der Weg über den Seeweg, also die Schifffahrt. Mit seiner Initiative ist China schon in Italien angekommen, da die dortige rechtspopulistische Regierung (die Movimiento Cinque Estelle (M5S) ist schon von Beginn an zu unbedeutend, um noch gegen die Lega Nord Einfluss zu wirken, somit ist sie als grundlegend rechtspopulistisch einzuordnen) wittert große Chancen im gemeinsamen Handel (darüber berichtete beispielsweise die FAZ). Fast schon kommt es einem vor wie die Situation im Garten Eden, als Eva [Italien] den verbotenen Apfel vom Baum der Weisheit erhält von der Schlange [China], und Adam [die EU; oder wer auch immer versuchte, Italien vom Deal mit China abzubringen] versucht, sie zu warnen. Italien liefert sich naiv an, und wirft sich damit dem Moloch China zum Fraße vor. Man kann also sagen, dass China sich schleichend und dennoch auffällig immer mehr Macht im Ausland aneignet. Warum das wichtig ist? Weil China eben eine alles andere als demokratische politische Linie verfolgt, die viele Nationen der westlichen Welt theoretisch verurteilen. Gleichzeitig hat China es aber auch geschafft, sich wirtschaftlich so unverzichtbar kostengünstig und effizient einzurichten, dass man in Europa mit gespaltener Zunge spricht: Einerseits verurteilt man die Menschenrechtsverletzungen, die begangen werden, andererseits hat man auch nichts dagegen, dass dort weiterhin für westliche Branchen produziert wird. Die eine Hand zeigt den erhobenen Zeigefinger, die andere steckt das Geld ein. 


IV. Das Schweigen der anderen

Das ist auch insofern wichtig, als dass auf diese Weise auch Protestler aus China selbst übers Ohr gehauen werden, wenn sie die Missstände im Lande anprangern. Ein bedeutender Vertreter, der großes Ansehen in Europa genießt, ist dabei der Fotokünstler und politische Aktivist Ai Weiwei; als Dissident gewährte man ihm in Deutschland Asyl, wo er seine Arbeit fortführt und Stimmung gegen das Politbureau macht. Dass er das Kokettieren mit der Volksrepublik abscheulich findet, kann man sich gut vorstellen, doch wird er dieselbe Reaktion auf seine Kritik erfahren wie auch die FFF-Protestler: Bedeutungsschwangere Stille. Sie trägt insofern Bedeutung, als dass man daraus herauslesen kann, dass man nicht vorsieht, das Land zu sanktionieren. Bei Russland zuckte man nicht einmal mit der Wimper, bis man die ersten wirtschaftlichen Sanktionen erhob. Und dabei hat der Kreml nur die Halbinsel Krim annektiert und fortwährend Separatisten in der Ukraine unterstützt, währenddessen man gleichzeitig Bezichtigungen über mögliche Wahleinmischungen in den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen aushalten musste. Das nur steht dafür, dass China es nicht besser macht, sondern es noch weiter treibt: Die Volksversammlung beinhaltet ausschließlich die kommunistische Partei Chinas, ist somit eine diktatorische Autokratie; das Social Scoring System kontrolliert die Bürger wie Marionetten, da sie bei gesetzeswidrigen Verhalten Sanktionen jedweder Art vorsieht; Regierungskritiker werden verfolgt, wie man auch bei Ai Weiwei sehen kann; die Uiguren, die muslimische Minderheit in China, werden verfolgt und in Internierungslager gesteckt, wo sie wie Ausgestoßene behandelt und auf Linie gebracht werden; die Fabriken im Land werden unter menschenunwürdigen Zuständen betrieben, die Arbeiter wie Sklaven ausgebeutet; und so weiter, und so fort. Die Lage vor Ort könnte kaum schlimmer sein, doch mit dem Segen der westlichen Nationen kann man fortfahren wie gehabt. Dass vor Ort niemand mehr protestiert, dürfte mehr als verständlich sein. Man hat es versucht, und die eiserne Hand zu spüren bekommen. Lediglich Dissidenten haben noch eine Chance, doch diese werden nicht mehr erhört als dass man ihnen den Kopf tätschelt wie braven Hunden. 


V. Schwarze Schafe im schwarzen Block

Die gilets jaunes wurden bereits zuvor als ein Beispiel moderner Protestbewegungen geschildert, und auch, dass sich unter ihnen Antisemiten bewegen, die bereits tätliche Übergriffe auf ihre Liste eingebracht haben. Auch Schmierereien antisemitischen Hintergrundes an Wänden, beispielsweise Graffiti, wurden infolge der Gelbwestenproteste in Paris gesichtet. Schnell kam in den Medien der Gedanke auf, dass die Gelbwesenproteste wohl vor allem ein antisemitischer Protest seien, nicht umsonst kamen diese ganzen Schmierereien und Angriffe auf. Gewalt war ohnehin ein fester Bestandteil der Proteste, die Ausschreitungen waren regelrecht gezeichnet durch Brände, eingeschlagene Scheiben und dem Einsatz von Pyrotechnik, wie man sie sonst nur von Hooligans in Fußballstadien kennt. Manche Gelbwesten sahen sich hingegen darin beleidigt, und verboten sich die Deklarierung als Antisemiten. Sie seien keine, ihnen ging es nur um die Politik, nicht um irgendwelche diskriminierenden Tendenzen. Ins Bild passe ohnehin nicht: Angefangen bei der Kritik an Macrons neoliberaler Politik, die auf Gedeih und Verderb nicht fruchten will, sollen sie auf einmal Judenhasser sein? So ganz will es nicht passen. Natürlich ist auch dem Autor nicht entgangen, dass es einen Anstieg in antisemitischen Übergriffen in Frankreich gab (Auf France 24 lässt sich - auf Englisch - noch einmal nachlesen, inwieweit sich das in Frankreich wiederspiegelt), und es ist auch klar, dass einerseits die althergebrachten Narrative vom gierigen, schachernden Juden schnell vom Dachboden des faschistoiden Großvaters gehievt sind, wenn die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht, und andererseits auch E. Macrons Vergangenheit - er arbeitete bei im Bankhaus der Rothschilds, bevor er Präsident Frankreichs wurde -, dem verqueren Narrativ wenig zuträglich ist, doch sollte das nicht heißen, dass die gilets jaunes in dieselbe Kerbe schlagen. Es greift aber eine Grundproblematik auf, der sich viele lose organisierten Vereinigungen und Demonstrationen eines Tages gegenübergestellt sehen, wenn sie sich nicht darum scheren, sich wie Clubs und Vereine zu organisieren, mittels einer Mitgliederliste. Ich hoffe auch, dass es bis hierhin einigermaßen verständlich ist, was ich meine. Falls nicht, dann soll ein Beispiel diesem Problem herhalten. Nehmen wir beispielsweise den lokalen Verein der Kaninchenzüchter, ein urdeutsches Phänomen, das, ähnlich dem Schrebergarten, viele schmerzverzerrte Gesichter hervorruft, es schreit «Spießertum» aus allen Poren. Darum geht es aber nicht, es ist einfach ein Verein in diesem Fall. Derartige Vereine sind meist vergleichsweise straff organisiert: Es gibt einen Leiter an der Spitze, neben ihm gegebenenfalls noch einen Kassenwart, der die Finanzen im Griff hat, und einen Schriftführer, der Protokoll führt bei den in Intervallen stattfindenden Sitzungen. Der Rest besteht in der Regel aus einfachen Mitgliedern, die sich gerne mit Gleichgesinnten treffen. Ein typischer Verein eben, nichts Spektakuläres. Ein krasses Gegenbeispiel wäre die Antifa. Sie stellt sich in Vereinssachen insofern problematisch dar, dass man nicht sinngemäß von der Antifa sprechen kann - die Antifa gibt es nämlich gar nicht! Sie ist, entgegen vieler rechtsverorteter Verschwörungstheoretiker, die gern über die Antifa GmbH oder den Antifa e. V. sprechen, die oder der durch die Bundesregierung finanziert wird, kein eingetragener Verein, und auch kein im Handelsregister vorzufindendes Unternehmern irgendeiner Rechtsform! In ihr finden sich keine gebührenzahlenden Mitglieder, kein Kassenwart, kein Schriftführer, niemand. Es ist nicht mehr als ein Ausdruck, unter welchem sich theoretisch jeder verdingen kann, wenn er möchte. Auch Du, geneigter Leser, könntest nunmehr hinaus in die Welt treten, behaupten, dass du von der Antifa seist, im nächsten Moment mit einem Stein ein Schaufenster einschlagen, und zu guter Letzt «Revolution!» schreien! (Denk' aber dran, vorher deine Skimaske überzuziehen, damit niemand Dich erkennt) Am Ende könnte niemand sagen, was das war, und ob Du womöglich ein Antifaaktivist bist. Die Annahme wäre in solchen Momenten nicht vollends ausgeschlossen, weil es auch keine fixen Indizien gäbe, die es ausschließen ließen. Um sich als Antifaaktivist auszuweisen, bedürfe es theoretisch einen entsprechenden Ausweis, der aber nicht existiert. Sogar Rechtsextremisten könnten sich als Antifaaktivisten deklarieren, und unter dieser Flagge Gräber auf Judenfriedhöfen beschmieren. Et voilà - schon wurde das Gerücht gestreut, dass auch antisemitische Linke antifaschistische Aktivitäten betrieben, oder zumindest unter diesem Deckmantel antisemitische Straftaten begangen würden. Schnell hätte die Antifa, also ihr einst guter Name, einen schlechten Ruf weg. Lediglich einige, die unter ihren Namen versuchen, dem Rechtsextremismus Einhalt zu gebieten, wüssten es noch besser; was aber nütze das schon, wenn die Mitte der Gesellschaft von der Antifa denkt, dass es ein Haufen Antisemiten sei, oder sich in ihrer Mitte auch dergleichen herumtrieben? Das wäre insgesamt schadhaft, müssen doch Antifaaktivisten wenigstens die Mitte der Gesellschaft auf ihrer Seite wissen, um wirken zu können. Immerhin ist doch das Hauptziel der Antifa,  für eine bessere, gesündere Gesellschaft zu sorgen, in der Rechtsextremisten und Faschisten, aber auch Nationalisten keinen Platz haben. Diejenigen, die es nicht sind, sollten daher schon guten Gewissens wissen können, dass die Antifa sauber ist, frei von solch schadhaften Kobolden. Sich allein auf einen allgemeinen Konsens zu verlassen, der sich anderweitig nicht beweisen lässt, wäre tumber Unfug. Das käme einem heuchlerischen Skeptizismus gleich, der allein darauf baut, dass man behauptet, dass etwas nicht so sei, wie es allgemein hin angenommen wird, man es aber nicht belegen kann, weil dazu jegliche Fakten fehlen. 
Die Demonstranten in Frankreich zeichnen sich vor
allem durch ihren uniformen Einsatz von Warnwesten
aus
Man baut ein Gebilde auf Sand, und wundert sich am Ende, dass es in tausend Teile zerfällt, weil das Fundament keines war. Man kann also die Maxime rezitieren, dass ein jeder kluger Mensch ein Antifaschist ist, doch wie sollte man davon ausgehend behaupten können, dass ein Antisemit kein Antifaschist ist, oder sein kann? Wie will man Menschen erklären, dass jemand, der auf Judenfriedhöfen Gräber besudelt, kein Antifaschist sein konnte, weil es unklug ist, Gräber zu verunstalten? Klingt an sich logisch, und sollte an sich auch überzeugen, da auch allgemein bekannt ist, dass es keine guten Gründe gibt, Juden zu hassen. Anders als andere abrahamitische Religionen haben sich die Juden nie etwas zuschulden kommen lassen, lediglich in ihrem Namen begeht der israelische Staat eine Straftat internationalen Ausmaßes, indem er den Siedlungsausbau immer weiter vorantreibt auf der West Bank, obwohl das gegen die internationalen Statuten verstößt (wer das nicht glaubt, kann es auch in einem Artikel der Jerusalem Post nachlesen). Mit dem Judentum hat es nichts zu tun; keine der drei abrahamitischen Religionen sieht es vor, sich mittels eines Staates irgendwo niederzulassen und einen Staat zu gründen. Religionen sind in erster Linie Privatsache und streben nach einem frommen Leben, als Privatier (oder Privatière, wer sich auch in frankophonen Lehnsworten um eine korrekte Geschlichtsform bemüht sieht). 
Gerne findet man sich in entsprechenden Gotteshäusern, ähnlich wie beim Kaninchenzüchterverein, zusammen, sei es nun eine Kirche, eine Synagoge oder eine Moschee. Man zahlt seinen Mitgliedsbeitrag, studiert die Fachliteratur und hält bei sich zuhause auch noch einen Altar, auf welchem man religiöse Devotionalien hortet und zu seinem Herrn betet. Das ist alles noch OK, da es eben privat stattfindet, abgeschottet vom Rest der Gesellschaft, den es gegebenenfalls auch gar nicht interessiert, an wen man glaubt. Problematisch wird es erst, wenn man einen Staat ausrufen möchte, und man sich mit gleichgesinnten Glaubensbrüdern und -schwestern zusammenfindet, um dieses Unterfangen um jeden Preis durchzuziehen. 


VI. Exkurs: Israels Nationalstaatsgesetz

In Israel war das ein spezieller Fall, da die Juden während der Zeit des grassierenden Faschismus in Europa in der Klemme sahen, von allen Seiten sprang ihnen Hass entgegen. Auf Schritt und Tritt sahen sie sich mit ihrem Tod konfrontiert, und so taten sie das einzig Menschenmögliche, was ihnen möglich war: Sie ergriffen die Flucht. Manche zog es ins Ausland in Exilländer wie den USA, andere nutzten hingegen die Möglichkeit, die ihnen durch Judenräte offeriert wurden, nämlich die Flucht nach Palästina, um dort in Kibbutzen (jüdischen Siedlungen) Fuß zu fassen. Später erwuchs daraus ein Staat, da Staaten in der Regel mehr Möglichkeiten in Sachen Sicherheit und Selbstschutz bieten. Dabei war den Siedlern nicht einmal vorzuwerfen, dass sie mit ihrem Glauben hausieren gegangen werden, immerhin machte man in Europa gezielt Jagd auf sie. Sie hätten sich also noch so sehr zurückhalten können mit ihrem Glauben, es hätte nichts genutzt. Nun aber, Jahrzehnte nach der Gründung des Staates und dem Kampf in Kriegen wie dem Sechs-Tage-Krieg, haben sie damit begonnen, Siedlungen auf der West Bank zu gründen, um somit noch weiter bereits bestehende Spannungen weiter anzuziehen, und haben das höchst umstrittene «Nationalstaatsgesetz» auf den Plan gerufen, wodurch Israel als Heimat der Juden bezeichnet wird; durch Juden gegründet, für Juden gedacht (wer es genau wissen möchte und mir, dem Autor, nicht vertraut, kann auch hier noch einmal nachlesen, was das Gesetz sagt; die Knesset hat eine Kopie des Dokuments freundlicherweise bereitgestellt). Liest man das dreiseitige Dokument, hat man schon erhebliche Bedenken in Bezug auf die Sicherheit des Staates selbst, da er sich damit stark von seiner arabischen Minderheit ausgrenzt, oder besser gesagt: Seine arabische Minderheit ausgrenzt. Er sich nicht von ihr, sondern er sie ausgrenzt. Man muss nur einmal begutachten, wie den Juden explizit das Recht zur Selbstbestimmung zugesprochen wird, dasselbe ist Minderheiten nicht per Gesetz zugesichert. Dasselbe gilt für die Amtssprache: Die ist Hebräisch. Arabisch hingegen wird ein Sonderrecht zugesprochen, was auch immer das im Nachhinein bedeuten mag, es genießt auf jeden Fall nicht dieselben Rechte wie die hebräische Sprache, obwohl beide Minderheiten doch insgesamt harmonisch miteinander leben sollten. Immerhin machte die arabische Bevölkerung des Landes gegen Ende des Jahres 2018 21 Prozent aus (20, 9 Prozent; bei einer Bevölkerung von 8.972.000 Menschen macht das bereits 1.875.148 Menschen aus (Zahlen entstammten der Times Of Israel). Zum Vergleich: In Deutschland leben knapp 83 Millionen Menschen insgesamt (eine Schätzung des Statistischen Bundesamtes aus diesem Jahr), davon sind schätzungsweise 10,9 Millionen Menschen mit ausländischer Zugehörigkeit (ebenfalls eine Schätzung des Statistischen Bundesamtes). Das entspricht einem prozentualen Anteil von knapp 12,77 Prozent. Israel sollte sich also, wie auch Deutschland, gegebenenfalls dazu genötigt sehen, Minderheitensprachen offiziell als Amtssprache anzuerkennen. Insgesamt ist das natürlich eine rein formelle Angelegenheit, da bereits jetzt ohnehin Sprachen wie das Türkische oder bestimmte arabische Dialekte angewandt werden sollten im behördlichen Raum, damit zumindest im Internet niemand aufgrund seiner rudimentären Deutschkenntnisse zurückgelassen wird. Auf Hetzer und Angstschürer, die wegen solcher formellen Bestimmungen bereits die deutsche Rasse, oder wie auch immer sie es nennen wollten, gefährdet sehen, braucht man ohnehin nicht zu hören, sie wären auch zu keinem Kompromisse bereit; ihnen wäre es gleich, ob jemand, der gewillt ist, sich zu integrieren, faktisch in seiner Herkunft ausgeschlossen würde, indem er behördliche Schreiben nicht verstehen kann, weil sie nur im sperrigem Deutsch vorliegen, nicht aber in Dari (beispielsweise). Lern Deutsch oder bleib zurück - eine solche Mentalität sollte genauso gehandhabt werden, wie sie äußere Belange selbst handhabt: Ohne jeglichen Kompromiss. Nur, weil die Behörden multilingual Dokumente anbieten, heißt das noch nicht, dass die deutsche Sprache verdrängt wird. Immerhin sprechen wir hierbei nur von Amtsstuben: Ob der Supermarkt um die Ecke in zehn Jahren bilinguale oder multilinguale Preisschilder führen wird, ist ein unbeschriebenes Blatt und keine Frage, die sich beispielsweise das Einwohnermeldeamt stellen muss. Selbiges gilt auch für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender: Ob Du, geneigter Leser, jemals türkische Untertitel unter Klaus Kleber vorfinden wirst, steht nicht fest, und würde durch eine Regelung zur Mehrsprachigkeit in amtlichen Schreiben nicht bestimmt. Man könnte in dieser Debatte auch die Frage stellen, wie es die irische Landbevölkerung, die kein Englisch spricht, dafür aber nur as Gaeilge spricht, es findet, dass man Verordnungen in Irisch und Englisch verfasst; Polizisten müssen, um angestellt zu werden, im Irischen und im Englischen gleichermaßen bewandt sein; der Premierminister in Irland wird zwar auch Premierminister genannt, in der Regel bezeichnet man ihn aber als Taoiseach (gesprochen: [ti:ʃǝx]), das Parlament in Irland - nach englischem Vorbild, sodass die Begriffe auch in englischer Fassung nicht so einfach übersetzt werden können; die parlamentarischen Systeme unterscheiden sich insofern vom deutschen System, als dass nur etwaige Übersetzungen getroffen werden können, auf die aber kein Gewähr zu geben ist - ist das Oireachtas (gesprochen: [ɛrəktəs]), bestehend aus zwei Kammern: dem Dáil (gesprochen: [dɔıl]) (das Unterhaus; vergleichbar mit dem Bundestag) und dem Seanad (gesprochen: [ʃænəd]. Ohne aber weiter in das demokratische System Irlands einzusteigen, sollte wohl eines klar sein: Es ist halb so wild, wenn zwei Sprachen sich die Position der Amtssprache teilen. Daran ist absolut nichts auszusetzen, und man gefährdet dadurch auch keineswegs die kulturelle Identität des Landes. Das Irische ist dem Englischen so nah wie das Arabische dem Deutschen. Die keltischen Sprachen (Cymraeg, Bretonisch, etc.) haben ebenfalls genauso viel mit der englischen Sprache gemein wie Arabisch mit dem Deutschen, und doch können beide friedlich koexistieren, Seit' an Seit'. Heutzutage sind viele Waliser und Iren bilingual, sie beide sprechen neben ihrer Landessprache auch die englische Sprache. Beides wird verpflichtend an Schulen unterrichtet (gilt für Irland, wie auch für Wales). In Schottland gibt es dafür ein spezielles Programm, damit sich Schüler Sprachkompetenzen im Scots Gaelic, oder Gàidhlig, wie es im Gälischen heißt, aneignen. Dieses Programm nennt sich Gaelic Medium Education und zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Schüler primär auf Gälisch unterrichtet werden, Englisch spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Man zeigt dadurch aber, dass man sich auch um die kulturelle Identität sorgt und dass man daran interessiert ist, dass die indigene Sprache erhalten bleibt, und nicht dem Englischen zum Opfer fällt. Ein ähnliches Programm könnte man auch in Deutschland integrieren, das wäre bereits für Dialekte von besonderem Interesse, weswegen ein gewisser Spagat gemeistert werden muss, der folgendermaßen ausgestaltet sein könnte: Sofern Lehrpersonal (auf beiden Seiten: Dialekte und arabische Sprachen)  vorhanden ist, ließen sich AGs anbieten, für Dialekte und persische und arabische Sprachen, und eben Türkisch. Direkter, verpflichtender Unterricht wäre hingegen kritisch zu beäugen, nicht allein deswegen, weil bereits jetzt Unterrichtsstunden vorhanden sein müssen für den allgemeinen Regelunterricht, und dieser durch erheblichen Lehrermangel schon jetzt zur Genüge ausfällt. Ihn noch in den Stundenzahlen zu schmälern käme dem letzten Sargnagel gleich, welcher den Unterricht zu Grabe trüge. Böte man es hingegen in Form von AGs an, trügen sich allein diejenigen Schüler ein, die ein tatsächliches Interesse daran hegen, es auch zu erlernen; in AGs könnten das die sprachbegabten Schüler sein, die sich auch für die kulturelle Identität ihres Raumes interessieren, und somit beispielsweise Plattdeutsch lernen wollen, oder Boarisch. In den Klassen für die arabischen Sprachen könnten das die Kinder von Migranten sein, die aber die Sprache ihrer Eltern nicht so fließend beherrschen, oder vielleicht Waisen sind, die gerne die Sprache ihrer Heimat erlernen wollen, neben der deutschen Sprache. Ein potentielles Interesse wäre also vorhanden, lediglich das Angebot muss noch entstehen. Auf diese Weise wäre auch ein sensibler Umgang mit der eigenen Identität und dem stetigen demographischen Wandel, der sich insbesondere seit den 2010er-Jahren vollzieht. Ihn zu ignorieren wäre eine Torheit, die einem später noch teuer zu stehen kommen kann. Der Verlust der eigenen kulturellen Identität wäre da noch das geringste Übel. Jemand aber, der sich um den demographischen Wandel sorgt und zugleich versucht, ihm Herr zu werden, ist aber niemand, der versucht, die deutsche Rasse auszurotten, sie in Form eines großen Austauschs von der Bildfläche zu streichen; das ist im Gegenteil jemand, der versucht, sie mit dem Unausweichlichen zu vereinbaren. Wer aber bereits vom großen Austausch schwadroniert, würde wahrscheinlich ohnehin nicht auf Statistiken und globale Problematiken anspringen, das umfasse eine Komplexität, die sich jemandem, der vom Austausch spricht, nicht erschlösse, selbst wenn es um Leben und Tod ginge. Ähnlich simpel stellt sich dann auch das Nationalstaatsgesetz Israels dar, welches kurzerhand die arabische Minderheit und somit 21 Prozent der Bevölkerung exkludiert. Das ist nationalistisch, das ist ignorant, es ist in letzter Instanz auch diskriminierend. Man könnte jetzt Punkt für Punkt durchgehen, und hervorheben, was genau an welchem Punkt konkret diskriminierend ist, doch sollte es an sich klar sein. Um es aber noch einmal zusammenzufassen, hier ein paar Punkte zusammengefasst: 
  • Wie zuvor beschrieben schützt dieses Gesetz allein die religiöse Selbstbestimmung aller Juden im Staate Israel, nicht aber die der arabischen Minderheit, welche in Israel lebt. Diese Lücke lässt die Möglichkeit der Diskriminierung, ohne dafür belangt zu werden. 
  • Israel als reinen Staat der Juden zu bezeichnen mag einen patriotischen Geist aufgreifen, bedeutet aber im Nebensatz, dass Arabern und sonstigen ausländischen Kulturen, die dort sesshaft werden mögen, kein Zuhause geboten werden soll. Im Grunde bedient es damit den Kontrastpunkt zum Antisemitismus: Die Ausgrenzung durch Juden. An sich sollte Israel es besser wissen, und nicht Feuer mit Feuer bekämpfen. Auf diese Weise löst man keine Probleme, sondern schafft sich neue. 
  • In den Medien wurde häufig ein wunder Punkt hervorgehoben, den derzeit Rechtspopulisten wie der US-amerikanische Präsident Donald Trump oder der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro bedienen: Die Versetzung der Botschaft nach Jerusalem, wodurch Jerusalem hochoffiziell als Hauptstadt Israels anerkannt werden soll. Damit wird der jahrelange Konflikt zwischen Israel und Palästina über die Hoheit der Stadt im Handstreich für beendet erklärt, zur Verärgerung der Palästinenser, die Rache darauf schwören. Netanjahu begrüßte den Schritt und führte die Besitzlage kurzerhand auch im Gesetz auf. Diplomatie geht anders. 
  • Die Sache mit der Sprache wurde bereits behandelt: Araber werden über ihre Sprache zu Menschen zweiter Klasse erklärt. Eine klare Abwertung. 
  • Aufgeführt wird, dass der Staat Israel für Juden jederzeit offen ist; für Außenstehende wirkt das wie eine Masche, die man bereits in Polen erlebt hat: Wir nehmen nur bestimmte Flüchtlinge auf, der Rest soll sich woanders Zuflucht suchen. Hätte Deutschland das gemacht, wäre die Empörung maßlos gewesen, Israel bewilligte man einen solchen Schritt wohl also. Ohnehin war es bereits vorher bekannt, dass Israel Flüchtlinge bereits zurück in ihre Heimat schickte, obwohl sie allen Grund hatten, Asyl zu beantragen (so auch gelesen im 972-Magazin). Ungarn, Polen und dergleichen hat man für diese Masche verurteilt, auch Trump verurteilte man für seine versuchten Einreisestopps aus überwiegend muslimischen Ländern. Wieso aber nicht Netanjahu? Wohl wegen der Staatsräson, die Israel praktisch über alle Zweifel erhebt. 
  • Der wohl boshafteste Punkt ist aber die bereits zuvor ausführlich besprochene Außenpolitik der Errichtung von Siedlungen entlang der West Bank, welche eben geltendes internationales Recht verletzt. Das Nationalstaatsgesetz erhebt diese für Israel besonders schadhafte Politik auf den Rang einer nationalen Tugend (Man könnte value theoretisch auch als Wert übersetzen, das träfe aber die Aussage an sich nicht). 
Auf diese Weise macht sich Israel nur noch mehr Feinde, es ist eine Provokation sondergleichen, die vor allem seine Feinde rundherum anfacht. Obgleich man die Israelis in ihrer Souveränität nicht beschneiden möchte, sollte insbesondere ihre Regierung es besser wissen, wie mit der hochsensiblen und fragilen Situation vor Ort umzugehen ist, damit sie sich nicht selbst den Löwen zum Fraß vorwerfen. Was sie aber selbst von ihrer Regierung und der Likud-Partei (Netanjahus Partei) halten, haben sie letztlich auch in ihrer letzten Wahl zum Ausdruck gebracht: Mit einer knappen Mehrheit wählten sie ihn wieder. Somit sei nur gesagt: Sie tun sich selbst damit keinen Gefallen, auch den Frieden haben sie auf diese Weise nicht vorangebracht, obwohl ihr Land in der Vergangenheit die vergleichsweise größten Zugeständnisse machte, wenn man versuchte, einen neuen Vertrag aufzusetzen, um eine bilaterale Lösung zu finden. Deswegen jetzt aber den Großkotz zu spielen und sich in ihrer Sicherheitstechnik zu wiegen, ist ein riskantes Wagnis, welches früher oder später auf sie zurückfallen kann. Am Ende werden sie sich auch nicht auf die Staatsräson mancher westlichen Macht stützen können, wenn sie vor Ort den Horden ausgesetzt sind. 


VII. Rückkehr zu Punkt V.: Schwarze Schafe im schwarzen Block

Zurück aber zum eigentlichen Thema des Beitrags, dem Problem ungeordneter Verbünde, in die sich schwarze Schafe einschleichen können, um somit dem Verband insgesamt zu schaden. Als Beispiel wurde die Antifa genannt, welche nicht mehr als ein Name ist, den jeder nach Belieben missbrauchen kann, zum Guten oder zum Schlechten. Ähnlich ist es auch mit Protestzügen wie den gilets jaunes oder der FFF-Bewegung. Ähnlich verhielt es sich auch mit dem Chemnitzer Trauermarsch, wobei dort die Infiltranten wohl die moderaten AfD-Mitglieder waren, die in der Mehrheit rechtsextremer Fremdenfeinde untergingen. Wenn man kein Auge darauf hat, wer wo mitmischt, ist es klar, dass früher oder später auch ein Virus Einzug findet, um die Organisation über den Haufen zu werfen. Oder zumindest, um ein schlechtes Glimmern emporsteigen zu lassen. Gemeint ist: Wenn es einer geschafft hat, als schwarzes Schaf einzudringen und mediale Aufmerksamkeit zu erhaschen, dann werden Kritiker diesen Eindringling auf der Stelle aufgreifen und ihn metaphorisch ausschlachten. Ihm könnten noch viele Weitere folgen, und auf einmal genießt die gesamte Organisation einen schlechten Ruf. Allein wegen dieses einen Eindringlings, der seinesgleichen mitbrachte. Natürlich ist das bildhafte Schema sehr kontrovers, und lässt sich auch nicht eins zu eins übertragen auf jede unorganisierte Verbindung. Natürlich muss der Eindringling so geschickt vorgehen, dass er ausschließlich Taten verübt, die sich theoretisch mit der Organisation, in die er eindrang, assoziieren lassen. Noch einmal das Beispiel der Antifa: Sie steht in Verruf, gewaltsam zu sein, nicht (zwingend) gegenüber Menschen (Ausnahme vielleicht Polizisten, selten aber vorsätzlich), sondern gegenüber fremdem Eigentum. So zumindest erzählt man es sich im Volksmunde, wobei diejenigen, die es behaupten, auch am rechten Flügel beheimatet sind, somit das private Eigentum ohnehin über alles stellen, als Ausdruck ihrer Freiheit. 
Unrecht haben sie damit aber nicht zwingend, zumindest gegen bekennende Faschisten und ihresgleichen gehen sie gegebenenfalls noch einmal etwas gewaltsamer vor. Diese Gewaltbereitschaft stellt sich aber auch gern als Problem dar, wie sich auch beim G20-Gipfel in Hamburg offenbaren sollte: Während eine mehrheitliche Gruppe aus friedlichen Demonstranten protestierten, wie es gesetzmäßig erlaubt ist, ging der schwarze Block, wie er sich selbst nennt, randalierend vor, sorgte für Angst, Schrecken und Sachschaden, nicht zuletzt auch gegen kleine unabhängige Läden und Kleinwagen. Dem Narrativ von der antikapitalistischen und auch in Teilen globalisierungskritischen Bewegung entsprach das wiederum nicht. Schnell sahen sich die vornehmlich linken Nachrichtenzeitungen wie beispielsweise die taz dazu gezwungen, Entwarnung zu geben: Die Randalierer der «Welcome To Hell»-Bewegung waren keine Linken, sondern unpolitische Randalierer, die die Chance der Anonymität ausnutzen wollten, um ein wenig für Chaos zu sorgen; aber auch rechtsextreme Randalierer sollen sich darunter gemischt haben; wohl, um Stimmung gegen Linksautonome zu machen, und auch, um ein wenig anonymes Chaos anzurichten, wie auch schon die Täter aus dem ersten Artikel (Über Rechtsextreme bei den Ausschreitungen zum Gipfel in Hamburg haben unter anderem die taz und RP Online berichtet; einen Gegenentwurf dazu bildete wiederum der NDR mit seinem Panorama-Programm. Ganz unwahrscheinlich ist es nicht, dass auch Rechtsextreme unter dem Vorwand des Antikapitalismus sich an entsprechenden Protesten beteiligen, auch abseits des Willens, für Zerstörung und Chaos zu sorgen: Insbesondere unter dem Regime des Dritten Reichs bildete sich eine Parallelbewegung, die insgesamt die nationalsozialistische Linie fuhr, jedoch mit einem verstärkten sozialistischen Faktor: Die Strasser-Bewegung, die zuerst unter ihrem Namensgeber Gregor Strasser Fahrt aufnahm. Heutzutage ist sie eher zurückgezogen, hat nahezu keinerlei Anhänger, geschweige denn eine signifikante Vertretung in irgendeinem Land. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann zunächst bei einem Artikel des schweizerischen «Vorwärts» fündig werden). Es ist eben diese Homogenität, die große Gruppen erzeugen, wenn sie öffentlich auftreten, die es auch schwarzen Schafen möglich macht, unterzutauchen und ihr eigenes Ding zu machen, ohne dabei zwingend als Individuum erkannt zu werden. 


VIII. Die Krise der Presse in der heutigen Zeit

Hinzu kommt die Medialität des 21. Jahrhunderts, die es größeren Gruppen schwer macht, seriös aufzutreten, sobald eine kleine Gruppe intern für Probleme sorgt: Zunächst werden vor allem die Boulevardblätter (BILD, Focus, Der Westen,...) sich auf die kleine Gruppe stürzen, und würde in formgewaltigen Titeln über die zerstörerische Kraft des Protests und der Krawalle berichten, insbesondere die ersten beiden genannten Quellen würden vor allem von den brandgefährlichen Linksextremen sprechen, die unser Land terrorisieren, die letztgenannte würde generell einfach nur von den gefährlichen Krawallen sprechen, und vom Leid der Anwohner, die es ertragen müssen (in einem Interview, welches die taz mit einem Polizeiwissenschaftler führte, wurde auch noch einmal hervorgehoben, dass man die Bürger, welche unmittelbar davon betroffen waren, nicht mit ins Gespräch einbezog, obwohl schon lange vor Beginn des Gipfels und kurz nach Bekanntgabe des Austragungsorts bekannt war, welche Gefahr es barg, einen Standort so nah am linksradikalen Zentrum der «Roten Flora» an der Schanze auszuwählen; man hatte kein Interesse daran, die Anwohner vor den bevorstehenden Krawallen zu schützen, sondern überging sie und hinterließ ihnen die Kosten für den entstandenen Schaden). Später kämen noch die seriöseren Medienhäuser und spräjngen nichtsdestoweniger auf den Zug auf, hebten vor allem den offensichtlichen Schaden hervor, die in zweiter Instanz Leidtragenden wären somit die friedlichen Demonstranten, die ohne Gewaltsamkeit auskamen, sie konnten einfach kein so lautstarkes Zeichen setzen, obwohl sie in der zahlenmäßigen Überlegenheit waren. Ein Punkt, den man auch an der Presse kritisierte: Ihre Sensationsversessenheit, wenn es darum geht, Schlagzeilen zu generieren. Dabei ist es ihnen mitnichten allein anzuhaften: Die Presse verkam infolge des kapitalistischen Systems zum profitorientierten Apparat, der nicht mehr allein berichten muss, sondern obendrein auch noch Gewinne einfahren können muss, um bestehen zu können. Die Presse war also nicht länger nur noch die vierte Säule des staatlichen Apparates (neben Exekutive, Legislative und Judikative), sondern obendrein auch noch kommerzieller Arbeitgeber. Das bedeutet auch: Die Wichtigkeit für die Gesellschaft wurde nicht länger daran bemessen, inwieweit sich der einfache Bürger über sie über das Tagescgeschehen informieren konnte, sondern auch, inwieweit ein Pressehaus (beispielsweise der SPIEGEL) mit einem anderen Pressehaus (beispielsweise die ZEIT) konkurrieren konnte. Schon jetzt haben viele Häuser mit ihren Ressourcen zu kämpfen, Arbeitsplätze müssen gekürzt werden, um die Kosten zu stemmen, und um die Profite zu maximieren. Schnell kommt es auch mal dazu, dass man statt kompetenten und erfahrenen Reportern auf Schüler und Hausfrauen setzt, die nur noch Informationen verarbeiten und sie in Artikel verwandeln. Wer jetzt behaupten mag, dass das ein Zeichen dafür sei, dass auch Hausfrauen den Job eines Journalisten machen können, sollte nicht zwingend derjenige sein, der sich anschließend über die Verschlechterung der Qualitätspresse beschwert. Wenn die Zahl der zahlenden Kunden zurückgeht, und auch immer weniger Abonnements abgeschlossen werden, leidet darunter auch die Presse. Noch schwerer haben es dabei nur noch die unabhängigen und freischaffenden Journalisten, die sich auf Abonnements und Spenden verlassen können müssen (zu denen gehört auch die in letzter Zeit viel zitierte taz). Wenn die Spenden und Abonnements, aber auch die Verkaufszahlen an Kiosken zurückgehen, müssen sie früher oder später Insolvenz anmelden, und dann ist schnell das Aus erreicht. Ähnlich erging es bereits den Pressehäusern aus dem Lokalbereich, die unter DuMont einen gnädigen Käufer fanden: Unter dessen Dach und Fach zu sein bedeutete für sie eine Sicherheit ob ihres weiteren Bestehens. Umso härter traf es einige unter ihnen, die schließlich im Stich gelassen wurden, sie standen vor einer existenziellen Krise (Darüber berichtet hat unter anderem die Neue Zürcher Zeitung (NZZ)). Man versuchte von vorneherein letztlich, ein (weiteres) Gewerbe auf den Markt zu drängen, damit es sich dessen Spielregeln unterwarf, obwohl es niemals dafür gedacht war, nach den Spielregeln des Marktes zu funktionieren. Die Presse war seit jeher ein soziales Gewerbe; keines, das darauf aus sein sollte, möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften. Ohnehin war der Zeitpunkt, ab welchem man die Presse auf den Markt losließ, ein denkbar ungünstiger: Im Internet gab es für immer mehr Menschen die Möglichkeit, die Nachrichten kostenlos zu lesen. Wenn nicht durch ein großes Pressehaus, dann durch eine Agentur, welche standardisierte Pressemitteilungen herausgab. Informationen sollten noch immer ein Menschenrecht sein, welche jedem zugänglich waren, ganz gleich welcher Herkunft oder welchen sozialen Standes. Man sollte den Menschen generell die Werkzeuge in die Hand geben, welche ihnen zustehen, damit sie vernünftig denken und handeln können. Das ging zulasten der Pressehäuser, welche noch immer Menschen einstellen und bezahlen können müssen. Man versuchte mit der Maxime der Markteinführung und dem damit verbundenen Marktzwang, ein rundes Förmchen in eine eckige Aussparung zu stecken, auf Biegen und Brechen hin. Dass das nicht problemlos hätte gutgehen können, konnte jeder von Anfang an ahnen, und so kam es, wie es kommen musste: Einige große Pressehäuser konnten bestehen, ebenso einige wenige etablierte, und dennoch unabhängige; die öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser überlebten dank der Existenz unter der Fittiche des Staates und im Innern waren einige weitere private, denen aber eine starke Befangenheit in Richtung des linken oder rechten Flügels. Man könnte meinen, dass die Symbiose insgesamt gesund dreinscheint, doch dem ist nicht so. Die Lage ist angespannt, und die Presse steht insbesondere seit dem Jahre 2015 enorm unter Druck, insbesondere vonseiten der äußeren Rechten, welche selbst den größten Pressehäusern einen starken Drall nach links bescheinigen, man unterstellt ihnen eine generelle Befangenheit. Häufig stehen die Häuser in Erklärungsnot, greifen sie doch nach praktisch jedem Kunden, der ihnen die Stellung hält, damit sie nicht eines Tages Konkurs anmelden müssen. Freilich ist das Bild angesichts der größeren Medienhäuser reichlich überstrapaziert und ein wenig theatralisch, doch muss man bedenken, dass es eben nicht nur die größeren Häuser sehen, die sich unter Druck sehen, sondern auch die, welche sich in der Mitte gefangen sehen, neben dem aussterbenden Metier des Lokaljournalismus, und den geradezu prunkvollen Granden des Journalismus. Die Ober- und Mittelschicht sehen sich in Erklärungsbedarf, obgleich sie doch nicht wissen, wessen sie sich zu schulden haben kommen lassen. Und auch wenn die Kritiker in der Unterzahl sind, werfen sie doch einen großen Schatten auf sie. Verlieren sie ihre Autorität und ihre Deutungshoheit, leidet auch der Journalismus insgesamt darunter. Sie müssen die Menschen wieder mehr überzeugen können, sie müssen die Reputation des Journalismus wieder aufpolieren, damit die Menschheit nicht an intentional gestreuten Falschnachrichten zugrundegeht. Um hierbei mit der Elegie ob der Gefährdung der Presse in der heutigen Zeit - bezüglich dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten und dessen Angriffe auf die Presse, sowie auch der Gefährdung der Presse in unserer gesamten Welt (die Reporter Ohne Grenzen haben erst kürzlich (am gestrigen Tage, dem 18. April 2019) einen erneuten Bericht zur Pressefreiheit auf diesem Planeten herausgebracht) muss nichts mehr gesagt werden als dass wir in Zeiten der zunehmenden Polarisierung ohne Aussicht auf einen güldenen Mittelweg Gefahr laufen, das höchste aller Güter der menschlichen Schaffenskraft dem goldenen Lamm der falschen Illusionen vorzuwerfen wie ein Opfertier am Altar -, soll noch einmal ein wegweisendes Zitat vonseiten des Gründervaters und dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten aufgebracht werden, von Thomas Jefferson: 
«The basis of our governments being the opinion of the people, the very first object should be to keep that right; and were it left to me to decide whether we should have a government without newspapers or newspapers without a government, I should not hesitate a moment to prefer the latter. But I should mean that every man should receive those papers and be capable of reading them.»
~ Thomas Jefferson to Edward Carrington, 1787. ME 6:57
Zurück aber zur eigentlichen Problematik, die sich der Presse stellt: Aufgrund ihrer ständigen Jagd nach Lesern sieht sie sich gezwungen, möglichst publikumsnahe zu schreiben, zu berichten, damit sie möglichst viele Leser für sich gewinnen können. Die Qualität kann dabei schnell einmal in den zweiten Rang verfallen, paradoxerweise wohl aber auch zum Leidwesen der Leser, die sich mehr und mehr für blöd verkauft sehen, weil ihnen die Berichterstattung zu einseitig erscheint, zu reißerisch in Teilen auch. Schaut man sich aber an, was sich am besten verkauft, so ist das nicht grundlos die präferierte Vorgehensweise, geht es um das Generieren neuer Leser. Die meistverkaufte Tageszeitung deutschlandweit ist und bleibt die BILD (mit Abstand; diese Information kann nachgelesen werden im Statistikportal Statista), obwohl ihr journalistischer Gehalt geradezu ebenerdig ist. Die BILD lebt rein vom Sensationalismus, von Geschichten, die vor allem die Herzen der Leser entfachen; ein Grund dafür, weswegen man vor allem gern am rechten Rand fischt: Diese sind zugänglich für Schicksalsgeschichten einfacher Menschen, weswegen sie auch den Fall des im Brunnenschacht verlorenen zweijährigen Jungen Julen gnadenlos ausschlachteten, ohne Rücksicht auf die Famlie oder jegliche ethsiche Grundsätze. Was zählt, ist die Auflagenstärke, und nach Meinung der BILD hatte der Leser ein Recht darauf, jedes noch so kleine Detail zu erfahren (nachvollziehen lässt sich die Berichterstattung der BILD auf dem Bildblog). Natürlich wäre es falsch, Pressehäusern wie der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu unterstellen, Pressearbeit nach Machart der BILD zu produzieren, und das kann auch niemand behaupten, doch thematisch rangieren sie bei manchen Thematiken gleich. Ihnen vorzuwerfen ist es aber nur in Teilen, da man auch zugeben muss, dass eine Zeitung, die immer weniger Abonnenten verzeichnet, kaum noch seriös arbeiten kann, da sie um jeden Pfennig ringen muss (eine Statistik, bezogen auf den Rückgang der Auflagenstärke von Tageszeitungen, zeigt symbolisch auch den Trend, der sich gegenüber Wochenzeitungen aufbäumt: Dass immer weniger Menschen bereit sind, für Informationen Geld auszugeben, wenn sie das wichtigste auch kostenlos im Netz erhalten können (Statista). Ein Beispiel speziell für den Spiegel als eines der auflagenstärksten, wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazine bietet die «Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.» (IVW)). Wenn also immer mehr Nachrichtenmagazine auf eine stark populistische Ebene fahren, dann tun sie das nicht aufgrund eines verstärkten Abfalls in der Qualität, sondern auch ein Zeichen von Verzweiflung: Rückläufige Zahlen signalisieren einen herben Umschwung, den das Pressehaus nicht gut verträgt, und dem es irgendwie versucht, entgegenzuwirken. Und so fährt man lieber eine Schiene, die viele Menschen in den Bann ziehen wird, als dass man etwas ernsthafter an eine Thematik herangeht, und dafür eine gewisse Klientel bedient. Letztlich ist es auch ein Dilemma mit dem beruflichen Ethos, wobei der Journalismus - zumindest in Deutschland - mit dem Problem der mangelnden Offizialität zu kämpfen hat: Der Beruf des Journalisten ist nicht amtlich geschützt, sodass sich praktisch jeder einen Journalisten schimpfen darf, ganz gleich ob er tatsächliche Recherchen betreibt oder nur hohle Gerüchte in die Welt setzt und damit Stimmung für oder gegen eine Partei macht. Auch ich könnte mich hiermit als Journalisten deklarieren, obgleich mir dieser Titel ganz und gar nicht gerecht würde. Theoretisch wäre es mir aber möglich, da die Berufsbezeichnung trotz der Möglichkeit eines Studiums der Journalistik nicht geschützt ist. Sie ist wie die Schwarzwälder Kirschtorte aus Tennessee.


 VIII.i. Stolz und Vorurteil

Zurück aber nun zum Thema der Protestbewegungen, die mit ihren schwarzen Schafen zu kämpfen haben (obwohl es im schwarzen Block der autonomen Szene wohl eher weiße Schafe sein dürften): Die Medien springen bevorzugt auf die sensationalistischen Minderheiten innerhalb eines Protests, obwohl sie sich damit in ihrer beruflichen Ethik berauben. Es wäre sinnvoll, den Fokus auf die Mehrheit zu setzen, und die Randalierer wenigstens in einem weniger titelträchtigen Bericht erwähnen und näher behandeln. Um es in Mengenverhältnissen auszudrücken: Während des G20-Protests wäre es sinnvoll gewesen, die Titelreportage auf die Ergebnisse des Treffens und die friedlichen Proteste samt Bildmaterial zu beziehen. Seitenumfang: Etwa fünf bis acht Seiten, mitsamt Bildern. 
Journalisten erfüllen mit ihrer kompetenten Bericht-
erstattung einen wichtigen Dienst am Volke
In einem darauffolgenden Bericht hätte man ein kurzes Interview mit dem Polizeichef führen und einen Bericht darüber schreiben können, inwieweit sich die Schäden belaufen. In der folgenden Woche hätte man, sofern die Proteste langsam abebben, eine Bestandsaufnahme der Schäden aufzeichnen können, man hätte die betroffenen und Ladenbesitzer im Portrait zeigen können. Niemals sollten aber die Randalierer in den primären Fokus geraten dürfen, oder zumindest nicht auf den Titel. Ihnen eine solch große Bühne zu geben, gibt ihnen auch nur, was sie wollen, nämlich die volle mediale Aufmerksamkeit. Das darf man ihnen nicht bieten, weil man sie somit gewinnen lässt. Der Fokus muss auf der eigentlichen Veranstaltung liegen, Proteste dieser Art waren die Komposition aus unrechtsstaatlicher und törichter Planung und triebgesteuerten Vandalismus'. Eine Abwägung selbst ist aber auch nur möglich, wenn die Pressehäuser sich wachsender Abonnentenzahlen erfreuen können, sodass ihnen nicht immer die Gefahr der Insolvenz im Nacken sitzt. Das ist im digitalen Zeitalter aber längst nicht mehr gegeben, somit sollte man die eigene Kritik an den Häusern stets abwägen. Natürlich spielt auch immer ein wenig der Stolz des Journalisten mit, der sich über alle Zweifel erhaben sieht, doch ist auch dies nur ein weiterer Faktor. Selbstbewusstsein ist in dieser Branche ohnehin wichtig, da ein journalistischer Bericht auch immer ein schöpferisches Werk ist, welches der Autor seinem Leser präsentiert. Journalistische Texte sind auch Geschichten, die erzählt werden, nonfiktionale Geschichten über Ereignisse, die sich tatsächlich so zugetragen haben, und die er den Leser näherbringen möchte, damit er weiß, was sich um ihn herum auf dieser Welt zugetragen hat. Wenn diese Geschichten tausendfach von Menschen gelesen werden, und sie mit ihnen arbeiten können, dann weiß der Autor, dass er auf diese Weise einen Menschen in gewissermaßen erobert hat, er ihn eine Freude machen konnte oder er zumindest seinen Job anständig erledigt hat. Dass man auf eien solche Leistung stolz ist, ist insofern aber auch für die Arbeitsmoral wichtig, da sie dabei helfen kann, einen gegebenen Standard aufrecht zu erhalten, sodass die Qualität nicht weiter eingeht, sondern eben dabei verbleibt, sich gegebenenfalls noch steigert. Was man also nicht so gern hört, sind Menschen, die meinen, dass sie den Job besser machen können und daraufhin beginnen, ihn zu kritisieren. Natürlich ist es andererseits nicht förderlich, sich vielleicht sogar kompetenter Kritik zu erwehren, weil man denkt, dass man darüber erhaben sei und sich als Gott unter Menschen wähnt. Journalisten, die zur Selbstreflexion fähig sind, somit also auch zum Lernen fähig sind, schenken ihnen ein offenes Ohr, sodass sie an ihren Fehlern wachsen können. Die einzige Beschränkung, die man sich bei sowas insofern erlauben sollte, ist vielleicht, diese Option für Abonnenten des Magazins, in welchem man veröffentlicht, offenzuhalten, sodass auch nur jemand kritisieren kann, der auch dafür bezahlt und nicht vielleicht bloß einen Artikel am Zeitschriftenstand gelesen und danach die Emailadresse abgeschrieben hat, um fortfolgend Kritiken zu schreiben. Auf diese Weise ist wenigstens gesichert, dass ein zahlender Kunde kritisiert, und auf diese Weise könnten vielleicht sogar Anreize zum Abonnement geschaffen werden. Man sollte ja schließlich nicht nur lamentieren, sondern auch sehen, wie man sich mit dem Status quo arrangiert. 

IX. Der Narziss, oder die Selbstinszenierung im Protest

Nun aber wirklich zurück zum eigentlichen Thema, den Protestbewegungen. Thema war das Ansehen in der Öffentlichkeit, und dazu gehören auch markige Sprüche, die die Größe der Bewegung offenbaren sollen. Bekanntestes darunter ist wohl mit Abstand der missbräuchlich gebrauchte Ausruf der friedlichen Revolution aus Leipzig, «Wir sind das Volk!». Gebraucht wird er in der Neuzeit durch die Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes; ob sie wiederum wissen, dass Spanien als Teil Europas eine reichhaltige Geschichte an Mauren auf ihrem Grund und Boden haben, bleibt dabei zu hinterfragen). Selbiges galt lange Zeit für die Raute #Wirsindmehr. Man wollte damit die Mehrheit signalisieren. Einen Ausreißer in dieser Form war Donald Trumps Protzen mit angeblich gefälschten Bildern seiner Inauguration, welche aus der Vogelperspektive etwas dürftig aussah. Als angebliche Korrektur zeigte er dagegen Bilder der Inauguration seines Vorgängers, verkaufte sie als seine. Auch damit sollte dargestellt werden: «Auch wenn ich nicht die Mehrheit im Volke gewann, habe ich dennoch große Mengen an Menschen bewegen können. Eccolò, ich bin ein Gewinnertyp!» Bezüglich Trump muss aber auch gesagt werden, dass er vor allem Stimmen in den ärmeren Schichten der Bevölkerung gewann, und nicht jeder von ihnen konnte sich einmal eine Reise nach Washington D.C. leisten, um bei der Einweihungsfeier seines Präsidenten teilzunehmen. So verfolgte man stattdessen diese Veranstaltung im Fernsehen. Obama hingegen hatte vor allem bei den bessergestellten Menschen in den Großstädten punkten können; diese konnten es sich schon eher leisten, einen Flug nach D. C. zu buchen, um dabei zu sein. Das sei ihm also gegönnt, mehr aber auch nicht. Protestbewegungen haben aber häufig genau dieses Problem: Wann ist eine gewisse Anzahl an Demonstranten tatsächlich so repräsentativ, dass sie im Schnitt für eine Mehrheit sprechen können? Und: Wann kann ein bestimmtes Individuum, welches sich selbst einer bestimmten Gruppierung (beispielsweise der Alt-Right-Bewegung, oder der Antifa), für diese bestimmte Gruppierung sprechen, also in ihrem Namen? Beides Fragen, die ineinander verwoben sind, und auch beide von signifikanter Wichtigkeit, wenn man über Protestbewegungen sprechen will. Zunächst die einfachere von beiden, der ersten: Sie ist nämlich so beantwortet, dass im Grunde keine Gruppe als solche repräsentativ sein kann, da keine überhaupt nur die Hälfte aller Anhänger dieser Gruppierung auf einmal versammeln könnten, es sei denn, die Gruppe genießt selbst so wenig Einfluss in der nationalen Bevölkerung oder weltweit (bei internationalen Vereinigungen wie der Identity Evropa oder der Antifa), dass ihrer Beachtung nicht viel beigemessen werden muss. Es lohnt sich schließlich nur, einer Vereinigung auf politischer Ebene Bedeutung beizumessen, wenn sie so groß ist, dass es einen entsprechenden Impakt hat, beispielsweise in kollektiver Verachtung der regierenden Partei, welche schließlich in abfallenden Umfragewerten mündet (die FFF-Bewegung schaffte das; vielmehr muss man aber sagen, dass sie lediglich als Verstärker in Richtung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wirkte, durch die in Sachen Umweltschutz mtigenutzten Raute: #NieMehrCDU; die CDU erlebte fortwährende Flauten entlang der 25 bis 30 Prozent. Gleichsam die SPD, die im Umfragetief entlang der 20 Prozent-Marke dümpelte). Selten finden Protestbewegungen eines signifikanten Ausmaßes immer nur an einem Ort statt, wie beispielsweise die montägliche Mahnwache in Berlin. Sie finden an mehreren Orten gleichzeitig statt, die Internet macht eine internationale und innerländliche Vernetzung möglich, sodass beispielsweise eine Gruppierung der FFF in der inexistenten Stadt Bielefeld sich mit der Gruppierung in Dresden kurzschließen kann, um somit zeitnahe miteinander das Land aufzurütteln, wenn das Ende der Welt naht, weil noch immer zu viel weggeschmissen wird, in Sachen Plastikmüll und Essensresten. Das Internet machte die Frage ob der Repräsentation einer übergreifenden Gruppe nur noch schwieriger, da man sich nicht mehr gebündelt an einem Ort zusammenfinden muss. Für die Gruppe selbst ist das aber auch ein Problem: Was sollte beispielsweise der Dachverband tun, wenn eine Untergruppe im Ausland in ihrem Namen für Probleme sorgt? Kann sich der Dachverband genügend von ihr distanzieren? Und was sollte dieser tun, wenn einige andere Untergruppen die Skandale der rebellierenden Untergruppe gutheißen, sie noch lautstark unterstützen? Sollte eine Welle der Distanzierungen folgen? Das könnte zur Folge haben, dass sich das Gesamtgefüge insgesamt dermaßen zerklüftet, dass sie nicht länger als eine Gruppe stehen können, sie sich also zu Tode atomisieren, bis sie schließlich in der Bedeutungslosigkeit. Teilweise traf auch die Pegida-Bewegung - trotz politischer Prominenz in ihren Reihen - ein solches Schicksal, obgleich sie der AfD als Sprungbrett dienen konnte: Durch ihr schnelles Wachstum fand sie immer mehr Ausreißer in ganz Deutschland, die Skandale wuchsen, manchmal sah sich auch die oberste Heeresleitung dazu gezwungen, sich von solchen Ausreißern zu distanzieren. 
Wie es auch immer ist bei rasant wachsenden politischen Verbänden, fanden sich auch bei ihr immer mehr Untergruppen, die noch radikaler sind als der ursprüngliche Dachverband, und dieser schlägt natürlich gerne einmal über die Stränge. Sie sehen es als notwendiges Übel, währenddessen der Dachverband das nicht leiden kann. Da er sich aber schlecht aus der Ferne zur Wehr setzen kann, bleibt nur die Distanzierung von ihr. Andere finden das aber gut und unterstützenswert, sodass den Moderaten von oben nichts anderes übrig bleibt, als ihnen die Funktion der Repräsentation zu entziehen, sie werden als Ausgestoßene gehandhabt. Erste Zweifel tauchen auf, ob der Dachverband eigentlich derjenige ist, den man ausstoßen müsste, sodass man vermehrt nach Unterstützern eines Putsches oder einer Neugruppierung gesucht wird. Händeringend geschieht das nicht, vielmehr tauchen immer mehr auf, denen es ähnlich ergeht, und sie nur in der Stille resignierten, in der Hoffnung, dass der Wandel kommt. Er kommt. Und wie er kommt! Schnell sind genügend Unterstützer gefunden, die ihren Austritt erklären und kurzum in einer eigenen Gruppierung auftauchen. Diese Versprengten werden nie über den Status einer unbedeutenden Kleinstgruppierung hinausragen, doch insgesamt sind sie zufrieden mit ihrem Dasein. Einige Zeit wird vergehen, dann tauchen noch mehr solche Parteien auf; wie es der Hauptgruppierung ergeht, das weiß nur das Schicksal, Werdegänge unterscheiden sich im Prozess ab diesem Punkt häufig, was aber auch mit dem Momentum der Partei zusammenhängt. 


X. Vom Hass zerrissen, im Vorurteil vereint

Ist jemandem beim Lesen dieser Chronologie etwas aufgefallen? Für diejenigen, denen nichts auffiel: Der AfD erging ein solches Schicksal. Erst hatte sie ein kräftiges Momentum, als ihr Fokus noch auf dem Euroskeptizismus lag, Bernd Lucke und Frauke Petry sich die Doppelspitze teilten. Lange dauerte es aber nicht, bis sie schließlich so weit in den Rechtsextremismus rückte, dass erst Bernd Lucke, dann auch Frauke Petry das Handtuch warfen, und man sie durch Alice Weidel und Alexander Gauland austauschte. Bernd Lucke gründete schließlich die Partei der «Liberal-Konservativen Reformer» (LKR); Frauke Petry gründete die «Blaue Partei» (Link); und als letzter Ausreißer - einem, von dem man nie erwartet hätte, das ausgerechnet er die Partei verließe - André Poggeburg: Dieser (be)gründete den «Aufbruch deutscher Patrioten» (AdP). Keine der drei Parteien konnte auch nur im Ansatz den Ruhm erlangen, welche die AfD erreichte. Der Partei selbst taten die Splitterparteien keinen Schaden, sie hielt sich stabil in ihrem Zentrum Sachsen, währenddessen man im parlamentarischen Berlin weiterhin eine Bedrohung darstellt durch den hohen Wert von beinahe 15 Prozent (womit sie sich gut und gern auf einer Höhe mit dem Bündnis '90/Die Grünen und der SPD bewegt, zumindest in Koalitionsfragen). Wer den Wert anzweifeln oder kontrollieren mag, kann sich die aktuellsten Umfragewerte anschauen (aktuellster Stand ist dabei die Forsa-Umfrage des 22. April 2019, dem heutigen Tage, welche die AfD bei knapp 13 Prozent sah). Kann man also sagen, dass Atomisierungen eine Partei immerzu unweigerlich zum Sturz in die Bedeutungslosigkeit führt? Wohl kaum, nachdem die AfD sich noch immer Höhenflug sieht. Auch innere Streitigkeiten legte man bei, um somit einem Sturz vorzubeugen. Wem der parteiliche Kurs nicht gefiel, der ging, da er zumeist nicht genügend Unterstützer fand. Auch die Spendenaffäre steckte man gekonnt weg, es kam der Partei noch zugute, da man auf diese Weise gegen das Establishment wettern konnte. Die 402.000 Euro an Strafe steckte man ebenfalls weg, nahm es als Lehre für die Zukunft an, entweder keine Spendengelder mehr aus dem Ausland einzuschleusen, oder zumindest achtsamer damit umzugehen, um nicht noch einmal aufzufliegen. Ansonsten hielt man sich selbst und den Wählern die Stellung, wie Felsen in der Brandung der Regelungen. Die Wähler geben ihnen Recht - ein Beispiel dafür, was sie mit Donald Trump gemein haben: Über ihn wurde bekannt, dass ein Vermögen aus hinterzogenen Steuern seines Vaters Fred Trump besteht; zuvor machte er von sich reden durch Sprüche über Frauen, denen er zwischen die Beine fassen könnte, Witze über Behinderte, dass er seine Tochter daten würde, wäre sie nicht seine Tochter (und wie er ihr an den Hintern fasste), über seine Leugnung des Klimawandels, und so weiter. Ähnlich verhält es sich mit der AfD: Sprüche über mordende und vergewaltigende Flüchtlinge, gegen linkes Lumpenpack und den Vogelschiss aus 12 Jahren Naziherrschaft inmitten der ruhmreichen tausendjährigen Geschichte Deutschlands, Euroskeptizismus und Vorstellungen eines Dexit, und nun auch die Spendenaffäre - all das bejubelte man entweder oder verzieh man der Partei. Ihr Fall macht es ebenfalls schwer, bestehende Verständnisse anzuwenden, Systeme wurden immer komplexer und vielschichtiger. Dennoch blieb eines erhalten: Auch diese Partei tat es sich von Zeit zu Zeit schwer, zu akzeptieren, wen man sich in die Partei mit zunehmendem Wachstum holte: Antisemiten wollte man nicht in der Pareti haben (mit Jörg Meuthen hatte man ihn dennoch, überdies genoss er ein hohes Maß an Popularität), auch mit Pädophilen innerhalb der Partei haderte man (dies traf auf Holger Arppe zu); so gerne warf man es doch auch den Grünen entgegen. Mit wem man hingegen nie haderte, war Bernd Höcke, alias Björn Höcke; dieser hielt zu jeder Zeit gute Kontakte zur NPD, wie auch der MDR zu berichten wusste. Über ein Parteiausschlussverfahren dachte man nur gelegentlich nach, wenn es brenzlig wurde, nie aus eigenem Ermessen heraus. Um auf das eigentliche Thema zurückzukommen, kann man überdies auch sagen, dass er durch seine hohe Position innerhalb der Partei durchaus eine repräsentative Funktion innehat. Positionen wie den Fraktionsvorsitz in einem Bundesland sind ein eindeutiges Indiz dafür, dass jemand die Ansichten einer Partei wiederspiegelt. Schwieriger wird es andererseits bei einfachen Mitgliedern. Normalerweise würde man insistieren, dass ein Ausschluss vorgenommen werden sollte, wahlweise temporär oder permanent. Wie aber bei Protestbewegungen, die nie vorhatten, sich für die Ewigkeit zu manifestieren? Wenn man nur protestieren wollte, bis den eigenen Forderungen stattgegeben wird, es aber länger andauern sollte, man aber niemals einen Vorstand wählte, Mitgliederregister führte und generell alles locker und unhierarchisch organisieren wollte? Ab dem Punkt wird man Probleme erfahren, wenn vereinzelte Mitglieder für Probleme sorgen und es auf sie zurückfällt. Natürlich kann man schwerlich behaupten, dass bei einer Orgnaisation oder einer Bewegung, die Millionen auf sich zieht, durch eine Gruppe von beispielsweise 200 Menschen repräsentiert werden kann. Wenn also diese 200 für Chaos und Verwüstung sorgen, und sich zugleich offenkundig zur Antifa-Bewegung (bspw.) bekennen, unter diesem Namen diese Taten begehen, kann man schwerlich mit Ernsthaftigkeit behaupten, dass der Name «Antifa» nur noch mit Chaos, Gewalt und Verwüstung assoziiert werden kann. Genauso wenig treibt die Musik des Metal junge Menschen dazu an, sich gegenseitig zu verprügeln oder gegen andere Gewalt auszuüben, geschweige denn zu Satansanbetern zu werden. Das wäre so, als wenn man behauptete, dass Predigten und Liturgien dazu führten, dass junge Menschen zu Kreuzzüglern würden und nach Jerusalem reisten, um sie von den Palästinensern zu befreien. Auch das wäre grober Unfug, schlüge aber in dieselbe Kerbe. Wie es so schön heißt: Schwarze Schafe gibt es überall, doch sie repräsentieren noch lange nicht die Herde der Schafe mit weißer Wolle. Lediglich bei einer Handvoll Gruppierungen kann man sich immer sicher sein, dass sie ausschließlich aus irrationalen, hasserfüllten Individuen bestehen, die aus einer gesunden Gesellschaft eliminiert werden müssen: (jegliche Form von) Rassisten, Faschisten, Nationalisten, (pseudoreligiösen) Terroristen, Rechtsextremisten und Rechtspopulisten. Wie immer gibt es auf diese Liste kein Gewähr auf Vollständigkeit. Wer noch etwas zu ihr beitragen kann, soll den Autor kontaktieren. Generell gesprochen kann aber behauptet werden, dass es keine pauschale Formel dafür gibt, wie man feststellen kann, ob eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern einer Gruppe die gesamte Gruppe repräsentieren kann. Allenfalls kann man sagen, dass ein demokratisch gewählter Vorstand diese Gruppe repräsentieren kann. Theoretisch stimme das, doch wie es immer in der Demokratie ist, kann auch ein Vorstand nur die Mehrheit repräsentieren, nicht aber alle. Und je knapper das Ergebnis ausfällt, desto weniger Menschen kann dieser gewählte Vorstand repräsentieren. Der Rest fällt praktisch unter den Tisch. Was er dagegen tun kann? Entweder gibt er sich mit diesem Ergebnis zufrieden, weil es das beste System in einer statischen, hierarchischen Gesellschaftsordnung ist, oder er erbittet das Anrecht auf die Bildung einer Opposition (wobei das im Vereinsleben einen mit Recht bizarren Zustand implementiere; wieso sollte man in einem Verein (oder in einer Protestbewegung) unzufrieden sein mit einem gewählten Vorstand, der doch, selbst mit Exklusivrechten, eine eher repräsentative als eine wirkmächtige Position innehätte), oder er (oder sie) macht es wie Lucke, Petry und Poggenburg und bildet eine Splittergruppierung (im Bezug auf das Vereinsleben: Siehe vorherigen Klammertext). À propos Demokratie: Auch auf staatlicher Ebene mag das demokratische System das denkbar günstigste von allen sein, perfekt ist es deswegen noch lange nicht. Warum? Nun, aus zwei Gründen: Erstens: Der viel verschmähte Spruch, dass die da oben doch ohnehin tun, was sie wollen, stimmt in vielerlei Hinsicht, und auch der ebenso verschmähte Spruch, dass viele Wahlversprechen doch ohnehin nicht eingehalten würden, stimmt, wobei der Grund häufig nicht einmal ein Verlust an Interesse an der Durchsetzung ist, als vielmehr die innerkoalitionären Verhandlungen, die dazu führen müssen, dass man am Ende ein gemeinsames Papier veröffentlicht, welches den Vierjahresplan bestimmt, bis zu den nächsten Wahlen. Am Ende bleibt auf keiner Seite viel übrig von den zuvor getroffenen Wahlversprechen. mit der Zeit findet man sich damit ab, auch wenn Politiker gerne wiederholen, was sie alles tun werden, wenn man sie gewählt hat. Es klänge gleichzeitig aber auch sehr seltsam, wenn man folgenden Satz erhöre: «Wenn Sie mich wählen, dann werde ich die Rentenauszahlungen erhöhen, den Mindestlohn auf 12,00 EUR pro Stunde erhöhen und jegliche Waffenlieferungen an Saudi-Arabien permanent unterbinden, vorausgesetzt unser Koalitionspartner wird ebenfalls bei diesen Punkten zustimmen.» Einem solchen Politiker gäbe man seltener eine Stimme als jemandem, der diese Freizeichnungsklausel außen vor ließe, ganz gleich wie hoch die Stimmen beider Varianten wäre (sie wäre insgesamt gleich, wobei man sich vorstellen kann, dass Nummer zwei noch eher um die Durchsetzung aller drei Punkte kämpfe als der erstere, der seine Chancen schon im Voraus als eher schwach betrachtete). Zweitens: Die Opposition hat in einer gewöhnlichen Demokratie nur wenig zu sagen, was im schlimmsten Fall - bei einem Wahlausgang 51 zu 49 - dazu führen kann, dass nahezu die Hälfte der Bürger nicht zu ihrem Recht kommt, und stattdessen dazu verdammt ist, vier Jahre lang eine Politik auszuhalten, die ihnen in vielen Punkt sehr gegen den Strich geht. 


XI. Der Erfolg gibt mir Recht, Fuck The Haters

Ob sie danach zum Zuge kommen, ist nicht gesetzt, vielleicht werden sie für vier weitere Jahre dieselbe Politik durchstehen müssen; die regierende Partei sieht sich wahrscheinlich sogar noch bestätigt in ihrem Ansinnen, da man sie ja wiedergewählt hat, folglich haben sie wohl auch nichts falsch gemacht. In Deutschland erlebt man ein solches Debakel, was durchaus auch als antidemokratisch wahrgenommen werden kann: Vier Legislaturperioden lang erlebte man eine Regentschaft der «Großen Koalition» (GroKo), die faktisch nichts erreicht hat, was sie hätte erreicht haben müssen, wogegen sie kommenden Generationen einen Scherbenhaufen hinterließ: Noch immer werden Waffen an Saudi-Arabien geliefert, auch wenn man für einen Monat einen Waffenlieferungsstopp aushandelte, der aber auch vonseiten der CDU nicht gern von allen getragen wird; die Rente ist noch immer nicht sicher, vielmehr sehen sich Alte wie Junge in Zeiten wachsender Unsicherheit, ob man ihnen nach ihren (in der Regel 45) Beitragsjahren eine Rente auszahlt, die sie nicht bloß (oder überhaupt) vor der Altersarmut schützt, sondern ihnen sogar noch einen schönen Lebensabend beschert; der Mindestlohn wird von vielen Unternehmen durch Schlupflöcher vermieden, generell ist er mit 9,19 EUR noch recht niedrig, viele Menschen können sich damit keine Rücklagen bilden für schlechte Zeiten; der Gender Pay Gap diskriminiert noch immer viele Frauen maßlos, er lässt noch immer viele Frauen im Regen stehen und ihre Arbeit minderwertiger als die ihrer männlichen Konterparts; inmitten innereuropäischer Skepsis und Feindseligkeit haben SPD und CDU unisono eine Urheberrechtsreform gestützt, die von vielen Millionen Menschen - auch in Deutschland; viele von ihnen zwar noch nicht zur Wahl befugt, dennoch äußerst politisiert und gut informiert - opponiert wurde, durchgepeitscht, und begingen den infamen Fauxpas, die Demonstranten wahlweise als Bots, durch Großkonzerne gekauft oder gegen sie verschworen zu bezeichnen. Obwohl sie mehrfach bewiesen, dass sie vom Thema, welches sie bewarben im Parlament, weniger Ahnung hatten als die, die dagegen demonstrierten, stemmten sie sich dafür, bereiteten infolgedessen Großkonzernen einen reich gedeckten Tisch des eingeleiteten Oligopols. Die Nutzer selbst wurden praktisch darüber nicht gefragt. Dabei heißt es doch Republik, also res publica - die Sache des Volkes. Wie kann es also sein, dass das Volk nicht zuvor bei solch weltbewegenden Entscheidungen (in der heutigen Zeit, der digitalen Ära, kann man bei solch fundamentalen Entscheidung, die das Internet in seinen Grundfesten erschüttern kann, durchaus behaupten, dass sie auch weltbewegend ist) zuvor noch die Massen befragen. Keine Frage - Kreativen aller Art wird es mit Sicherheit nutzen (auch wenn der Kleinkünstler Marc-Uwe Kling sich auf Twitter gegen Artikel 11 und 13 aussprach), doch was nützt es den Kreativen, wenn ihr Werk nur noch bedingt Verbreitung findet, weil die Menschen aufgrund verwirrender Vorgaben und willkürlich agierenden Algorithmen (die Idee der Content-ID, die Kunst in jedweder Form markieren soll, sodass die Schöpfer angemessen vergütet werden, ist zwar gut gemeint, jedoch nur schwach umgesetzt, da viel zu bureaukratisch und darum zu sperrig) der Internetkonzerne Facebook, YouTube et al. es bevorzugen, nichts zu teilen. Bevor man am Ende ein horrendes Bußgeld wegen widerrechtlichen Verteilens von geschützter Ware erhält, lässt man es lieber gleich sein. Auf diese Weise schränkt man Freiheiten ein, indem man der Angst immer mehr Raum bereitet. Auf eine ganz ähnliche Weise geht man in den US-Bundesstaaten Texas, Tennessee und Arizona vor gegen Minderheiten, die theoretisch wahlberechtigt wären, man es aber madig machen möchte, überhaupt zu gehen: Falsch oder fehlerhaft ausgefüllte Formulare zur Anmeldung für die Wahl sollen dort zu Haftstrafen führen, nicht bloß zur ungültigen Wahl (darüber berichtet hat das National Public Radio (NPR)). Natürlich wäre es profan, zu behaupten, dass man vorsähe, Nutzer in die unabsichtliche Kriminalität zu stürzen, doch ist jegliche Kritik an Artikel 11 und 13 (die zwar jetzt nicht mehr unter diesen Nummern vorzufinden sind unter diesen aber immense Bekanntheit erlangten) durchaus berechtigt, da sie zu erheblichen Einschränkungen führen können, sollten sie erst einmal in die Bundesgesetze der jeweiligen Länder übergehen. Und selbst wenn man sich nicht über die neue Urheberrechtsreform aufregen möchte, oder sie kritisieren möchte, so kann man sich doch zumindest auslassen über das undemokratische Vorgehen, mit welchem diese Gesetzesvorlage entgegen aller Proteste durchgerungen wurde: Erst ignorierte man die Demonstrationen, die europaweit stattfanden; dann begann man damit, die Demonstranten zu diskreditieren, insbesondere daran beteiligt war die deutsche CDU; zu guter Letzt beging man den größten Fauxpas von allen, und ließ die Agrarministerkonferenz in der EU die finale Abestimmung durchführen. Man hatte also zuvor gewöhnliche Parlamentarier über die Reform abstimmen lassen, wobei es bei 13 unter ihnen zu Komplikationen kamen, da sie auf die falschen Knöpfe drückten (ein schwedischer Journalist, der nach Brüssel reiste, um lückenlos über die neue Urheberrechtsreform zu berichten, schrieb darüber einen Blogbeitrag bei Medium; auch ist nicht gesagt, dass diese spezifische Anzahl ein böses Omen hinausschickte). Eine kritische Masse war das noch nicht, und dennoch - es geschah. Es ist nicht einmal gesagt, dass diese 13 Parlamentarier unisono auf «Ja (ich stimme dieser Reform zu)» anstelle von «Nein (ich stimme dieser Reform nicht zu)» drückten. Man berichtete anfangs davon, dass es zu Missverständnissen gekommen sei, da die Instruktion, wie man für eine Ablehnung drücken musste, nicht allgemein verständlich gewesen sei, doch kann man sich angesichts dieser geringen Anzahl behaupten, dass das Ergebnis insgesamt repräsentativ ist (auch wurde im oben verlinkten Eintrag geschildert, dass man die Abstimmung zuvor probte, sodass es an sich nicht sein konnte, dass manche Parlamentarier gegen ihren selbsterklärten Willen abstimmten), und man somit sicher sein kann, dass die Verantwortlichen entweder keine Ahnung hatten von der Thematik, oder sie tatsächlich der Meinung sind, dass auf diese Weise alles ins Reine kommen wird. Insgesamt bleibt es aber dabei: Die Durchsetzung der Urheberrechtsreform war nicht gerade die Glanzleistung des EU-Parlamentarismus, man zeigte sich von seiner denkbar antidemokratischsten Seite. Volksabstimmungen wären vielleicht sinnvoll gewesen, hätte man den Demonstrationen gegen Artikel 11 und 13 schon nicht die Zurechnungsfähigkeit und Befugnis zur Repräsentation der Mehrheit in den Völkern zusprechen wollen. 


XI.I Der demokratische Populismus

Zugegebenermaßen ist aber auch die Direkte Demokratie über Referenden und Plebiszite nicht ganz ohne. Viele berufen sich selbstverständlich auf die Schweiz, in der diese beiden Formen der direkten Adressierung mehr als üblich sind bei vielen wichtigen Fragen (eine Übersicht über vorgenommene Volksabstimmungen jeder Art findet man hier, auf der Seite der schweizerischen Bundeskanzlei), doch sieht man auch dort zugleich, zu was es führen kann: Aufgrund der seriellen Häufung der Abstimmungen sinkt die prozentuale Häufung der Abstimmenden. Man nimmt es als so selbstverständlich an, dass man schon kein Interesse mehr daran hat, daran teilzunehmen, weil man denk,t dass es doch ohnehin egal ist, wie die Entscheidung ausgeht. Und man kann sich, wenn auch in populistischer Manier, vorstellen, wer die ersten sind, der die vielen Abstimmungen zu viel werden. Es werden die sein, die im Moment darauf plädieren, dass man es unverzüglich durchsetzt, und zwar auf Staatsebene, nicht nur auf Bundesebene, sodass beispielsweise Baden-Württemberger die Möglichkeit haben, während es die Niedersachsen nicht könnten. Hierbei könnte ihnen der Föderalismus, der es den einzelnen Ländern freistellt, ob sie sowas durchsetzen, im Wege stehen, doch das Problem ist insgesamt ein ganz anderes. Der Brexit wird häufig als ein Beispiel dafür gewertet, dass Volksabstimmungen auch nach hinten losgehen können: Nicht nur fiel das Ergebnis höchlichst knapp aus, sondern schienen viele derjenigen, die abstimmten, nicht viel über die Folgen ihrer gewählten Option zu wissen. So kam es, dass man auch als gut informierter Bürger keinerlei Schwierigkeiten dabei hatte, die Argumente der Brexiters zu widerlegen. Warum also ließ man es zu, dass die einfachen Menschen überhaupt darüber abstimmen konnten? Nun, weil man eben das Volk die Entscheidung überlassen wollte - das House of Commons sollte sich lediglich darum kümmern, die Entscheidung - am Ende wurde es bekanntermaßen der Austritt aus der EU - in die Tat umzusetzen. 
In einer Demokratie hat jeder Bürger die Möglichkeit,
mittels einer Stimmabgabe seinen Favoriten im Ren-
nen vorankommen zu lassen, bestenfalls bis an die
Spitze des Landes. 
Dass der einfache Minenarbeiter in Lancashire vielleicht keine Ahnung haben könnte, was sich konkret in Brüssel abspielt, dafür aber genügend Wut auf die da oben gebündelt hat, um eine miserable Entscheidung zu treffen, schien man dagegen minoritär zu beachten. Es zeigte aber in epischem Ausmaße, wie verheerend es sein kann, Menschen, die durch mangelnde Fach- und Sachkenntnis sehr leicht beeinflusst werden können von Trollen im Netz, Entscheidungen treffen zu lassen, deren Ausmaß sie mitnichten überschauen können. Für viele auf dem flachen Land sah die Entscheidung wohl nur so aus, dass man entweder in der EU verbliebe und somit weiterhin Millionen nach Brüssel schicken würde, oder man austräte und folglich pro Jahr mehr als 3,5 Millionen Pfund mehr im Lande für die NHS (den National Healthcare Service) behält (ein Spruch, den Brexiter häufig auf die markanten Doppeldeckerbusse drucken ließen). Man sieht also, dass für Brexiter die EU vor allem ein Kostenpunkt in der staatlichen Bilanz war, nicht mehr und nicht weniger. Unternehmer wussten es hingegen besser (außer vielleicht der CEO und Gründer des Staubsaugerherstellers Dyson, James Dyson, doch dieser ergriff bereits kurz danach die Flucht auf das EU-Festland, sodass er dem Tod (in Form des Brexit) von der Schippe sprang und die einfachen Menschen kräftig über den Tisch zog (berichtet hat hierüber unter anderem der Guardian), und plädierten somit für einen Verbleib in der EU, sie wussten um die Vorzuge dieser Handelsunion, die sie mit den Regeln der «World Trade Organisation» (WTO) nicht hätten. Schon jetzt kostet der Brexit Millionen, doch die Brexiters wiederholen gebetsmühlenartig einen verfluchten Satz: «Setzt den Willen des Volkes in die Tat um». Verflucht ist er vor allem, weil er im Grunde auch stimmt: Man hat eine legitime Abstimmung über den Verbleib oder Austritt in oder aus der EU abgehalten, und diese Abstimmung war trotz der Schmierenkampagnen der Trolle im Netz und dem geringen Auskommen der Wähleranzahl selbst (72,21 Prozent aller wahlberechtigten Bürger Großbritanniens und Gibraltars; angesichts der Gewichtung dieser Wahl war es durchaus recht gering) rechtlich gültig. Das Problem ist dabei aber eben alles zuvor Genannte: Die Menschen wussten praktisch nicht, was sie taten, und infolgedessen erschwert sich nun auch seit mehr als zwei Jahren die Durchsetzung zwischen geregeltem und chaotischem Brexit. Nicht zuletzt liegt das natürlich auch daran, dass neben den moderateren Tories und Labour-Mitgliedern (neben der Handvoll Parlamentarier aus der grünen und der liberal-demokratischen Partei) auch die Hard-Brexiters wie Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg, die ohne Plan aus der EU abspringen wollen, und keinen einzigen Deal von Theresa May akzeptieren werden. Zweifellos gibt es auch diese Individuen, die jegliches Vorankommen wie eine Bleikugel am Schienbein erschweren, doch die Hauptsache, das Hauptproblem ist und bleibt eines: Die schiere Unmöglichkeit, irgendwie gewinnbringend aus der Europäischen Union, deren Mitbegründer Großbritannien war, auszutreten. Es kommt einer Allegorie gleich, dass dies aufgrund einer knappen Mehrheitsabstimmung innerhalb einer Volksabstimmung seinen Lauf nahm. Manche Dinge können die einfachen Menschen nicht ohne jahrelange Verfolgung der Thematik oder mittels politischen Engagements nicht sinngemäß beurteilen. Der Brexit sollte daher den Direktdemokraten eine Lehre sein, dass sie sich vielleicht nochmal überlegen, ob sie diese Form noch weiterhin propagieren können. Man sollte sich das ganz genau überlegen, um weitere Austritte oder ähnlich fatale Entscheidungen zu vermeiden.  
Kann man aber mit dem Argument gegen die direkte Demokratie nicht auch genauso sehr behaupten, dass diejenigen, die aufmarschieren auf der Straße, genauso wenig Ahnung davon haben, wofür oder wogegen sie eigentlich demonstrieren? Jein. Es gilt, abzuwägen. Abzuwägen, was genau sie zur Sprache bringen, welche Argumente sie vorzuweisen haben, und wogegen oder wofür sie eigentlich demonstrieren; ob das, wofür oder wogegen sie demonstrieren denn auch so, wie sie es vortragen, vernünftig ist oder nicht. Schwarz und weiß sind hier keine Optionen, die Wahrheit verbirgt sich mal wieder in den Grautönen. Beispielsweise agitieren Rechtsextreme gerne, wenngleich sie genauso gut auch darin sind, den politischen Gegner zu diskreditieren, sei es mittels Gerüchten, Lügen oder plumpen Beleidigungen. Schaut man sich ihre Demonstrationen und Kampagnen an, so kommt inhaltlich wenig rüber, währenddessen man um umso mehr Hass erlebt. Bei Linken sieht es nur bedingt besser aus, zumindest der Hass wird etwas weiter gedämpft. Inhaltlich kommt aber häufig auch nicht viel mehr herum, bis eben auf die üblichen Schönwetterparolen und die Opposition rechten Gedankenguts. Über den allgemeinen Konsens hinweg wird man nicht viel mit ihnen übereinstimmen können. Es ist also ratsam, bei Demonstrationen gelegentlich sporadisch einzelne von ihnen herauszupicken, in der Hoffnung, dass sie nichts gegen eine kurzweilige Aussprache einzuwenden haben (insbesondere bei Rechten sollte man jedoch vorsichtig sein, da sie manchmal gewisse Ressentiments gegenüber der Presse bedienen, und sie sich auch nicht davor scheuen, gewalttätig zu werden). In solchen Fällen trennt sich anschließend die Spreu vom Weizen, und man findet heraus, was sich inhaltlich hinter den Aufmärschen verbirgt. Ab diesem Punkt ist es nicht selten auch so, dass linke Demonstranten auch über den Konsens hinweg etwas zu bieten haben, wobei sich hierbei persönliche Erfahrungen unterscheiden können. Die Meinung, die darum im vorletzten Satz geäußert wurde, ist lediglich die des Autors und nicht eine universell gültige. 


XI.II Eins noch: Zur Terminologie des «Marschierens»

Manch einer mag sich auch schon des Öfteren an der Formulierung des Marschierens gestört haben, doch sollte man sich selbst völlig unbefangen eingestehen, dass es neben Demonstrieren keinen besseren Ausdruck zur Beschreibung dessen, was dort geschieht, gibt, ganz gleich, wen man genau damit beschreibt. Natürlich bedeutet ein Marsch auch, dass alle im Gleichschritt voranschreiten, doch sieht man einmal davon ab (denn theoretisch würde das dann auch nicht mehr mit den Rechtsextremen übereinstimmen, obgleich diese doch mitunter am häufigsten mit dem schon fetischistischen Militarismus kokettieren), und beäugt dabei insbesondere die Gruppendynamik, die sich dabei entwickelt, so muss man zugeben, dass zu diesen Demonstrationen, würde man sie in ein Vakuum verpacken, nichts besser passe als ein Marsch von Johann Strauß. Das aber nur am Rande, referierend auf eine persönliche Anekdote im anderen Kontext. 


XII. Ein Schläger in Uniform ist immer noch ein Schläger

Nun bleibt praktisch nichts mehr zu sagen, nahezu alle Themen wurden abgehakt. Protestbewegungen, zumindest in meinen Augen, haben mehr oder minder ihren Glanz und ihre Wirkkraft verloren, sie können nicht mehr so viel bewirken wie es früher noch war. Natürlich erleben wir kleinere Erfolge und große in autokratischen Regionen, wo das Demonstrationsrecht nicht so locker gehandhabt wird wie in Deutschland, wo die bureaukratischen Hürden größer sind als die Gefahren, dass man von der Exekutive niedergeprügelt wird. Bevor wir aber schon den Abgesang auf diesen Text vorbereiten, sollten wir noch einmal auf die Polizeigewalt zu sprechen kommen. Sie ist, auch wenn Deutschland in weiten Teilen ein renommierter und stabiler Rechtsstaat ist, noch nicht wegzudenken. Bodycams und gelegentlich auch Nummernschilder, also eine Kennnummer, welche gegebenenfalls beim zuständigen Kommissariat genannt werden können, sollte sich ein Polizist unangemessen verhalten haben, sind nicht grundlos in vielen Bundesländern Grundausstattung für Polizisten. Sie haben Bewandnis und einen ernsthaften Hintergrund: Nicht selten kommt es vor, dass Polizisten sich gewalttätig gegenüber schutzbedürftigen Bürgern verhalten, und somit selbst zu Kriminellen werden. An wen aber sollte man sich wenden, wenn man Opfer eines gewaltsamen Übergriffs durch einen Freund und Helfer wurde? Genau dafür sind sie gedacht. Die Bodycam liefert Beweismaterial, wenngleich auch Kritik laut wurde (im verlinkten Kommentar wird dies im vorletzten und letzten Absatz aufgegriffen und mit einer Studie näher erläutert), dass sie nur zu leicht aus dem Verkehr gezogen werden können (neben dem Skandal, dass man Aufzeichnungen von Bodycams auf Cloudservern von Amazon speicherte) -, und mit der Kennzeichnungspflicht lassen sich Polizisten vor Gericht leicht identifizieren. Das Problem ist bei beiden Angelegenheiten - Kennzeichnungspflicht, wie auch das Tragen von Bodycams -, dass sie dem Föderalismus unterstehen. Das heißt, dass bei beiden Angelegenheiten die Landesregierungen entscheiden müssen, ob sie sie einführen wollen oder nicht. So ist ein flächendeckender Einsatz nicht gewährleistet, da es einerseits Parteien gibt, die ihren Einsatz befürworten, als auch Parteien, die es ablehnen. Bei der Kennzeichnungspflicht spricht sich beispielsweise die AfD dagegen aus, da sie vermutet, dass man damit Polizisten während der Ausführung ihrer Dienstpflicht unter Generalverdacht stelle. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt eine solche Kennzeichnungspflicht ab, wie sie auch in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung klarstellte. Insbesondere das Interview bietet einige interessante Ansätze, weswegen eine Kennzeichnungspflicht mitunter strittig sein könnte, weswegen auch einige Stellen herausgestellt und näher analysiert werden sollen. Beispiel Nummer eins: 
Bei der Diskussion jetzt geht es eigentlich nur um sogenannte geschlossene Einsätze. Also etwa Demonstrationen, Räumungen von Orten wie dem besetzten Haus in der Rigaer Straße in Berlin oder Razzien gegen Rocker. Das sind gefährliche Einsätze. Da geht es um die Frage, ob es einem Polizisten zuzumuten ist, sich zusätzlich noch mit seinem Namen zu exponieren oder mit einer Nummer, mit deren Hilfe sich sein Name recherchieren lässt. Die Frage ist: Wie wirkt sich das aus?
Die Frage ist durchaus berechtigt: Man muss sich fragen, wie sich das insgesamt auf die Sicherheit des Beamten auswirken kann, wie das seinen Einsatz generell beeinflusst. Bei Kennziffern wird für den Außenstehenden nicht deutlich, um welchen Beamten es sich genau handelt, die Nummer ist lediglich für den internen Betrieb der Polizei bekannt und rückführbar. Anders sähe es da bei Klarnamen aus, diese können mitunter das Privatleben in Gefahr bringen, da der Betroffene, der sich ungerecht behandlet fühlt, den Namen publik machen könnte, sodass man im Nachhinein die Wohnadresse fände, die Familie des Beamten würde dadurch gefährdet. Sprechen wir aber von Kennziffern, dann könnte diese vor Gericht gemeldet werden, und den Beamten brächte man dann dorthin. Theoretisch ließe sich aus Gründen der Sicherheit aushandeln, dass der Name dennoch nicht publik würde, sondern er als den Richtern bekanntes Subjekt gehandelt werden, sodass auch im Falle einer Verurteilung die Familie und Verwandte nicht dem Mob ausgesetzt würden. Angeklagten wird dieses Recht auch zugesprochen, ohne dass jemand Einwände erheben könne dagegen. Es muss also nicht zwingend eine Gefahr darstellen, eine solche Nummer zu tragen. Dagegen kann es den Menschen mehr Vertrauen bringen, wenn ein Polizist sich zu erkennen gibt, auch wenn man nicht pauschal davon ausgehen muss, dass er ein übler Schläger sei, bei dem man sicherheitshalber die Straßenseite wechselt, wenn man ihnen begegnet. Es birgt weitaus mehr Vertrauen, wenn man jemanden schon vorab erkennen kann. 
Die Frage ist, ob mit der Forderung nach solchen Namensschildern nicht Misstrauen gegenüber der Polizei aus einer bestimmten politischen Richtung heraus ausgedrückt wird. Dagegen verwahren sich die Kolleginnen und Kollegen. Die Polizei hat nichts zu verstecken. Wenn jemand bei uns einen Fehler begeht, wird das straf- oder disziplinarrechtlich belangt. Warum es jetzt noch einer Kennzeichnungspflicht bedurfte, weiß ich nicht.
Wie bereits zuvor beschrieben, birgt es weitaus mehr Vertrauen, wenn ein Polizist ein Schild trägt, welches dem Außenstehenden verrät, wen er genau melden müsste, wenn es dazu kommen sollte, dass er entgegen jeder Notwendigkeit übergriffig würde. Natürlich glaubt man daran, dass innerhalb der Polizei Missstände umgehend geklärt und geahndet werden, diesen Anspruch hat der Bürger an sie natürlich.  Doch was soll man andererseits tun, wenn man von einem Korpsgeist innerhalb der Polizei hört, bei dem man geschlossen hinter kriminellen Kollegen steht, und Missstände lieber vertuscht, man sich also gegenseitig den Rücken deckt, wie bei einer Art krimineller Tafelrunde? Das sind Momente, in welchem auch die einfachen Bürger misstrauisch werden und von der Polizei zurecht erwarten, dass sie Flagge zeigt und Transparenz beweist. Und wie bereits zuvor beschrieben, kann es ihnen nur zuträglich sein, wenn sie sagen, dass sie ihren Bügern entgegenkommen und sagen, dass sie diese Schildchen tragen werden auf ihrer Brusttasche, und die Bodycam auf der Schulter. Getreu dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat, kann sowas guten Gewissens tragen. Paradoxerweise wäre also diese Form zunehmender Wiedererkennbarkeit das erste Beispiel dafür, dass es mehr Vertrauen schaffe, gefilmt zu werden, anstatt seine Privatsphäre zu genießen. Auch wenn es sehr gestelzt klingen mag, aber in Zeiten der zunehmenden Verfügbarkeit von immer mehr Informationen ist es besser, wenn noch mehr Informationen einen Gegenbeweis zu liefern. Es ist wahrhaftig nicht einfach zu verstehen, doch muss man sich eines Punktes gewiss werden: Das Vertrauen in die Polizei ist stark angeknackst, die Menschen haben nicht mehr so viel Glauben an die Herren und Damen in Uniform, zu häufig wurde schon berechtigte Kritik an ihnen laut. Man hörte Berichte von feiernden Polizisten, die es sich sogar herausnahmen, vor Wohnungen von Gefährdern zu urinieren (Quelle: Frankfurter Rundschau), oder sich generell zu sehr der Feierlaune hingaben (Quelle: Berliner Morgenpost). Überdies erinnert man sich leider noch zu sehr an das Fehlverhalten wie beispielsweise an Schülern, die aus Protest gegen die Abschiebung eines Mitschülers eine Sitzblockade errichteten vor der Schule in Sonneberg, Thüringen, die wiederum von einem Polizisten gekontert wurde mit dem sinn- und maßlosen Einsatz von Pfefferspray (Quelle: Thüringer Allgemeine); bei den Protesten gegen Stuttgart 21, wo ein Demonstrant ein Auge ließ, weil man ihn offensiv mit einem Wasserwerfer attackierte (Quelle: Der SPIEGEL). Zu guter Letzt sollte auch nicht der Einsatz von Polizeistreitkräften im Hambacher Forst erwähnt werden, der insbesondere wegen seiner gravierenden Unverhältnismäßigkeit in die Schlagzeilen geriet. Warum ausgerechnet während der Proteste zum Erhalt des Restforsts in Hambach (von den ursprünglichen 4.100 Hektar blieben nach den ersten Bewilligungen nur noch 200 Hektar übrig, der Rest fiel der Kohleförderung zum Opfer)? Nun, für die Beseititung von Besetzungen im Forst orderte und stellte man an die 4.500 Streitkräfte; kurz zuvor fand der Trauermarsch in Chemnitz statt, wo man dem Rechtsstaat Versagen und Ohnmacht attestierte - eingesetzt wurden dort bei über 5.000 rechtsextremen Teilnehmern (gegenüber 3.500 antifaschistischen) knapp 1.500 Polizeistreitkräfte. Entweder unterschätzte man also die Lage, oder aber man sah nicht ein, mehr einzusetzen (Quelle für die Zahlen: Neues Deutschland). Natürlich können Polizisten generell nicht viel tun, wenn sie merken, dass sie unterbesetzt sind bei einem bestimmten Einsatz, sie können lediglich Verstärkung rufen. Ob sie am Ende gewillt wird, ist dabei völlig offen. Was sie aber kontrollieren können, ist der Einsatz von Gewalt gegen bestimmte Demonstranten. In erster Linie ist ihre Aufgabe, zu deeskalieren, gegebenenfalls müssen sie Individuen festnehmen, weil man sich ihnen und ihren Anforderungen widersetzte. 
So weit, so sehr bewegt man sich noch im rechtlichen Rahmen. Bleiben aber dauerhafte Schädigungen wie im Fall des Demonstranten in Stuttgart, so ist dabei eindeutig von unverhältnismäßiger Gewalt zu sprechen, und die Schläger sind zur Rechenschaft zu ziehen. Ebenso gilt es praktisch schon bei der Schülerin, die man unverhltnismäßig mit Pfefferspray attackierte, obwohl man dem Beamten nichts tat. Sitzblockaden sind nicht verboten, sie sind einem Einsatz der Grundrechte zuzuschreiben. Wer sich an sowas stört, hat wahrscheinlich den falschen Beruf gewählt. Um noch einmal ein Beispiel zu nennen, ein altes, wohlgemerkt: Nach den G20-Protesten gingen an die 35 Strafverfahren gegen Polizisten im Einsatz raus, hauptsächlich wegen Körperverletzung. In der verlinkten Quelle - der Süddeutschen Zeitung - wurde vorab das Bild der jungen Frau gezeigt, die ein Einsatzfahrzeug erklomm, und gegen die man ebenfalls mit einem Wasserwerfer vorging, um sie wieder herunterzubekommen. Es steht außer Frage, dass Polizisten im Großeinsatz schnell handeln müssen, sie haben nicht viel Zeit, um abzuwägen und zu überlegen, bis sie schließlich zur Tat schreiten müssen. Das soll hierbei keineswegs außer Acht gelassen werden, dessen bin auch ich mir bewusst. Jedoch: Was soll man dabei denjenigen sagen, die schlagartigen, unüberlegten Handlungen vonseiten der Einsatzkräfte zum Opfer fielen, die bleibende Schäden davontrugen, weil sie ihre Demonstrationsrechte einsetzen wollten, um ihrem Willen Ausdruck zu verleihen? Soll man ihnen sagen, dass der tätliche Beamte im Affekt handeln musste, weil er nicht viel Zeit hatte? Dass es ihm leidtäte? Warme Worte helfen selten in solchen Fällen, Verurteilungen sind und bleiben das mindeste, was man tun kann, um die Waagschale der Justitia wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Leider geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht hervor, wie viele der Taten, die erfasst und gelistet wurden, auf polizeiliche Gewalt zurückzuführen ist, sodass man keinen Aufschluss darüber geben kann, um wie viele es sich da handeln mag. 


XIII. Blaubraun - in Parlament und Polizei

Es sollte auch nicht unterstellt werden, dass es unter Kriminellen eine Szene gäbe, die, bevor sie sich irgendetwas auf ihrem Vorstrafenregister zuschulden kommen ließen, sie eine polizeiliche Karriere anstrebten, um praktisch unbescholten Straftaten zu begehen; die sich eine falsche Identität anschaffe, um damit kriminell zu werden, während sie es bereits zuvor wurden. All das wäre, solange man keine handfesten Zahlen dazu hat, eine bodenlose Unterstellung und somit in einer argumentativen Kritik deplatziert. Schwieriger wird es für die Polizei hingegen, wenn sie selbst unter Verdacht steht, nicht bloß parteiisch zu handeln (da Polizisten einen Eid auf den Schutz der Verfassung schwören, müssen sie, so gut sie es können, unparteiisch handeln können, sie dürften also weder links noch rechts einzustufen sein, wenn sie im Dienste ihres Staates handeln), insbesondere, wenn sie als rechtsextrem einzustufen sind. Das sind dann Anklagen, die, anders als im Falle einer Unterbesetzung während einer Großdemonstration oder einer Räumung, durchaus gegen sie anzuwenden sind, weil sie sie persönlich betreffen, und nicht bloß ihren Arbeitgeber, nämlich den Staat. Wenn ein Polizist schwört, das Grundgesetz mit ihrem Leben zu schützen, dann ist es überaus nachteilig für den Bürger, der sich auf sie verlassen können muss und auch auf ihre Unbefangenheit, wenn sich herausstellt, dass er praktisch in Lebensgefahr schwebt, weil er beispielsweise auf seinem Rucksack einen Aufnäher der Antifa trägt. Geht man nämlich nach dem Leitsatz der Konrad-Adenauer-Stiftung, dann ist es jeder noch so extremen Gesinnung geduldet, ausgedrückt zu werden, auch gelebt zu werden, sofern sie keine menschenverachtenden Ideen propagieren. Leitsätze, die sich mit dem Namen der Antifa assoziieren lassen, fallen nicht in das Schema - sie propagieren lediglich die Durchsetzung der Menschenrechte und setzen sich gegen Menschenverachtung ein, um ein friedliches Miteinander durchzusetzen (um einmal ihre recht blumige Sprache zu gebrauchen). Würde also ein Polizist mitunter gewaltsam gegen jemanden vorgehen, der sich wehrlos ihnen unterstellte, um weitere Strafen von sich zu weisen, dann wäre es schon ein zweifelsfreies Indiz, dass der Täter eine rechtsradikale Gesinnung in sich trägt, da nur Rechtsextreme sich so sehr an linksradikaler Symbolik stören können, dass sie sie mit Gewalt erwidern müssten. Rechtsextremismus bei der Polizei generell ist indessen nichts Unbekanntes, man kennt genügend solcher Fälle, nicht zuletzt infolge der Drohbriefe gegen eine Anwältin (türkischer Abstammung) aus Hessen, die sich besonders gegen Rechtsextremismus einsetzt. Man verfolgte die Herkunft der Briefe zurück auf die Polizei (nachzulesen bei der Süddeutschen Zeitung). Liest man den Artikel und dort wiederum, dass der Verfasser das Kürzel für das Hessische Landeskriminalamt - HLKA - gebrauchte, darf man sich schon fragen, ob der eigentliche Verfasser nicht doch eine falsche Fährte legen wollte, um damit diesem Amt ein Bein stellen wollte, um sie praktisch anzuschwärzen; insbesondere im linken Raum herrscht ein eher frostiges Klima vor, wenn man über die Polizei spricht. 
Namentlich gibt es Aufkleber, die Sprüche wie «Deutsche Polizisten schützen die Faschisten» skandieren (ein Argument, welches die KAS widerlegen möchte), auch die Parole «ACAB» (All Cops Are Bastards) entstammte dem linken Spektrum (und wird auch von linksradikalen, beziehungsweise antifaschistischen Bands wie Non Servium oder The Oppressed häufig thematisch aufgegriffen und ihrerseits propagiert). Gleichzeitig hat der Autor des Artikels Recht, wenn er sagt, dass es wohl wirklich ein reines Behördenjargon ist, wenn man vor das Kürzel noch ein H schreibt, außerhalb der Behörden mag es gänzlich unbekannt sein, dass dieser einzelne Letter noch davorgehört. Es ist eben die Frage, ob man es nicht voraussetzen kann, dass jemand es ohne eine Ausbildung zum Beamten gewusst haben kann, generell wohl aber nicht. Demgegenüber ist aber schon zu fragen, ob nicht eine gewisse Unvorsicht zu verzeichnen ist, wenn man ein dermaßenes Indiz zur Einschränkung des Täterfeldes hinterlässt, somit eine Fährte legt, die es den Ermittlern erleichtert, einen Täter auszumachen. Es nährt Clichés über strunzdumme Faschisten und die damit verbundene Minderbemittlung von Nationalisten, Rassisten, Faschisten und dergleichen. Wie dem aber auch sei, es ist nicht weiter von Bedeutung - wichtig ist, aufzuweisen, dass, im Bezug auf die Kritik an der Ausweisung von einzelnen Beamten mittels Nummernschildern durchaus Gründe vorhanden sind, weswegen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden sollten. Natürlich hätte ein solches Schild auf der Uniform nicht geholfen, doch nicht jeder Schreibtischtäter, der Drohbriefe versendet, ist auch allein dazu berufen, nur am Schreibtisch zu handeln. Es ist auch nicht gesagt, ob der Täter nicht doch eigentlich vor allem auf der Straße verkehrt, Verbrecher wie Räuber und Mörder in flagranti stellt. Und wenn Menschen wie er auf der Straße ihre Arbeit verrichten, laufen Menschen, die mit ihm in Kontakt geraten, unweigerlich in Gefahr, weil sie Opfer seiner Gesinnung werden können; sei es aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer signifzierten politischen Gesinnung oder ihres provokativen Verhaltens (beispielsweise Beleidigungen wie «Dreckiges Bullenschwein!» oder «Dumme Bullensau, du!»; zwar handelt es sich dabei um recht persönliche Beleidigungen, doch erlauben sie nicht, dass ein Beamter im Dienst ausfällig und handgreiflich werden darf. Gleichzeitig neigen gewaltbereite Rechtsextreme zur niedrigen Hemmschwelle, sodass insbesondere sie der Grund dafür sein dürften, dass jemand, der mit drei Promille in aller Öffentlichkeit für Erregung öffentlichen Ärgernisses sorgt, ein Auge oder einige Rippen einbüßen könnte). 
Bei den Themen Nummernschilder und Bodycam ging es, wie beschrieben, vor allem um den Aufbau von Vertrauen, was wiederum die Polizei selbst kritisiert, da man der Polizei doch generell Vertrauen schenken könne und auch solle, immerhin will sie doch nur dabei helfen, für Sicherheit zu sorgen, der Freund und Helfer eben. Es sollte vor allem aber auch um Transparenz gehen, die Vertrauen schaffen kann, wenn sie gegeben ist. Daher ja auch die Stude der University of Cambridge, die zuvor verlinkt wurde: Sie wies auf, dass Bodycams für weniger Beschwerden wegen unverhältnismäßigen Gewaltgebrauchs führen können. Damit aber eine Transparenz in gesamter Bandbreite gewährleistet sein kann, muss die Polizei selbst aber auch so offen und ehrlich sein, sich selbst auch in ihrer eigenen Polizeistatistik aufführen muss, wenn sie über die Stränge schlägt. Ich habe bereits erwähnt, dass sie sich selbst nicht aufführt, sie bröselt die Zahlen lediglich in «Deutsch - Nicht deutsch» und nach den Geschlechtern auf. Die Polizei selbst wird nicht als gesonderter Punkt aufgeführt, wobei es interessant wäre zur genaueren Analyse, und wie die Polizei sich selbst reflektiert in ihrer Arbeit. Immerhin setzt man sich für jedes neue Jahr und gegebenenfalls auch für die Quartale Ziele, was man an sich selbst besser machen kann, um den Dienst zu optimieren, praktisch noch kundenfreundlicher zu werden. Wie aber würden derartige Bestrebungen für den Außenstehenden sichtbar, wen ndie Polizei sichtlich keine Reflexion betreibt? Wenn sie sich selbst als über alle Zweifel in Fragen der Straffälligkeit erhaben sieht? Das hat auch die taz kritisiert. Man signalisiert damit den Menschen, dass diese Fälle praktisch inexistent sind, man müsste also gegebenenfalls tage-, wenn nicht sogar wochenlang die Berichterstattung durchforsten, um festzustellen, wie viele Fälle an von der Polizei ausgehenden Strafffällen stattfanden, und selbst dabei gäbe es noch eine Dunkelziffer. Das Thema ist zu groß, als das man es noch weiter unter den Teppich kehren sollte. Die AfD hat es mit ihrer Stellungnahme indirekt am besten aufgegriffen: 
Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass sie für die sicherheitspolitische Misere im Land tagtäglich den Kopf hinhalten muss und dafür immer weniger Wertschätzung erhält. Nun werden die eigentlichen Gesetzeshüter seitens der schwarz-rot-grünen Regierung auch noch als potentielle Straftäter dargestellt und in eine Schublade mit Kriminellen gesteckt. Dass im Jahr 2018 kein Polizist wegen Körperverletzung verurteilt wurde und knapp 90 Prozent dieser Verfahren eingestellt worden sind, scheint die Landesregierung nicht von ihrem Generalverdacht abzubringen. Ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Innenminister und seinen Beamten kann angesichts derartig infamer Verdächtigungen nicht existieren.“ (Kursive Formatierung und Hervorhebung von mir) (~ Aus zuvor verlinktem Statement der AfD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt zur Kennzeichnungspflicht von Polizisten)
 Abgesehen davon, dass es keinen Sin ergibt, wenn es keine Fälle von Körperverletzung ausgehend von Polizisten gab, und 90 Prozent dieser inexistenten Fälle eingestellt wurden (und selbst eine Einstellung des Verfahrens noch lange nicht entlastet), spricht es Bände für eine Erweiterung der PKS um die Straftaten von Polizisten. Es ist schleißlich keine Randerscheinung, sondern ein eigener Punkt, wie eben alle anderen Verbrechen, um deren Dokumentation und Ordnung man bemüht ist. Die Polizei kann sich durch sowas ohnehin nur profilieren. 
Ohnehin, um es noch einmal zu verdeutlichen, wird niemand unter Generalverdacht gestellt, wenn man ihm oder ihr sagt, dass sie ein Nummernschild tragen soll. Wenn man als Betreiber eines Supermarktes aber scannende Baken aufstellt, um Diebe daran zu hindern, mit ihrem Diebesgut zu entkommen, ohne zu bezahlen, beschwert sich auch kein Kunde, dass man ihm unter Generalverdacht stelle, womöglich Waren zu klauen. Der Betreiber ist nur darauf bedacht, ein entsprechendes Entgelt für seine Güter zu erhalten. Wenn an Schulen ein Bereich für den Abschied der Eltern von ihren Kindern eingerichtet wird, beschwert sich auch kein Elternteil bei der Schulleitung, dass man ihnen unterstellte, potentielle Pädophile zu sein, die Kinder entführen wollten. Neben der Idee, Kinder darauf vorzubereiten, eines Tages ihren Schulweg alleine zu bestreiten und Eltern nicht länger die Straßen mit ihren SUVs verstopfen müssen, soll es einfach für Sicherheit sorgen. Ein wenig Verständnis kann schon helfen, und schon haben Pädophile weniger Möglichkeiten, ihre sexuellen Triebe an ihren Kindern auszulassen. Die AfD erkennt selbst auch an, dass es Fälle von tätlichen Übergriffen von Polizisten gibt, wie man lesen kann, in einen der beiden Interpretationsmöglichkeiten, die sie in ihren unschlüssigen, fett markierten Satz zulassen. Sie wissen also, dass es schwarze Schafe bei der Polizei gibt. Und um diese geht es, wie es auch bei den Baken in Supermärkten gegen Diebe, oder bei den Außenbereichen, wo Eltern ihre Kinder der Schule überlassen müssen - es geht um Sicherheit, nicht mehr und nicht weniger, und vor allem nicht um Generalverdachtsunterstellungen gegenüber rechtschaffenen Bürgern (wie beispielsweise bei der AfD, *Zwinkersmiley*). Die klassische Frage zwischen Freiheit und Sicherheit (hier: Die Freiheit, sich unerkannt im Dienste bewegen zu können) ist so alt wie die erste geordnete Gesellschaft selbst, und mit jeder Neuerung wird sie erneut angefacht. Es wäre groß genug, um es als eigenen Beitrag auszuhandeln, hier wäre zumindest nicht der Raum dafür gegeben. Festgehalten werden soll nur, dass die Polizei, die sich von Berufs wegen die Erhaltung der Sicherheit auf die Fahnen geschrieben haben, sollten das eigentlich besser wissen. Einzusehen, dass es unter den treuen Kameraden auch Missetäter geben kann, ist weitaus vertrauenserweckender als ein paranoides Festhalten an irgendwelchen Freiheiten, die sie geschützt wissen wollen. Es erbittet sie ja niemand, ihr Privatleben offenzulegen, lediglich um weitere Vorsichtsmaßnahmen während der Ausführung ihrer hochsensiblen Arbeit. Man muss sich in letzter Instanz eben fragen, weswegen man diesen Beruf eigentlich macht: Für sich selbst, oder für die Mitmenschen? 


XIV. Der Zweck heiligt die Mittel? Zum Klimaprotest im Tagebau Garzweil II

Zu guter Letzt, bevor wir uns dem Schlusswort widmen, wollen wir nochmal ein Auge auf den Protest werfen, welcher kürzlich noch das größte Aufsehen erregte, neben den fortwährenden Besetzungen des Hambacher Forsts (überraschenderweise ist in beiden der Energiekonzern RWE verwickelt): Die Proteste von «Friday's For Future» und «Ende Gelände». Beide fanden sich, mehr oder minder abgesprochen, im Tagebau nahe Mönchengladbachs zusammen, am Ende fanden sich zu diesen parallel zueinander stattfindenden Protesten akkumuliert an die 46.000 Menschen zusammen, wobei die Zahlen zwischen Polizei und Initiatoren gelegentlich voneinander abwichen. Derartige Details sind aber auch lediglich für die allgemeine Berichterstattung von Belangen, nicht aber unbedingt für den außenstehenden Beobachter. Diesen interessiert vielmehr, was genau stattfand, und wozu es mitunter kam. Darum hier eine kleine Auffrischung der Erinnerung: 
Es begab sich zu einer Zeit, an einem warmen Sommerwochenende im Juni des Jahres 2019, als sich tausende junge Klimaaktivisten auf dem Weg nach Keyenrath machten, um gemeinsam für einen baldigen Kohleausstieg aus der Energieversorgung zu protestieren. Gemeinsam raufte man sich zusammen, zog sich zur erschwerten Identifizierung Maleroveralls in weiß an, dazu passend noch Schals in jeweiligen Farben, die später interessant werden. Es vermengten sich dabei jeweils getrennt FFF- und Ende Gelände-Demonstranten, die einen eigentlich friedlicher als die anderen; während die einen betont antikapitalistisch sind, sind die anderen einfache Schüler, die friedlich demonstrieren wollen. Während die einen nur appellieren, wollen die anderen den zivilen Ungehorsam walten lassen. Und so kam es, dass die einst friedlichen Demonstranten von FFF hineingezogen wurden in einen Sog aus einem abenteuerlichen Unternehmen aus Radikalismus und Zurschaustellung von Macht, sofern man es Macht nennen will. Zunächst begab man sich auf den Austragungsort zu, bis man schließlich an eine Polizeiblockade gelangte. Diese gedachtem an auszutricksen, und so teilte man sich über weite Strecken auf, um die Polizei wahlweise auszutricksen oder zu überlisten. Entsprechend gelang es ihnen auch,, wenngleich sie sich doch einstmals eines etwas rabiateren Umgangs bedienen mussten, wofür man sie auch vonseiten der Polizeistelle Aachen rügte, trotz darauffolgender Kritik vonseiten der Demonstranten, die vor allem von polizeilicher Gewalt sprachen. Dazu aber gleich mehr. 
In mehreren Formationen, die sich als Finger bezeichneten und farblich voneinander abgrenzten, durchbrachen sie Polizeiketten, um auf das Werksgelände von RWE zu gelangen. Dort besetzte man Bagger und betrat das Gelände, um die Arbeit dort zu verhindern. Transparente wurden aufgehängt, es gab eine große Schau. Über zwei Tage lang hielt man sich dort auf. Am Ende erstattete RWE Anzeige gegen die Demonstranten wegen Hausfriedensbruchs, worüber man sich empörte. Einige Demonstranten beklagten, wie auch geschrieben, den gewaltsamen Einsatz der Polizei gegen friedliche Demonstranten, obgleich von Friedsamkeit nur schwerlich die Rede sein kann, schließlich betrat man widerrechtlich Werksgelände eines Energiekonzerns, begab sich überdies in akute Lebensgefahr, indem man nahe einer Abbruchkante verkehrte, welche 40 Meter tief ragt und nur schlecht gesichert war. Letzteres fiele aber wohl vielmehr in die Sparte der Eigenverantwortung, ohne Gefährdung anderer. Was genau hat es aber mit der Polizeigewalt auf sich? Da Livestreams in der regel recht lang sind, ist es besser, sich auch hierbei bevorzugt auf Presseberichte zu verlassen. Hierbei also auf einen Bericht der «taz» mit Verweis auf dpa-Informationen. Viel daraus filtern lässt sich leider nicht, und auch von Anzeigen gegen die Polizei war bislang nicht die Rede. Gut möglich also, dass es bei bösartigen Kommentaren auf Twitter und anderswo bleiben wird, ohne jegliche rechtliche, publik gewordenen Konsequenzen, auf die man in späterer Hinsicht hätte verweisen können. Wer sich aber sicher sein sollte, dass er oder zu hart angegangen wurde, kann selbstverständlich Anzeige erstatten; dabei wäre es nun aber auch interessant, trügen die verantwortlichen Polizisten Nummern- oder Namensschilder, da auf diese Weise eine Identifikation einfacher wäre. Personalien werden ja auch jederzeit aufgenommen, da ist man noch recht fordernd. Wieso also auch nicht ein wenig Vertrauen schaffen? 
Eine abstraktere Form der Polizeigewalt sollte sich dargestellt haben während der Einkesselung, bei der die Demonstranten von Polizisten umringt wurden, sodass kein Entrinnen gewährleistet war. Da es bekanntermaßen recht heiß war über dieses Wochenende, eine Woche vor der bekannten Hitzewelle, war es auch auf Dauer schwer zu ertragen ohne ausreichende Versorgung mit Getränken. Da die Demonstranten in Teilen womöglich nicht vorbereitet waren auf die Kombination de gegebenen Hitze mit einer Einkesselung, wurde im Internet schnell Kritik laut, dass man sie provozieren wolle, sie erniedrigen wolle bis zur Kapitulation, allen voran meldete sich dabei der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt, welcher aber später auch sanftere Töne anstieß, nachdem die Polizei auf die Kritik reagierte und die eingekesselten Demonstranten versorgte (ob dabei auch Kessel-Chips verteilt wurden, blieb unbekannt). Man muss also nicht unbedingt behaupten, dass man sie gewalttätig behandelt hätte, doch gibt es noch keine eindeutigen Beweise für irgendeine der beiden Seiten, lediglich Vorwürfe. Relevant sein sollte aber nur, was auch verifiziert werden kann. Und Demonstranten, die an einer solchen Demonstration teilgenommen haben, könnten auch durchaus Geschichten erfinden, um den Polizisten als solche ein Bein zu stellen. Sollten aber beispielsweise unverfälschte Videoaufnahmen das Gegenteil behaupten, dann sei nichts gesagt. Allein auf Behauptungen zu bauen, egal, was sie sagen, ist riskant, da man auf diese weise Gefahr läuft, einem Lügenbold in die Fänge zu laufen. Nur, weil eine Aussage überzeugend klingt, heißt es noch lange nicht, dass sie auch wahr ist. Nicht umsonst gibt es im Strafverfahren langwierige Untersuchungen mit unzähligen Anhörungen von Zeugen -- allein auf Hörensagen, Gutdünken und eigenen Erfahrungen lässt sich kein adäquates Urteil fällen. 

Noch einmal aber zurück zum Thema des Sachschadens, dieser ist von besonderem Interesse. Auch diesen bezichtigt RWE mit Recht der Demonstranten, doch auch ein Bauer, promovierter Agrarwirt, doch zu ihm später mehr. Zunächst einmal ein Blick auf RWE, denn dort leistete man sich etwas geradezu Bombastisches -- man legte an zwei Schaltkästen von Pumpstationen Brände, Personenschaden gab es glücklicherweise nicht (die «Stuttgarter Nachrichten» berichteten darüber). Das mag zunächst einmal rebellisch klingen, vor allem klingt es aber weniger nach zivilem Ungehorsam, welchem sich die Demonstrnaten von Ende Gelände verschrieben. Nun könnte man natürlich auch noch auf eine revolutionäre Ader pochen -- dass man es den Großkonzernen zeigen wolle, dass man zeige, dass man da sei. In letzter Instanz könnte man auch einfach von Rache sprechen; dass man sich für eine kaputte, zerstörte, ramponierte Umwelt rächen wollte, die Konzerne wie RWE ihnen hinterließen, während die Verantwortlichen langsam in ihre Gräber stiegen. Bis auf letzteres wäre auch ansonsten kein Verständnis aufzubringen, wobei auch in Sachen Rache eher weniger Verständnis vorhanden ist. Rache ist nichts anderes Wut -- eine Usurpation der Wut, der Emotionalität, über den Rationalitätssinn. Wenn einmal die Rache die Überhand gewonnen hat, ist ohnehin alles verloren. Was die anderen Punkte anbelangt, so sei eines gesagt: Anarchisten sagt man häufig derartige Manieren nach, neben Hausbesetzungen, Strommastsägen, das Sprühen von Graffiti, und so weiter. Sie verfolgen keinen bestimmten Zweck, wollen einfach nur für Unruhe sorgen und Ärger stiften, nichts weiter. 
Ob dahinter eine Intention steht oder nicht, das ist im Grunde völlig egal. Es ist in erster Linie Vandalismus, was dabei betrieben wird, mitunter trifft es vor allem diejenigen, die man zu unterstützen und zu "retten" sich verschrieben haben sollte, sollte man sich als Anarchist oder generell als Aktivist bezeichnen wollen. Sich einfach eine Etiquette anzuheften, sollte nicht reichen, es sollte auch klar erkennbar sein, für was man kämpft, und blinder Vandalismus, der vor allem keinen Zweck als den Vandalismus wiederspiegelt, hilft absolut niemandem, ausgenommen vielleicht dem Opfer, welches mal wieder mit dem Finger auf die bösen Linken zeigen kann, die allein an der Vernichtung des gesellschaftlichen Wohlstandes, insgesamt (in seinen Augen aber eher indirekt) seinem Privatvermögen schadet. Bevor man also Öl ins Feuer gießt, sollte man sich genauestens über die Folgen der eigenen Handlungen bewusst sein. Indirekt ist es auch dieselbe Manier, welche man während des G20-Gipfels beobachten konnte, auch wenn dabei noch weniger von tatsächlichen Linken die Rede sein kann, und dennoch -- am Ende gingen sie als Linke in die Berichterstattung ein, weil sie ähnlich uniformiert in ihren Reihen auftraten und Unschuldigen die Hölle heiß machten. Dasselbe Spiel wiederholte sich nunmehr in Garzweiler II, und diesmal liegen noch weniger Umtriebe für eine Unterwanderung von rechts vor. Stattdessen zeichnete sich ein gar scheußlich anderes Bild ab: Die Selbstgefälligkeit, im Recht zu liegen. 

Was genau ist damit aber gemeint? Ganz einfach (und hierbei kommen wir auch auf den Möhrenacker zu sprechen): Man machte Fehler während des Protests und beschmutzte damit die eigene weiße Weste. An sich kein Problem, wenn man es auch zugibt, und sich eingesteht, dass während des Protests Fehler begangen wurden, man sich deswegen schuldig fühlte und zusprach, sie nie wieder passieren zu lassen. Das taten die Initiatoren auch, über den "offiziellen" (nicht von Twitter verifizierten) Account. Man bot auch an, die Schäden zu bezahlen über Spendengelder. Von Anhängern der Bewegung selbst war wenig zu hören (wie auch «agrarheute» schrieb). Man hielt dem noch entgegen, dass ihnen das Klima wichtiger sei als sein Möhrenacker, und für RWE hatte man ohnehin noch nie viel übrig, selbstverständlich. So lautet schließlich der im linksliberalen Sektor allgemeine Gusto, sofern man etwas für das Klima übrig hatte. Verständlich. Jedoch einem Bauern anzufeinden, als ob er ihnen etwas getan hätte, ist der Abgrund jeglichen Niveaus, und mitnichten zu rechtfertigen. Ohnehin bekundete der Betroffene noch, dass es keine 300 Meter des zertrampelten Streifens einen Fußweg gab, worüber man das Ziel hätte erreichen können. Es gab also keinen Anlass, den Schaden anzurichten. Man hätte auch erwarten können, dass man sich vorab erkundigte über mögliche Fußwege, um das Ziel zu erreichen, anstatt im lemmingartigen Herdentrieb der Masse zu folgen. Auf diese Weise hätten sich etwaige Scherereien vermeiden lassen. Doch da schon zuvor deutlich wurde, dass manche unter ihnen Amateure zu sein schienen, die noch nicht einmal daran dachten, sich ausreichend mit Wasservorräten zu versorgen, da es im frühen Sommer auch heiß werden könnte, war wohl auch mit einer Planung oder einen Blick auf Google Maps nicht zu rechnen. Stattdessen die volle Ladung Selbstgefälligkeit und Genugtuung gegenüber einen unbeteiligten Dritten, der das Unglück hatte, in der Nähe des auserkorenen Tagebaus gelegen zu haben. 
Das noch am stichhaltigste Argument, welches man hätte akzeptieren können, wäre gewesen, dass es sich beim Bauern um einen AfDler handelte, wobei auch dieses auf eher tönernen Füßen steht. Warum? Nun, weil Bauer Willi auch seinen eigenen Beitrag hat. Dort schreibt er auch Beiträge, natürlich spezifisch zu seinem Beruf als Agrarwirt. Dort kommentiert er beispielsweise neue Gesetzesvorlagen für den Betrieb, aber auch Wahlprogramme der Parteien, speziell eben auf sein Berufsfeld, und was sie ändern wollen. Da entging es ihm auch nicht, einmal die AfD unter die Lupe zu nehmen, und was sie so vorzuschlagen hat zur gebeutelten Agrarwirtschaft. Nehmen wir also seinen aktuellsten Beitrag (vom 13. Juni 2019), und schauen uns an, was er so zur Partei zu schreiben hat. Dort sieht man nämlich sofort eine klare Haltung gegen die AfD, auf Bundes- wie auch auf Berufsebene. Folgendes Zitat (aus diesem Beitrag) hebt das zweifellos hervor: 
Was dieser Partei fehlt, ist ein solider und für jedermann nachvollziehbarer Lösungsansatz. Die AfD will zurück zu einer nationalen Politik, proklamiert alte Werte, droht mit dem Untergang des Abendlandes und ist im Kern menschenfeindlich und anti-europäisch. Ihre Aussagen zur Landwirtschaft sind widersprüchlich und folgen meist nur dem Zeitgeist. 
Wie auch immer man sich also vorstellen möchte, dass jemand, der solche Aussagen tätigt, der AfD auch nur nahestehen sollte.  Es entspringt wahrscheinlicher einer Stammesmentalität: Entweder bist du für uns, und erduldest insofern auch diejenigen Taten, welche sogar gegen dich gehen und dir im Kern das Geschäft vermasseln, oder aber du bist gegen uns, dann wählst du wahrscheinlich sogar unsere Feinde. Auch der Rest des verlinkten Beitrags liest sich vielmehr wie ein Plädoyer für die Demokratie als wie ein Loblied auf den starken Nationalismus, welcher klare Grenzen entlang der Karte zieht, und einen nationalen Binnenmarkt dem globalen jederzeit vorziehe. Vielleicht sollten es diejenigen, die diesem Herrn irgendwelche Schuld in die Schuhe schieben wollen, einmal lesen, vielleicht können sie dann auch noch was hinzulernen, auch wenn sie sich über alle Zweifel erhaben sehen. 
Ein weiteres Argument, womit man Recht behalten könnte, bezieht sich auf Nitratwerte im Boden, welche nicht selten weit über den gesetzlich erlaubten Grenzwerten stehen. Hierzu finden sich etwa drei Beiträge seinerseits aus den letzten beiden Jahren. Da findet sich einerseits ein Beitrag vom 04. April 2019, wo er sich wohl über die statistischen Gesetze aus Bruxelles ausließ, die das Problem nicht bekämpfen, sondern lediglich Zahlen cachiert, damit man sich am Ende aus einem Problem wie diesem rauswinden kann. Es ist streitbar, aber nun gut, wir lassen es mal stehen; ein etwas älterer Beitrag, vom 17. Januar 2017, ist da schon weitaus kontroverser, um es gelinde auszudrücken. Entgegen der landläufigen Meinung soll Nitrat eigentlich vollkommen gesund sein, und generell sei die Debatte darum viel zu überspannt und emotional aufgeladen. Zugegebenermaßen ist der Text in seiner Substanz dahingehend viel zu kurz gefasst und somit ein Pulverfass inmitten einer Schießerei. Es lohnt sich also, auch die Kommentare zu studieren, um zu sehen, was es sonst noch darüber zu sagen gibt. So liest man gleich, dass es allein die Dosis ist, die das Gift am Nitrat macht. Ohnehin müsste am Nitrat einiges dran sein, wo doch Vegetarier weitaus mehr Gemüse, welches traditionell über die Landwirtschaft angebaut wird, zu sich nehmen, und darum auch einen höheren Nitratgehalt zu sich nehmen pro Tag. Dagegen könnte aber noch sprechen, dass Vegetarier ihr Gemüse bewusster und nachhaltiger einkaufen als normale Menschen ihr Fleisch; sie achten vielleicht eher auf einen nachhaltigen und biologischen Anbau, sodass der Gülleeinsatz geringer ausfällt als in der konventionellen Landwirtschaft. 
Generell hat Bauer Willi aber Recht: Wie auch ein Beitrag des «Vereins für Unabhängige Gesundheitsberatung» (UGB) schrieb, ist Nitrat an sich -- für Erwachsene! -- unbedenklich, es bleibt dabei: Die Menge macht das Gift. Und so sollte die Landwirtschaft generell darauf erpicht sein, den Nitratgehalt, also den Einsatz von Gülle, zu verringern, damit es nicht so weit kommt, dass Menschen sich beispielsweise durch den Verzehr von Gemüse vergiften; das wäre wohl das bizarrste Paradoxon von allen: Gesunde Ernährung tötet! 
Ohne aber noch weiter im Thema auszuschweifen, sei noch einmal der Link zum FAQ des Umweltbundesamtes ans Herz gelegt. Ansonsten noch Willis dritter Beitrag zum Nitrat aus dem Jahr 2018, und dann schreiten wir auch schon voran mit dem Abschluss dieses Kapitels aus aktuellem Anlass. 

Man kann ja über Menschen vieles sagen, und sagen, was man will, solange man dabei respektvoll bleibt und auch mit den Konsequenzen der eigenen Aussagen leben kann, unter Vorbehalt der Tatsache, dass auch das Gegenüber, welches die Konsequenzen erzeugt, respektvoll bleibt. Ein respektvoller Umgang ist von eminenter Wichtigkeit im gesellschaftlichen Miteinander. Das gilt auch für Demonstrationen; gleichzeitig bedeutet es, dass eine jede Seite, und ich wiederhole: eine jede Seite, das Anrecht darauf hat, bei despektierlicher Behandlung entgegenzuwirken. Der Fokus dieser Aussage liegt dabei auf beiden Seiten: Der der Polizei, und der der Demonstranten. Solange nicht respektvoll miteinander umgegangen wird, kann auch keine der beiden Seiten ihr Ziel erreichen. Soll heißen: Wenn die Polizei nicht bloß ein massives Problem mit dem Rechtsextremismus innerhalb ihrer selbst hat, kann sie lange darauf warten, wieder der geachtete Freund und Helfer zu sein, als welchen sie sich selbst gerne sieht. Das Gesetz kann man nicht beschützen, wenn man selbst unter sich Verfassungsfeinde einstellt; genau deswegen dürfte die Polizei derzeit eine der am meisten gehassten Personengruppen sein, weltweit. Schätzungsweise. Wie dem auch sei, auch Demonstranten müssen sich respektvoll verhalten. Das bedeutet: Einsicht zu Fehlern, und keine vagen Vermutungen, die sich nicht stützen lassen, in die Welt setzen. Eines muss aber auch eingebracht werden, und dieser Punkt tanzt ein wenig aus der Reihe: Viele Menschen bei Ende Gelände sahen sich als Antikapitalisten, wahrscheinlich sogar als ein Teil jener Menschen, die auf die Revolution sinnen, um die bestehenden Verhältnisse radikal umzuwälzen. Einige mehr unter ihnen dürften ein gestörtes Verhältnis zur Polizei haben, weil sie in ihr eine Kaste von bewaffneten Rechtsextremisten in Uniform sehen, die die faschistischen Tendenzen innerhalb der Regierung beschützt, ebenso sehr die ihresgleichen auf der Straße. Gut und recht, könnte man behaupten, doch da sie es eben so sehen, müsste ihnen auch das geltende Recht ihrerseits und seitens der Polizei bekannt sein; sie müssten wissen, was die Polizei per Gesetz darf. Und genau weil sie das eben wissen, war insbesondere ihr ständiges Plädieren darauf, dass die Polizei übermäßig gewaltsam vorging, ein wenig bedenklich, da sie hierbei nicht auf die bestehenden Missstände in erster Linie aufmerksam machte, sondern sich als Opfer von Polizeigewalt stilisierte. Sie verfehlt dabei den eigentlichen Zweck ihrer Demonstration, und vor allem bedient sie damit abermals das Cliché einer digitalisierten Jugend: Dass die jungen Menschen von heute in einem narzisstischen Weltbild leben, praktisch einem heliozentristischen Weltbild mit sich selbst als den Planeten, um welchen sich alles dreht. Natürlich ist dies ebenfalls eine vage Aussage, doch im Kern, so muss man es sagen, trifft es zu. Es trifft vor allem deswegen zu, weil selten Beweise aufgeführt wurden, stattdessen wurde immerzu in einer offenen Wunde gestichelt. Natürlich wurden dutzende Verletzte vonseiten Ende Geländes gemeldet, einige leicht, einige schwer verletzt. Doch muss auch vor jedwedem Anklagen zunächst Ursachenforschung betrieben werden: Wie wurden diese Verletzungen herbeigeführt: Durch die Polizei, oder sind sie verunfallt im Gemenge der Demonstration? Wer sich als rechtschaffener Bürger für eine bessere Welt stilisieren will, sollte auch das entsprechende Benehmen vorweisen können, und sich besser verhalten als der Feind, ansonsten kann man nur schlechterdings behaupten, besser als er zu sein, selbst mit den besten Intentionen. 
Man könnte durchaus behaupten, dass hierbei eine weitere Entwicklungsstufe erreicht wurde: Nachdem man sich als Gruppe der besseren Menschen zusammenfand, muss nunmehr die Stufe des Menschen erreicht werden, welcher nicht nur die besseren Intentionen beherbergt, sondern auch generell ein besserer Mensch ist. Es steht bevor, das Erwachsen des Jesus des 21. Jahrhunderts, welcher zwar nicht die andere Wange hinhält, dafür aber als Vorbild agieren kann. Und dazu gehört eben: Gegenseitiger Respekt; das Abwägen der Vor- und Nachteile einer Handlung, bevor man sie vollführt; man stellt sich nicht selbst in den Mittelpunkt, handelt stets altruistisch; weiß, dass der Zweck nicht immer die Mittel heiligt. All das sind Dinge, die wir aus Garzweiler II mitnehmen sollten. Dringend. 

XV. Schlusswort

Um diesen Text nunmehr abzuschließen, sei noch einmal der Blick in Richtung der Proteste generell gerichtet: Kann man denn abschließend ein Urteil darüber treffen, wie Proteste einzustufen sind in der heutigen Zeit? Eine pauschale Aussage kann, wie so oft, nicht getroffen werden. In Algerien haben wir erlebt, wie viel Proteste heutzutage noch bewegen können, Auch in Ägypten - auf dem Tahrir-Platz, im Jahre 2011 - haben sie Großes bewirken können, zumindest wussten sie die mediale Aufmerksamkeit in ihrer persönlichen Diktatur zu richten. Im Nachhinein brachte aber auch ihr Protest nicht viel, bereits acht Jahre später beschloss man in einem Referendum unter geringer Aufmerksamkeit eine Ausweitung der Macht des Präsidenten al-Sisi. Selbst wenn der Protest also etwas bewirkt hätte, so hat man es in weniger als einer Dekade alles wieder über Bord geworfen. Was die «Euromaidan»-Proteste angeht, so vermag ich diesbezüglich keine konkrete Aussage zu treffen, nicht zuletzt auch aus Unschlüssigkeit, was davon zu halten war. Gegen Ende hin lief alles aus den Ruder, und letztlich entschloss man sich dazu, aus reiner Verzweiflung mit Dreivierteln aller Stimmen einen Fernsehsatiriker zum neuen Präsidenten zu wählen, und somit dem altgedienten Herrscher Petro Proroshenko eine Abfuhr zu erteilen. Man kann also an dieser - im Jahre 2019 ausgetragenen - Wahl ablesen, dass das Volk ebenso unschlüssig über seine derzeitige Situation ist. Was sagt das über Protestbewegungen generell aus? Es zeigt, dass sie im Grunde nichts mehr wert sind, solange sie kein Momentum zu erreichen wissen. 
Und in Zeiten des Informationsoverkills des Internets ist das schon lange nicht mehr so einfach. Man neigt zu schnell unterzugehen unter all den anderen Nachrichten, die das Internet zu überziehen wissen. Wer also heutzutage noch etwas bewirken will mittels eines Protests, der muss Spuren hinterlassen. Und damit sind wirklich «Spuren» gemeint. Man müsste Explosionen erzeugen, man müsste generell für Sachschaden sorgen. Die RAF hat damals schon in frühester Zeit Exempel statuiert, die beweisen, wie man nicht nur in die Geschichte eingeht (wenn auch unter den falschen Umständen; sie versagten dabei, ihre Ziele konkret zu definieren, sodass sie allein als unmotivierte Terroristen ohne Ziele und dafür mit einem verschmähenden Namen in die Bücher eingingen), sondern wie man auch die Aufmerksamkeit lenken kann: In erster Linie wussten sie ein Land in Angst und Schrecken zu versetzen, doch im Nachhinein verschreckten sie die Bürger zu sehr, weil sie eben unmotiviert wirkten. Sie nahmen Poltiiker als Geiseln, andere jagten sie in ihren Autos in die Luft. Es wirkte ziellos, weil sie keinen roten Faden besaßen. Es wirkte so, als ob sie der IS der damaligen Zeit waren. Sie wussten niemanden hinter sich zu versammeln, weil niemand Teil einer terroristischen Organisation sein wollte. Die nachfolgenden Generationen zeichneten dieses Bild anschließend nur noch weiter ab, sodass man sie beinahe belächeln wollte: Die alten Damen und Herren der dritten RAF-Generation, fast schon hätte man sie totgeglaubt. Sie sind wie die Jerry Lee Lewis' und Chubby Checkers des organisierten Verbrechens (beide leben tatsächlich noch, und spielen noch immer ihre Musik (Stand: 25. April 2019; gut möglich, dass sie zu späteren Moment bereits tot sind)): Fast hätte man sie vergessen, und dann tauchen sie doch noch von irgendwoher auf. Zurück aber zum eigentlichen Thema: Was hat die RAF falsch gemacht? Nun, sie hatte keinen plan, was sie wollte, und wie sie es wollte. Wie man es hätte verstehen können, wäre, dass sie den Wandel von innen heraus, vom Staate aus, bewirken wollten, doch selbst dann hätte sie eben den Fehler gemacht, zu glauben, dass das auf Dauer gehalten hätte. Man hätte sie übers Ohr gehauen, ihnen eine Falle gestellt, und sie festgenommen, wenn sie sich am sichersten gewusst hätten. Entweder waren sie also dumm genug, zu glauben, dass sie den Staat hätten erpressen können, oder aber sie waren dumm genug, zu glauben, dass ein dauerhafter Wandel vom Staate aus möglich gewesen wäre. Hätten sie jedoch versucht, den Staat zu erschlagen, dann waren ihre Versuche mangels weitreichender Vorausplanung fehlgeschlagen. Überdies haben sie damit diejenigen gegen sich gewandt, die sie doch eigentlich als Rote hätten für sich gewinnen müssen. Es war wie der Schusswechsel der «New IRA» mit der Polizei, der einer Journalistin das Leben kostete: Man zieht mit solchen Aktionen nicht diejenigen auf die eigene Seite, die man aber unbedingt erreichen muss, damit man siegreich sein kann: Die Bürger, die einfachen Menschen, den Plebs! Ohne sie geht es einfach nicht, sie bilden schließlich die Mehrheit. Alles steht und fällt mit den Menschen. Und wer nicht zielen kann und deswegen Unschuldige in den Tod reißt, sollte am besten keine Waffe in die Hand nehmen. Nur, weil jemand in des Feindes Reihen steht, heißt es nicht, dass es deren Mord entschuldigt. Sie (Lyra McKee) hätte auch eine Geisel sein können, dann stünde sie auch in des Feindes Reihen und hätte den Tod genauso wenig entschuldigt. Somit war die Entschuldigung insgesamt halbgar. Zurück aber zur RAF: Ihre Morde waren insofern sinnlos und darum terroristisch, weil sie keinem Muster folgten. Keinem außer, dass es eben Politiker waren, doch solange man keinen Plan hat, ist jeder Mord sinn- und zwecklos, da er einem blutigen Standby-Modus gleichkommt. Wieso also töten, wenn man es auch sein lassen könnte? Es täte der eigenen Publicity gut. 
Es gilt also: Proteste nutzen nur, wenn sie sich irgendwie von einfachen Märschen durch die Straßen unterscheiden, eben durch Sachschäden. Die G20-Proteste wussten sich genau deswegen von allen sonstigen G20-Gipfeln abzuheben, weil es eben zu furiosen Ausschreitungen kam. Eine weitere wichtige Regel ist außerdem, dass es Morde nur geben darf, wenn es keinen Unschuldigen trifft und es einem strikten Muster folgt. Morde des Mordes willen sind abscheulich, weil sie sinnlos sind. Es könnte den allergrößten Schurken auf Erden treffen, beispielsweise einen Diktator, der Massenmorde anrichten lässt gegen Oppositionelle, doch ein Mord wäre gegen ihn noch immer sinnlos, wenn der einzige Zweck ist, ihn zu beseitigen. Dahinter muss ein Plan stehen, der beschreibt, wie man die durch seinen Tod entstehende Lücke sofort auszufüllen weiß, beispielsweise durch ein Marionettenregime, wie es die USA mehrfach (erfolglos) bezweckten. Hat man keinen Plan, und denkt sich: «Erstmal töten wir ihn; was danach kommt, sehen wir dann», so fügt man den Betroffenen mehr Leid zu als der Diktator es jemals konnte. Derartig radikale Schritte sollten also nur vorgesehen werden, wenn man sich eingehends mit dem Vorgehen auseinandergesetzt hat. Für Sachschäden gelten dieselben Richtlinien: Erstens darf es keine unschuldigen treffen, und zweitens muss es vorher gründlich geplant werden, da man ansonsten mehr Feinde als Freunde auf sich zieht, und das kann niemals der Beweggrund einer erfolgreichen Revolution sein. Merke also: Auch ein wilder Aufstand will geplant sein. Allein deswegen müssen sich moderne Protestbewegung von ihrer losen Offenheit trennen, und sich besser organisieren. Schluss mit den losen Zusammenkünften, auf die jeder sich berufen kann und die, ähnlich wie ein Laufhaus, betreten und verlassen werden können. Ohne eine straffe Organisation kann es nicht funktionieren, doch heißt straffe Organisation noch lange nicht, dass man Hierarchien implementieren wolle. Es heißt nur, dass man weiß, wer Mitglied ist, und man sich untereinander austauscht, sodass man weiß, was man tut, und wer dabei welche Rolle spielt. Kommunikation ist Trumpf. Natürlich wird es mit der Kommunikation auf Dauer schwierig, je größer man wächst, und genau deswegen braucht es auch die einzelnen lokal organisierten Gruppierungen, die sich aber mit anderen lokalen Gruppierungen untereinander austauschen. Besser also, man entsendet pro Gruppierung mindestens einen Botschafter, der als Repräsentant ihre Gruppe vertritt. Das klingt zwar hierarchisch, doch nur solange er nicht demokratisch gewählt und jederzeit kompromisslos rausgeworfen werden kann unter Voraussetzung einer Dreiviertelmehrheit. Wichtig ist allem voran bloß, dass man miteinander kommuniziert, sich eben vernetzt. Auch in Zeiten des Internets ist sowas nicht unmöglich, da man immer noch verschlüsselte Netzwerke wie Telegram oder Signal hat, nebst dem kostenpflichtigen Threema. Nichts ist unmöglich, man muss lediglich den Willen dazu haben, es umzusetzen. Die Revolution sollte es wert sein. Wenn sie es einem nicht wert ist, dann sollte man es gar nicht erst anfangen und es stattdessen jemand anderem überlassen. Es ist alles OK, solange man einsieht, dass Proteste, bei denen es lediglich um ein Sehen und Gesehen-werden geht und die Maxime «Dabei sein ist alles» lautet, zum Teufel gejagt werden können. Über solche Veranstaltungen kann man auch Beiträge auf Facebook und Twitter lesen, um zu wissen, was nicht geschah, und schon hat man genug gehört. Damit erspart man sich hingegen einiges an Geld für die Fahrtkosten und obendrein Stunden über Stunden, die man produktiver einsetzen kann. Beispielsweise mit der Planung eines Protests mit Momentum. Nur als Vorschlag, versteht sich. 

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Aktualisiert am 25. Juni 2019, um 19:08 Uhr. Kleinere Korrekturen, ein Inhaltsverzeichnis, und ein ausführliches Kapitel zu den FFF/Ende Gelände-Protesten in Erkelenz. 

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