Wort zum Sonntag – 2019, KW 41

Wort zum Sonntag, den 13. Oktober 2019

In Halle in Sachsen-Anhalt ereignete sich in Anschlag, und fast schon möchte man froh sein, dass es noch so sehr die ganze Nation im Atem hält. Das bedeutet, dass sie noch nicht, wie in den USA, zur Tagesordnung gehören, sondern eine Seltenheit darstellen. Problematisch, wenn nicht sogar erschütternd, war hingegen der Kontext der Tat: Ein Mann wollte am Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag, in eine Synagoge eindringen, scheiterte daran aber. Daraufhin eröffnete er vor dem jüdischen Gebetshaus das Feuer, tötete insgesamt zwei Menschen, verletzte zwei weitere. Wie üblich nach solchen Fällen war der Furor in den Medien gewaltig, ein jeder haschte nach den neuesten Informationen, verfolgte gebannt Live-Ticker. Doch auch auf einer Metaebene gab es viel zu kritisieren.
Es war unbestreitbar eine grausame Tat, das ist nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere in einem Land, das so sehr mit seiner jüngeren Vergangenheit hadert, vor allem mit seiner Aufarbeitung und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Vor allem aber in Zeiten, wo der Rechtsextremismus auf globaler Ebene stark im Kommen ist, ist es eine umso größere Zäsur, dass an einem hohen jüdischen Feiertag ein militanter Schütze das Feuer in einer Synagoge eröffnen möchte und dies auch noch live im Internet streamen wollte. Schnell erweckt es wieder Bilder vom Anschlag in Christchurch, der es ebenso tat, dabei aber in die Moschee gelangte und dort dutzende Menschen umbrachte. Die Folge war der Plan eines staatlichen Rückkaufs von Sturmgewehren, welches sich großen Andrangs erfreute, jedoch, wie man im letzten Link lesen kann, auf Engpässe stößt. Es gab auch wieder Kritik an Twitch, wo man dabei versagte, den Stream zu unterbinden. Facebook hatte ebenfalls Probleme damit, die ganze Tat wurde ausgestrahlt. Auch hier reagierte man nachträglich prompt. Es war aber letztlich zu wenig, da der Täter trotzdem Erfolg hatte. Er hatte das Amoklaufen auf eine höhere Stufe gehoben, und das Internet zu seinem Schreckensinstrument gemacht. Zynisch gesprochen erinnern die Taten an politische Varianten des Films «Shark Night», in welchem wehrlose Unschuldige in einen See voller Haie geworfen werden, und versuchen, irgendwie zu überleben, und nicht als Futter zu enden. Dieser Kampf Mensch vs. Tier wurde ebenfalls im Internet veröffentlicht, jedoch an zahlende Kundschaft. Dem Film selbst oblag ein gewisser Zynismus, weil man wusste, dass Menschen auf derartige Szenarien abfahren, Horrorfilme wie «Saw» bauen auf einer solchen Gier nach den Abgründen der menschlichen Natur. Geht man also nicht davon aus, dass alle Zuschauer von Amokläufen tatsächlich Rechtsextreme, Antisemiten und/oder Islamhasser (oder Islamophobe; je nach dem, welches Wort sich eher in den Wortschatz der deutschen Sprache integrieren wird) waren, so müsste man davon ausgehen, dass es durchaus auch Menschen gab, die das Ganze als Actionfilm betrachteten, als eine Art Snuff-Film. Das mag alles sehr krank klingen, insbesondere in Hinblick darauf, dass die jüngste Tat noch recht nahe zurückliegt, doch muss man sich mit diesem Phänomen auch frühestmöglich auseinandersetzen, um es genauer zu verstehen. Einfach zu sagen, dass der Täter ein Rechtsextremist war, und man auf politischer Ebene handeln muss, ist alter Wein in neuen Schläuchen, und wird uns abermals nicht weiterbringen. Besser also, man legt, wenn man nicht selbst im engeren Kreis der Betroffenen verortet ist, den Schleier aus Trauer und Wut ab, und schaut die Sache einmal ganz kühl und genau an. Von denjenigen, die entweder Augenzeugen waren, oder einen geliebten Menschen dabei verloren, oder aber selbst den Jom Kippur zelebrierten (d. i. Buße taten), ist das selbstverständlich nicht abzuverlangen, und beabsichtige ich auch gar nicht, einzufordern. Das nur einmal zum Selbstverständnis. 


Journalismus

Was aber meinte ich eingangs damit, dass es auf einer Metaebene einiges zu kritisieren gäbe? Nun, es ist ein gewisses Potpourri an Vorwürfen, die zu machen wären: Beispielsweise die Eile, die man manchmal vermerkt, wenn man den Newstickern folgt, die versuchen, jedes Detail, sobald es öffentlich wird, aufzugreifen, damit man es den Lesern präsentieren kann; die Eile, die man hat, die Tat in einen Rahmen einzufügen, aus welchen Motiven der Täter handelte – es ist ähnlich der Forderung von rechts, zu wissen, ob der Täter kaukasisch aussah, oder mitunter Migrant war, der erst in einer jüngeren Generation Deutscher entstammte; und dann wieder das ewige Skandieren antifaschistischer Parolen von links – nicht, dass es verwerflich sei, immerhin müssen antifaschistische Ideale das Fundament jeder gesunden Gesellschaft von Dauer sein. Doch das andauernde Beschallen mit solchen Parolen spaltet die Gesellschaft nur und erreicht nicht die Ziele, die es eigentlich erreichen will. Dazu aber später mehr, erstmal der Reihe nach, angefangen mit dem ersten Vorwurf: Dem Sprint um die Informationen. 
Es ist dabei keineswegs der Presse selbst vorzuwerfen, da die Presse nicht länger bloß ein sozialer Dienst an den Menschen ist. Man möchte natürlich meinen, dass ein jeder Mensch in einer demokratischen Nation ein Anrecht auf Informationen hat, um sich selbst informieren zu können, informiert zu bleiben, und sich eigenständig, autonom eine Meinung zum Weltgeschehen innen und außen zu bilden. So weit, so klar. Das Problem ist nur, dass dieser soziale Faktor nicht darüber hinaus bedeutet, dass das Gewerbe, welches dieses Grundrecht bewahrt und erwirkt, auch frei von allen Beschwerden des Marktes fungieren kann. Zwar besagt der Markt von sich selbst aus als Instrument, welches von selbst wirkt, dass all jene überleben werden, die eine Nachrage erfüllen, die daraufhin wieder nachgefragt werden. Sprich: Wer sich profilieren und einen beständigen Kundenstamm aufbauen konnte, wird auch überleben. Diejenigen, die in die Bedeutungslosigkeit fielen, stärben demnach aus, sodass der Sozialdarwinismus, oder Darwinismus der Geschäftstreibenden, eine selbstheilende Wirkung der andauernden Effizienz offenbare. 
So weit die Logik: Das Problem ist nur, dass Informationen als Grundrecht generell kein Preisschild anhaften sollte, was im Gegenzug bedeute, dass die Presse als gemeinschaftlicher Apparat nur bedingt Möglichkeiten habe, irgendwie Geld mit ihrer Arbeit zu verdienen. Allgemeine Meldungen öffentlichen Interesses, die zum Verständnis der Tagespolitik nötig sind, dürfte man nicht hinter Bezahlschranken verschließen, da dadurch das Grundrecht beschnitten würde. Blieben also nur noch unabhängige Produkte aus Eigenarbeit über, die man dahinter verschließen könnte. Da diese aber nicht unbedingt auf gesteigertes Interesse stoßen dürften, sondern nur diejenigen interessieren dürfte, die auch tatsächlich ein Faible für Politik und Wirtschaft haben, sind Pressehäuser nicht selten gefährdet. Das spiegelt sich insbesondere wieder im Lokaljournalismus: In Deutschland war es so weit, dass der DuMont Buchverlag GmbH und Co. KG zwei Berliner Tageszeitungen – die Berliner Zeitung und den Berliner Kurier – abstieß, da sie für ihn einfach nicht rentabel waren. Immerhin fand die Berliner Zeitung alsbald einen neuen Inhaber, ein Unternehmerehepaar. Dass es aber überhaupt so weit kommen musste, sollte aber zu denken geben. In den USA ist es dabei aber auch ein wenig großflächiger angelegt, die gesamte Problematik: Dort herrscht im Lokaljournalismus ebenfalls eine existentielle Krise, doch sind dort bereits die meisten lokalen Zeitungen, sofern sie nicht länger auf eigenen Beinen stehen können, aufgekauft von Großkonzernen im Bereich der Berichterstattung. Diese aber können – ironischerweise – teils selbst auch nicht mehr alleine stehen, sodass sie fusionieren müssen. Es zeigt nur, wie bedroht der Journalismus bereits ist, wie sehr ihm die Kommerzialisierung zusetzte. 
Kann das auch in Deutschland passieren? Zumindest augenscheinlich scheint nichts Derartiges zu passieren. Demgegenüber sprach ich bislang auch nur vom Lokaljournalismus, welcher an Lesern verlor, weil die Menschen sich auch immer mehr von ihrer ursprünglichen Heimat distanzieren, um sich urbaner, kosmopolitischer zu stilisieren. Die öde, ländliche Heimat wird zurückgelassen zugunsten der großen weiten Welt. Im Gegenzug müsste das also bedeuten, dass die großen Nachrichtenseiten, die großen Zeitungen und Agenturen florieren müssten. Wollte man das aber analysieren, würde es schwierig, immerhin hat man es heutzutage auch im Journalismus mit dem Internet zu tun, wodurch das Angebot sich nicht länger auf die Verkauf einzelner Zeitungen in Supermärkten und Kiosken und Abonnements konzentriert, sondern man auch die Klickzahlen auf der hauseigenen Webseite hat, mit Digital-Abos, ePapers, etc. Die Verkaufszahlen können also noch einen gewissen Ausschlag darüber geben, wie gut es einem Verlagshaus geht, doch ist es kein so simpler Indikator mehr. Immerhin können die Abozahlen auch rückgängig sein und das Haus steht dennoch nicht am Rande der Insolvenz. 
Leider waren mir die exakten Entwicklungsdaten bis zur Zeit des Schreibens dieses Textes nicht zugänglich, doch geben «Meedia» und das «Katapult-Magazin» zumindest Aufschluss darüber, wie es bislang um die Entwicklung der größten deutschen Pressehäuser im Rahmen der politischen Berichterstattung, Analyse und Kommentatur/Debatte steht, und die Zahlen dürften freilich erstaunen: Bis auf die BILD haben alle größeren Zeitungen (es ist vielleicht doch mit Vorsicht zu behaupten, dass es die Verlagshäuser selbst wären, die entweder an Auflage verlören oder zunähmen, da manche Zeitungen nicht das einzige Blatt sind, welche dort verlegt werden. Ein Beispiel wäre dabei schon die BILD, welche auch die B. Z. und die BILD am Sonntag innehat). Die BILD verlor um fast 10 Prozent (9,7), der Stern verlor sogar 11,3 Prozent. Generell scheint das Bild ein gebrochenes zu sein, zwischen hohen und niedrigen Verlusten, und niedrigen und hohen Zunahmen (das Katapult-Magazin nahm außerordentlich zu, was aber der zugegebenermaßen geringen Leserschaft geschuldet ist). Wenig überraschend ist auch die Erkenntnis aus dem Magazin, dass die BILD auch den mit Abstand höchsten Stapel an Rügen vonseiten des Presserats ist, immerhin baut sie nahezu ausschließlich auf Skandalen, Kontroversen und Grenzgängen entlang der Straffälligkeit, bei gleichzeitig geringfügigem journalistischem oder informativen Mehrwert. Das schwarze Schaf der Printmedien ist zugleich auch ein seit Jahrzehnten anhaltender Kassenschlager. 
Meedia konnte obendrein noch einmal hervorheben, wie schlecht es den lokalen Nachrichtenzeitungen geht, und erwähnte anbei auch noch einmal den herben Verlust von 11 Prozent bei der Berliner Zeitung und 12 Prozent beim Kölner «Express», welcher vor allem durch eine der BILD ähnlichen Strategie der Kontroversen und lautmalerischen Titelzeilen auffällt. 
Man kann also sagen, dass die größten Nachrichtenzeitungen und -magazine wohl keine Probleme haben – dazu zählen in Deutschland eben der SPIEGEL, die FAZ, die ZEIT –, haben es kleinere Zeitungen, darunter auch die spezialisierteren wie das Handelsblatt mit seinem Fokus auf die Wirtschaft; der Freitag, welcher vor allem als Debattenmagazin fungiert, ähnlich wie der «European»; die «taz» als dezidiert linksliberale Zeitung mit entsprechender Leserschaft. Sollte sich ein Trend gen weiterer Kommerzialisierung und härterem Wettbewerb wegen kostenlosen Anbietern von Nachrichten, so könnte das schlussendlich zu einer Ausdünnung der Medienlandschaft führen. Die Folge wäre die Reduktion zum Oligopol, einem Wurst-Käs'-Szenario für die deutsche Presselandschaft, und ein Armutszeugnis für die Pressearbeit überhaupt: Die Hoheit der Berichterstattung, die eigentlich nie eine solche sein sollte, läge in den Händen einiger weniger Häuser und ihrer Chefredakteure, von denen mindestens einer Julian Reichelt wäre. Eine solch dystopische Gesellschaft will man sich aus guten Gründen nicht vorstellen: Menschen steht es zu, mit Sicherheit Nachrichten lesen zu können, von denen sie mit Sicherheit wissen, dass sie nicht nur gut recherchiert sind, mit allen Details, die sie sich wünschen und auch lesen wollen, sondern eines sind: Wahr. Fake News, also gezielte Falschnachrichten, sind im Internetzeitalter eine zunehmende Gefahr, für die es Journalisten und Faktenchecker braucht, die sie entlarven. Natürlich wird es auch immer diejenigen Menschen geben, die sogar diese entlarvten Nachrichten glauben werden, doch müssen sie um jeden kleingehalten werden. Das ist schlichtweg nicht mehr möglich, wenn am Ende die Chance besteht, dass gezielt sogar von den Nachrichtenübermittlern des eigenen Vertrauens Falschnachrichten gestreut werden. Wer aber sollte sowas bemerken, geschweige denn nachweisen können, wenn es am Ende praktisch keine glaubwürdigen Institutionen mehr gibt? Höchstens noch die Freelancer unter den Journalisten, die keiner Institution angehören, und immer woanders arbeiten, mitunter auch produzieren und ihre Arbeit weiterverkaufen an ebenjene Institutionen. In einer Dystopie des Nachrichtenoligopols würde es für sie eng, wenn sie sich nicht an die Lüge verkaufen, praktisch ihre Seele in einem mephistophelischen Pakt an die finanzielle Sicherheit verkaufen. Für Lügen gibt es Geld, die Wahrheit geht betteln. Ihre einzige Chance wäre höchstens noch, selbst einen Blog zu unterhalten, in welchem sie ihre Arbeit an die Öffentlichkeit übermitteln und von Spenden leben, wie es bereits einige erfolgreich machen. Solche Mittel des Erhalts der Wahrheit sind insbesondere in Ländern unter autokratischen Regimen von essentieller Wichtigkeit, wenngleich man auch aus fortschrittlicheren Ländern heraus Hilfestellungen leisten kann: Schaut man sich beispielsweise an, was «Radio Free Europe/Radio Liberty» von den USA aus leistet, welches es sogar schaffte, von der ungarischen Regierung beachtet/verachtet zu werden, oder «Polygraph.info», welches vor allem dafür bekannt ist, die Aussagen russischer Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens unter die Lupe zu nehmen, so sieht man, dass es nicht allein an den Menschen vor Ort hängen bleiben muss, ihre Herrscher zur Verantwortung zu ziehen für das, was sie tun und sagen – man kann auch Beihilfe zur guten Sache leisten. 

Nun ist Deutschland aber glücklicherweise kein autokratisches Regime (Nein, ist es nicht!), sodass wir nicht auf die Hilfe der USA angewiesen sind, zu beweisen, dass wir in einem solchen Regime lebten, und vielleicht ist auch diese ganze Beschreibung der deutschen Medienlandschaft ein wenig überzogene Schwarzmalerei, doch reicht schon manchmal eine kurze Recherche zu den tagesaktuellen Ereignissen, und man merkt, dass die Auswahl insgesamt gering ist: Man sieht die üblichen Vertreter wie den SPIEGEL, die ZEIT, die FAZ. Darauf folgen wohl noch T-Online, Web.de als bizarre Eindringlinge, wahrscheinlich tauchen auch die Tagesschau und das ZDF auf. Darüber hinaus aber? Wohl nicht mehr viel. Die Lokalzeitungen, die es wagten, ihren Onlineauftritt auszubauen, um sogar auf der ersten Seite bei Google aufzutauchen, drucken in der Regel auch nur Pressemitteilungen und Agenturmeldungen ab, somit relativ unspektakulär. Schaut man hingegen über den großen Teich, so ist die Auswahl dort noch immer weitaus üppiger, umfangreicher, vielfältiger. Vor allem zeichnet sich dort ab, dass die Zeitungen insgesamt auch ideologisch vielfältiger ausgebaut sind, sodass man auch die Auswahl hat, ob man nicht doch auch mal Meldungen hören möchte, die nicht unbedingt ins eigene Weltbild passen. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie partout Falschnachrichten sein müssen, aber es ist nun mal so, dass man vielleicht etwas verpassen kann, was vielleicht die eigenen favorisierten Politiker in ein schlechteres Licht rücken könnte. Beispielsweise würde man in einer Zeitung, die tendenziell links steht, seltener Negatives über Politiker der Grünen oder der Linken lesen, häufiger aber dafür in Zeitungen, die tendenziell rechts stehen (als Beispiele: der SPIEGEL, welcher eher links steht, und die Neue Zürcher Zeitung, welche eher rechts steht). Zwar kann man in der deutschen Presselandschaft durchaus solche Abgrenzungen ziehen, doch sind sie nur sehr vage, weil doch alles im Großen und Ganzen einen sehr neutralen Weg geht. Keineswegs ist das ein Malus, das wäre fatal! Doch bedeutet das, dass die Inhalte sich stark gleichen, bis zur absoluten Gleichheit. Selten findet man irgendwo etwas exklusiv, nirgendwo findet man viele Nachrichten, die jenseits des Allgemeinstem liegt, was man wissen muss, um zu wissen, was konkret geschieht. 
Wahrscheinlich runzeln bei einigen schon die Stirnfalten, weil man nicht versteht, worauf ich hinaus möchte. Man erlaube es mir also, einmal mehr auf die USA zurückzukommen: Dort gibt es natürlich mit Trump das Rampenlicht des täglichen Spektakels, das nicht sein dürfte, doch auch über ihn hinaus wird in der Politik reichlich gearbeitet. Der Kongress ist nicht allein mit ihm beschäftigt, sondern auch mit der Arbeit um ihn herum, beispielsweise mit Verordnungen zur Sicherheit bei Wahlen, für sauberes Trinkwasser, etc. Über all das wird natürlich berichtet, damit die Menschen davon erfahren können. In Deutschland hingegen suche man solche Meldungen wahrscheinlich vergeblich, in der Regel geht es doch nur um die allgemeine Regierungsarbeit. Fast schon möchte man meinen, dass außer der Regierung niemand im Berliner Reichstag arbeite (wir ersparen uns billige Witze darüber). Man sollte meinen, dass auch die Opposition betriebsam wäre, doch scheint sie es nicht so. 
Man könnte natürlich auch davon ausgehen, dass es auch an einem selbst läge, dass man eben recherchieren müsse, um zu erfahren, was noch abseits des tagtäglichen Regierungsgeschäfts geschieht. Oder man muss sich eingestehen, dass Deutschland tatsächlich so eingängig und dröge ist, was sein politisches Geschäft angeht, während die USA sich so spektakulär in der Politik präsentieren, wie sie auch sind; praktisch wie die «Fête de la Chanson» in Frankreich 2014. 

Alles in Butter also, und von meiner Seite bloß urdeutscher Pessimismus? Ja und nein, würde ich sagen. Deutschlands Presselandschaft ist (noch) nicht am Rande der Verödung angelangt, aber es gibt eben auch Entwicklungen in die falsche Richtung, wie kürzlich auch bei der SWMH Holding, zu der auch die Süddeutsche Zeitung gehört, eine von Deutschlands größten überregionalen Tageszeitungen, vergleichbar mit der FAZ. Natürlich sagt man, dass man einerseits einsparen möchte, um anderswo zu investieren, doch ist insofern der begriff der Investition irreführend, da durch diesen Begriff suggeriert wird, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, was aber nicht zwingend der Fall ist, da man schließlich anderswo auch beschneidet. Von einer Redirektion sollte vielmehr die Rede sein, man leitet bereits zur Verfügung gestelltes Geld um, und zwar in den Digitalbereich, welcher früher oder später die alleinige Zukunft sein wird. Das gilt natürlich für alle Zeitungen. Die Frage ist nur, wie sich auch die anderen Zeitungen darauf vorbereiten werden. Nicht allein wegen ihrer Performanz auf dem Digitalmarkt, sondern auch, wie sie dadurch ihre Journalisten und Redakteure allesamt bezahlen werden, wo doch ein Großteil des Angebots notwendigerweise kostenlos sein muss, allein durch Werbung und Klicks auf Links finanziert. Auch wenn man vor allem Menschen zu Abonnements bewegt werden müssen, kann diese Sparte nicht länger Verdienst für Häuser sein. Hierbei könnte ein Mehr an Spontaneität und Flexibilität vonseiten der Anbieter hilfreich sein, wie es in den USA ist. Wie ich einmal auch im Deutschlandfunk in einem entsprechenden Beitrag hörte, ist es in den USA gang und gäbe, dass man bei Zeitschriften ein Abonnement abschließen und jederzeit wieder kündigen kann. Hat man bereits den Beitrag für einen Monat bezahlt, steigt aber mittendrin aus, so erhält man die verbliebene Summe zurück. In Deutschland hingegen ist das bei den meisten Medien weitaus komplizierter: Hierzulande muss man bereits circa zwei Monate vor Beginn der nächsten Frist kündigen, oder halt abwarten, bis man wieder aussteigen kann. Von Flexibilität – keine Spur. So überlegt man es sich natürlich zweimal, ob man auf die exklusiv für Abonnenten bereitgestellten Inhalte nicht doch verzichten kann. 
Man sieht also: Es besteht der Bedarf nach Umstellungen in der Medienbranche Deutschlands, doch ist, wie man dem Text entnehmen kann, nicht alle Schuld bei den (vermeintlichen) Opfern zu suchen ist. Es ist ein teils-teils, sozusagen. 


Der zwanghafte Zwang der «besseren» Meinung

Der zweite Punkt, den ich eingangs erwähnte, ist das schnelle Aufflammen der linksliberalen Gesellschaft, die beweisen will, dass das, was kürzlich in Halle widerfuhr, nicht das gesamtgesellschaftliche Bild wiederspiegelt. Immerhin: Nach der Vertreibung und massenhaften Ermordung der jüdischen Gesellschaft in Europa, der Flucht der Juden nach Palästina und in die USA, möchte man ihnen beweisen, dass nunmehr die Zeit gekommen ist, in welcher sie hier wie alle anderen auch leben können. Die Zeit der Diskriminierung, Gängelung und Verfolgung soll endlich ein Ende haben. Nur gestaltet es sich alles nicht so einfach, und so werfen Verbände wieder die Frage auf, ob es in Deutschland für Juden tatsächlich sicher ist, oder ob sie nicht doch lieber alle nach Israel auswandern sollten. 
Mein Fokus soll in diesem Absatz nicht aber auf der Frage liegen, ob Juden in Deutschland sicher leben können, immerhin hängt das auch mit der Frage, mit der ich mich hierbei beschäftigen möchte, zusammenhängt: Ist es denn der Besserung, der Einigung der Gesellschaft zuträglich, immerzu zu propagieren, dass diese Gesellschaft antifaschistisch ist? Dass man andauernd gegen die AfD schießt, gegen rechtsextremistische Strömungen und Taten? Ist dieses andauernde Fokussieren und das andauernde Skandieren dagegen sinnvoll, oder eher kontraproduktiv? 
Wahrscheinlich ist es sinnvoll, diesen Standpunkt zunächst ein wenig zu elaborieren. Ich meine damit nicht den Kampf gegen den Rechtsextremismus selbst, das wäre schließlich verwerflich und von inhärenter Schlechtigkeit. Der Kampf ist selbstverständlich richtig und wichtig, wenn man eine gesunde Gesellschaft erhalten möchte. Die Frage ist nur, wie man den Kampf am besten führt, um das Ziel zu erreichen. Die glücklichste Fügung, wohl aber auch die utopischste, ist wohl ein Wandel der Gesellschaft in Richtung des Antifaschismus und der staatenlosen Einigkeit mittels rationalem Denkens, also der Wandel durch die argumentative Überlegenheit. Sozusagen auf eine Weise, wie es die Philosophen und Sozialwissenschaftler Émile Durkheim und Jürgen Habermas erdachten, mittels des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments. Da es aber eben nahezu utopisch ist, kann man es auch in diesem Kontext erst einmal ausschließen, es genügt Raum dafür andernorts. 
Bleibt also die Frage: Wie kann man den Kampf gegen den Rechtsextremismus sinnvoll ausführen? Die Antwort: Nicht so, wie es bisher geschieht. Haha, aber im Ernst: Wie? Es ist natürlich wichtig, einen allgemeinen Kontext zu induzieren, und der muss unter gegebenen Umständen lauten, dass die AfD als Bundespartei aus dem Bundestag entfernt werden muss, auch wenn vielleicht noch einige letzte Moderate dort vertreten sind. Es ist fragwürdig, was sie in dieser Partei noch zu suchen haben. Sie sollten es besser wissen, in welchem Sündenpfuhl sie sich befinden. Wenn sie es nicht besser wissen, sollten sie sich fragen, welche tagespolitischen Standpunkte sie persönlich vertreten, und inwieweit diese, wenn überhaupt noch, mit einer pluralistischen Gesellschaft vereinbar sind. Es müssen natürlich viele, möglichst viele, Meinungen möglich sein; nach Möglichkeit sollten keine ausgeschlossen werden, um zuvor benannten Pluralismus mit verbündeten Kräften zu bewahren. Das Problem ist lediglich, dass es auch genügend Meinungen gibt, die schlechterdings nicht mehr als solche klassifiziert werden können, weil sie brandstiftend und spaltend wirken; sie scheuchen auf gegen andere Menschen, insbesondere Minderheiten, oder aber gegen Frauen. An anderer Stelle merkte ich bereits an, dass es kein Pardon und keinen Mittelweg geben kann: Entweder ist man antifaschistisch, dann wirft man die AfD aus dem Bundestag, auch aus der Opposition. nirgendwo darf sie mit ihrer derzeitigen Besetzung Fuß fassen können im Regierungsapparat. Ich habe aber auch schon einmal betont, dass es auf Landes- und Kommunalebenen zumeist anders zugeht bei der AfD, dass man durchaus die bürgerlich-konservative Partei geben kann, ohne dabei verlogen, heuchlerisch oder nach Etiquettenschwindel zu riechen. Hierbei kommt mir wohl der Fall des AfD-Stadtverbands Ettlingen (nahe des Schwarzwalds) nicht gerade entgegen: Dieser fiel durch einen mehr als bedenklichen Facebook-Beitrag auf, welcher dazu führte, dass man ihn meldete und Facebook die Seite schließlich abschaltete. Hierauf hat sich schließlich der AfD-Ortsverband Bretten (Baden-Württemberg) zu Wort gemeldet und Stellung dazu bezogen. Worauf ich hinausmöchte, ist, dass es natürlich auch in Ortsverbänden und auch in Kreisverbänden schwarze Schafe gibt, die der Bundespartei gewissermaßen ähneln, und natürlich ist der Ton rau und teils auch verroht, das bedeutet aber nicht, dass die Partei von Kopf bis Fuß verdorben und verrottet ist. Es hat gute Gründe, dass man faktisch nur über Bundestagsabgeordnete spricht, wenn es um die AfD geht, nie aber um Gesichter aus den niedersten Ebenen der deutschen Politik. Sie sind bei weitem nicht so verantwortungslos und kurzsichtig in ihren Ansichten, wie sie es ganz oben sind. 
Wie aber gesagt habe ich das in den anderen beiden Texten abgefasst. Wer wissen möchte, wie ich dabei denke, kann es dort nachlesen. Hier soll es darum gehen, wie es damit zusammenhängt, dass wir derzeit diese faschistischen Tendenzen und Individuen falsch bekämpfen und ihnen dadurch eher noch Zulauf und Erfolge bieten. Ich habe in diesen Texten geschrieben, dass es einfältig ist, es den Bundespolitikern zu überlassen, sie zu beseitigen. Die Beseitigung faschistischer Tendenzen muss zu jeder Zeit von den Menschen außerhalb der Regierungsgebäude geschehen; Politiker selbst, allen voran diejenigen in rein demokratischen Systemen, haben sich noch nie dadurch hervorgetan, schnell und effektiv zu handeln. Das Gegenteil war umso häufiger der Fall. Es begann bereits damit, dass man die AfD selbst nach ihrem massiven Rechtsruck gewähren ließ. Man wollte zeigen, dass eine Demokratie durchaus wehrhaft sein kann, und sich sogar ihre Nemesis, entsprungen in den Jahren '33 bis '45, mittels ihrer gegebenen Waffen und Werkzeuge schlagen kann. Das Resultat: Umfragewerte von durchschnittlich 13,75 Prozent (die letzten Umfragen waren jeweils vom 10. und 08. Oktober; nachsehen lässt sich das hier, sofern bis dahin nicht neue Umfragen bereits erschienen und dieses Ergebnis entsprechend verzerren). 
>> Es gehört aber auch zu ihrem Format, dass man sich in der Gesellschaft darauf verständigte, praktisch die Mittel des Feindes zu adaptieren, um ein vorhersehbares Resultat zu erhalten: Eine gespaltene Gesellschaft, die sich nicht mehr reparieren lässt. Eine Gesellschaft, die zutiefst gespalten ist. Man sagte geradeheraus: Kein Mensch ist illegal! – wir können keine Menschen abschieben, stattdessen muss Deutschland noch weitaus mehr Flüchtlinge aufnehmen, wenn andere EU-Mitgliedsstaaten sie nicht aufnehmen werden. Sie dürfen keine Spielbälle der diplomatischen Verrisse werden. 
>> Es ist auch nicht mit anzusehen, wie wir aufgrund des Wirtschaftswachstums diesen Planeten opfern. Darum lautet die Devise von links im Gesamtverbund: SUVs müssen eingedämmt werden, Massentierzucht und Fleischkonsum müssen eingedämmt werden, da sie den CO2-Ausstoß in die Höhe treiben. Wir brauchen außerdem noch viel mehr Windräder, dafür weniger Atomkraftwerke und Kohlekrafterke. Weg damit! Alles Drecksschleudern sondergleichen. 
>> Der Wohnraum in den Innenstädten wird knapp, entsprechend tun wir gut daran, Wohnungsbau- und Immobilienkonzerne auf der Stelle zu verstaatlichen, damit die Mietpreise nicht noch weiter in die Höhe gehen. Wohnraum ist Menschenrecht, und das setzen wir jetzt auch durch! 
>> Das Logo der Antifa (gemeint sein soll damit die Kombination aus sich überlappender roter und schwarzer Flagge in kreisrunder Umrandung, worin Antifaschistische Aktion steht) sollte auch im Bundestag zu tragen erlaubt sein, der Antifaschismus ist schließlich ungleich dem autonomen Block, welchen man vor allem bei Anti-G20-Demonstrationen sieht. Alle Demokraten müssen auch unweigerlich Antifaschisten sein.  
>> usw. 
Es sind solche Forderungen, die die gesellschaftliche Spaltung mit ihrem rechten Flügel vorantreiben, auch wenn ich selbst nicht gegen alle Forderungen etwas habe, viele von ihnen haben zumindest diskutable Ansätze. Doch manche von ihnen sind eben bewusst radikal und darum auch bewusst ausgewählt worden für den gesellschaftlichen Mainstream. Das Problem ist auch nicht einmal zwingend, dass man manche dieser Punkte – beispielsweise die Enteignung von Konzernen – überhaupt in den Mainstream hievte. Vielmehr ist da Problem einfach, dass man es so vehement und mit Selbstgefälligkeit verteidigt; man vertritt nicht bloß den Standpunkt, dass dieser Punkt gut und recht sei, sondern, dass er unabdingbar richtig und durch nichts zu widerlegen ist, dass es überhaupt indiskutabel sei, darüber zu verhandeln. Rock or bust! – entweder bist du dafür, oder du liegst falsch. 
Zwar brauchen wir für eine funktionierende Debatte immer mindestens zwei kontradiktierende Pole, ansonsten wird es nichts. Und natürlich ist es für beide Seiten wichtig, von sich und ihrem Standpunkt überzeugt zu sein. Wie aber soll man debattieren können, wenn man, sobald man praktisch keine Argumente mehr hat, sich nur nur darauf versteht, einfach im Recht zu liegen, weil es halt so ist? In der Regel sind Debatten wie ein Schachspiel: Man kann in der Regel zu einem Schachmatt kommen, wenn man nicht ab einem bestimmten Punkt entweder aufgibt oder sich auf ein Unentschieden verständigt. Es kann aber auch zu Momenten kommen, in dem sich eine Seite so dermaßen verrannt hat, dass man entweder in einem Patt feststeckt, oder es zu einer dead Position kommt, also beide Könige sich noch bewegen können, sich jedoch nicht mehr genügend Figuren auf dem Spielfeld befinden, um das Spiel zum Ende zu bringen. Dieselben Situationen kann es auch in Diskussionen geben: Man kann entweder sein Gegenüber ins Matt setzen auf argumentative Art und Weise, oder aber erschlägt das gegenüber mit einem Beil verrennt sich ebenfalls und stellt fest, dass man einander keinen Konsens findet, der grundsätzlich genug wäre, um in letzter Instanz einen Kompromiss zu finden (sehr zum Leidwesen von Ernst Busch). Das wäre dann entweder die Kapitulation (das Aufgeben) oder das Patt, je nach dem, wie man sich trennen wird: Im Streit, oder in der glückseligen Erkenntnis. 
Eine selbstgefällige Haltung von oben herab ist hingegen ein Indikator dafür, dass man sich nur im Streit trennen wird. Zielführend ist es aber dennoch nie, dabei gibt es aber sogar zwei Möglichkeiten, sich auf diese Weise zu geben: Prophylaktisch, um den ersten Schritt in Richtung einer Filterblase zu tun. Oder mittendrin, in dem Fall trennt man sich eben im Streit, ohne zuvor das Gespräch beendet zu haben. Der Grund, um das zu erreichen, ist mittlerweile verseucht, ähnlich wie in Böden, die zuvor über lange Zeit hinweg Pestiziden ausgesetzt waren. 

Ich will hiermit auch, um nicht irgendwelchen Leuten auf die Füße zu treten, behaupten, dass es allein Linke wären, die Andersdenkende von oben herab behandeln, das wäre falsch. Natürlich geschieht dasselbe auch rechts. Nicht unbedingt bei Rechtsextremen, diese diskutieren allenfalls unter sich, niemals aber mit Andersdenkenden. Wäre dem so, wären sie auch weniger schlecht. Zwar immer noch schlecht, aber auf dem Weg der Besserung. Doch auch Rechtsliberale verhalten sich häufig so, obwohl sie durchaus anlagen dazu hätten, sich besser zu verhalten. In Zeiten des Internets bringen aber alle ideologischen Fraktionen nur das schlechteste aus sich hervor, sehr zum Leidwesen ihres Denkens. Dadurch sich aber nur noch die wenigsten dazu veranlagt sehen, sich mit politischer Philosophie auseinanderzusetzen, oder sich überhaupt mit Literatur, Politik- oder Wirtschaftswissenschaften oder der Philosophie zu beschäftigen, hat sich die Welt im Netz mehr und mehr zu einem erbitterten Schlachtfeld jeder gegen jeden entwickelt, und nicht zur verheißungsvollen Zwischenwelt, in der jeder mit jedem friedlich miteinander kommunizieren kann, um sich fortzubilden, zu informieren und Meinungen auszutauschen. Stattdessen erhob sich jeder zunächst im eigenen kleinen Königreich auf seinen oder ihren Thron, verwarf die altehrwürdige Tugend der Selbstreflexion, und hetzte Heerscharen auf jene, die es wagten, zu behaupten, dass der König nackt sei. Infame Behauptungen werden mit der Enthauptung geahndet! (Wahlweise genügen auch Shitstorms und Boykottaufrufe)
Menschen in der Bernauer Straße in Berlin 
(Image by Thomas Ulrich from Pixabay)
Ich gebrauche hierbei keine Übertreibungen, meine Aussagen können genauso stehen bleiben. Ein anderes Problem konnte aber hierdurch noch hervorgehoben werden: Totschlagargumente. Es gibt sie, wie praktisch alles, auch hier auf beiden Seiten, aber diejenigen, welche man von rechts gegen links hört, sind bekannter, weil sie lächerlicher sind, in entschärfter Form (vom Cliché aus) aber durchaus auftreten. Nicht selten wird frühestmöglich behauptet, dass man mit der AfD und ihrem gefährlichem Gedankengut kokettiere, wie man das Problem, welches sie darstelle, relativieren wolle. Unterschwellig versucht man, sofern sich die Möglichkeit bietet, den Konsens zu bereiten, dass die AfD aus dem Weg geräumt werden müsse, und dass alle Migranten ein Recht auf Asyl haben. Letzteres schließe ich auch keineswegs aus, und ich möchte auch nicht bestreiten, dass die AfD auf Bundesebene ein immanentes Problem darstellt. Das ist auch nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass man dazu bereit sein muss, aus der eigenen Komfortzone herauszustreten, und neue Gefilde zu erkunden. Welche, auf die man noch keine Antworten nach dem Schema F parat hat, und in denen man vielleicht auch Zugeständnisse machen muss, weil man tatsächlich falsch lag. 
Das aber ist heutzutage so scheint es, und wieder auf beiden Seiten, dass es heutzutage nicht länger als Tugend und als Zeichen von Höflichkeit, Respekt und Normalität (ja, auch das) gilt, zuzugeben, dass man falsch liegt, sondern als Schwäche. Es würde zumindest in die allgemeine Feststellung, dass wir alle immer mehr in Wettbewerbe getrieben werden und darum eine Ellbogengesellschaft herausbilden, passen, und obendrein eine einfache Antwort auf ein drängendes Problem präsentieren. Das Problem selbst ist dabei kein unbekanntes Phänomen, und wird, zumindest in meinen Augen, zu selten behandelt. Es darf keine Schande sein, zuzugeben, dass man mit etwas falsch liegt. Wenn man einen Standpunkt auf Biegen und Brechen verteidigt, obwohl man weiß, dass man auf verlorenem Posten steht, wirkt das keinesfalls ehrenhaft, und man benimmt sich dabei auch nicht wie der letzte Violinist auf dem sinkendem Schiff, sondern benimmt sich hingegen wie ein quängelndes Kleinkind, welches partout nicht schlafen will, obwohl es weiß, dass es, wenn es jetzt nicht schlafen geht, morgen todmüde sein wird. 
Das Problem (obwohl es auch recht amüsant ist): Die meisten Menschen sind noch einmal nicht unfähig, Geständnisse einzugehen. Innerhalb ihrer eigenen Kreise tun sie das auch durchaus, wenn sie sehen, dass sie falsch liegen, doch auch nur, weil sie wissen, dass das von ihnen vollbrachte Eingeständnis nicht allzu gewaltig ist, am Ende kann man doch noch immer etwas, was ihrem Standpunkt gleich- oder nahekommt, vertreten. 
Im Umkehrschluss bedeutet das also: Im eigenen ruhigen Zirkel voller Gleichgesinnter diskutiert es sich wohler als in der Konfrontation mit jemandem, der einem wahrscheinlich in jedem zweiten Punkt widerspräche, wodurch es dabei also Gesprächsbedarf gäbe. Der Gesprächsbedarf insistiert aber bereits die Not nach Kompromissen. Was früher dabei gang und gäbe war in gemeinsamen Gesprächen, kann heute als gefährdete Art, als Rarität, erachtet werden. Grund dafür ist vor allem die Tatsache, dass es rechts heutzutage praktisch kaum mehr moderate oder streitbare Individuen gibt. Stattdessen ist der rechte Flügel (nicht der AfD-«Flügel»!) umzingelt von Faschisten, Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern antisemitischer Couleur. Mit solchen Individuen diskutiert es sich nicht gut, da sie nicht bloß ebenso kompromisslos sind, sondern obendrein menschenverachtende Standpunkte vertreten, die in keinster Weise verhandelbar sind. Derartig radikales Gedankengut erfuhr aber in der Zeit nach 2015 eine Renaissance, und die Frage ist: Vertreten sie alle, die sie die AfD wählen (auf Bundesebene, wohlgemerkt), auch diese tyrannische, inhumane Politik? Immerhin: Die Bundes-AfD würde nicht bloß einen Migrationsstop verhängen, sondern auch Politik à la Reagan durchsetzen, die insbesondere auf nicht-kaukasische Mitbürger abziele. Sie haben sie zwar noch nicht vorgestellt, aber auch nur, weil jeder PR-Stratege ihnen vermitteln würde, dass es ohnehin eine selten dämliche Idee wäre, die Eskapaden vor dem Wahlsieg zu introduzieren. Sowas hebt man sich auf für die Zeit danach. Vorher macht man zunächst gute Miene zum bösen Spiel, und danach lässt man die Sau raus. 
Wenn ich aber zugebe, dass wir rechts eine Ödnis an moderaten und streitbaren Individuen vorfinden, wieso empfehle ich dann, dass wir wieder von links mehr Diskussionsbereitschaft offerieren müssen, beziehungsweise sollten? Weil es der einzige Weg hinaus aus diesem Schlamassel ist. Die Linke darf ihre Schranken nicht ähnlich hochziehen wie sie es rechts bereits tun mittels ihrer autoritären Tendenzen. Man muss nach außen hin trotz jeglicher Entschlossenheit, zum eigenen Standpunkt zu stehen, avancieren, dass man auch bereit ist, diese eigenen Standpunkte auch zu debattieren. Denn niemand hat inhärent eine Idee inne, die vollends perfekt ist, frei von jeglichen Fehlern, frei von jeglichen Makeln. Wir alle tun gut daran, uns unserer sozialen Attitüden rückzubesinnen, um frei zu werden von den schändlichen Ansichten derjenigen, die lieber weiter dabei zusähen, wie Menschen südlich des Mittelmeeres in Kriegen, Hungern oder in Scharmützeln des Staates gegen sein eigenes Volk umkämen, anstatt sie in Europa unterzubringen. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass man eine Umverteilungspolitik anstrebt, in der alle Mitgliedsländer der EU gleichermaßen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausgelastet sind, und Deutschland nicht die ganze Traglast alleine stemmen muss, doch kann man demgegenüber auch nicht zulassen, dass die Menschen, die dabei im Zentrum der Debatte sitzen, zum Spielball benannter Autokraten werden. Auf diesen Weg steuerte man aber unlängst zu, als die ersten Länder wie Ungarn ihre Arme kindisch verschränkten und «Nem, köszönöm!» skandierten. Man wolle keine Flüchtlinge aufnehmen, doch aus der EU aussteigen möchte man nicht; man weiß, wie sehr man um die Agrarsubventionen bange, wenn sie nicht mehr flössen. Die EU muss entsprechend natürlich erkennen, welche Mittel sie dabei in der Hand hält. Solange ein autoritärer Herrscher weiß, dass er ohne die EU nicht (lange) kann, sollte die EU ihm entsprechend die Hand weisen. Sie beide sind voneinander abhängig, doch hat die EU die fataleren mittel in der Hand. Natürlich grenze das ein Stück weit an Erpressung, als ob man den souveränen Herrscher diktieren, wie er zu regieren haben, doch nimmt er ebenso bereitwillig internationale Subventionen an. Dementsprechend ist es ein geringer Ovulus, den er leiste, wenn er Menschen in Not aufnähe. viel mehr wird ihm ja ohnedies nicht diktiert. Von internationaler Normierung profitiert auch seine Wirtschaft. 
Darauf kommt es aber auch nicht an. Worauf es eigentlich ankommt, ist, ist, auszumachen, mit wem man eigentlich noch sinnhaft diskutieren kann. Da kommt auch die Frage ins Spiel, mit wem es überhaupt sinnvoll ist, zu diskutieren, besonders im Rahmen dessen, was man diskutiert, und wie viel man selbst bewegen kann. Auf die große Masse all jener, die dieser text konkret adressiert, träfe zu, dass gar nichts tatsächlich auf dem Spiel steht, da die wenigsten von uns irgendwelche Entscheidungsmacht innehaben. Wir diskutieren praktisch zum eigenen Amusement, zur Erkenntniserweiterung, oder, um uns gedanklich zu verausgaben. Es ist, bei näherer Betrachtung, doch eigentlich eine recht bourgeoise Unterhaltung. Das aber nur am Rande. Fakt ist jedenfalls, dass es um nichts als den eigenen Stolz geht, wenn man hitzig politische Debatten führt, ohne dabei auch nur einen Zentimeter von der eigenen Agenda abzuweichen, und fürwahr, stolze Wesen sind die Linksliberalen von heute wie niemand sonst. Sie halten viel auf ihre Ansichten in diesen strapaziösen Zeiten, sehen sich als die Partisanen im Kampf gegen den sprießenden Terror von rechts. Freilich braucht es auch Menschen, die gegen diejenigen aufstehen, die für die Bundes-AfD bei Wahlen aufstehen, da es dort nur noch eine Tendenz gibt, und das ist die in Richtung des «Flügels». Doch ist man zugleich eben auch der Wegbereiter für eine bessere Welt, ohne solche Parteien, ohne solche Gesinnungsbrüder. Entsprechend sollte man sich gut überlegen, ob die Maxime, wonach man keinen Zentimeter nach rechts rücken dürfe (anbei sei gesagt: Rechts grundlegend mit dem Bereich rechtsaußen zu verknüpfen, macht es schlichtweg unmöglich, konservative Strukturen zu installieren, die es aber braucht, um die Utopie von der freien, pluralistischen Welt zu eröffnen, weil der Flügel dafür gebrandmarkt ist mit einer gar scheußlichen Vergangenheit. Wer aber denkt, dass es sich ohne konservative Strukturen als Opposition besser lebe, der irrt gar gewaltig) und man Nazis, sobald man sie sieht, schlagen sollte, ausreicht, um diese Utopie zu erreichen. Obgleich ich mich nicht dazu befähigt sehe, jetzt aus dem Stand heraus einen adäquaten, wenn nicht besseren, Gegenvorschlag zu unterbreiten, würde ich vorschlagen, dass wir darüber miteinander sprechen sollten. Es bietet sich an. 


Abschließend noch: Woran mangelt's uns rechts?

Zu guter Letzt möchte ich noch eine Frage stellen, die insgesamt eigentlich schon vorher beantwortet wurde, mehr oder weniger, dennoch stelle ich sie noch einmal ganz hypothetisch: Mangelt es uns rechts etwas? Um es etwas plump auszudrücken, braucht es rechts sowas wie ein Auffangbecken, in welchem man dem Intellektualismus frönen kann; praktisch einen rationalen Katalysator, welcher es möglich macht, auch abseits des linken Mainstreams Ideen und Lösungen für die heutige Zeit zu entwickeln, um den Schmierfinken zugleich auch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man könnte nämlich annehmen, dass sich ein Vakuum herausgebildet hat im rechten Flügel, dadurch sich alle Welt voll und ganz dem linken Intellektualismus zuwandte und der rechte entsprechend an Bedeutungslosigkeit zunahm. Es gab schlussendlich niemanden mehr, der sich dort bewegte, was womöglich auch das Verschmähen jeglicher Ansätze von rechts zu verantworten hatte, wobei man hierzu vielleicht noch eine Spurensuche unternehmen müsste. Beweisen könnte ich es jetzt nicht. Nichtsdestotrotz ist aber bereits in sich etwas Wahres dran: Rechts gibt es keine Personen des öffentlichen Lebens mehr, welche sich nicht durch eine Schmutzfinkenkampagne haben instrumentalisieren lassen, wodurch sie sich dem Rechtspopulismus und schließlich dem Rechtsextremismus zuwandten, weil es dort einfach mehr zu holen gab, vor allem mehr Popularität und entsprechend mehr Berühmtheit für die Ewigkeit. Man kennt die gängigen Beweggründe, in der Regel geht es vor allem immer um Geld. 
Es sind vor allem Individuen wie Götz Kubitschek in Deutschland, oder Rush Limbaugh in den USA (oder besser gesagt: Jordan Peterson, wobei umstritten ist, ob das, was er sagt, wirklich in die Sparte der agitativen Rechtspopulisten passt. Dennoch ist er wohl heute, insbesondere unter Jüngeren, besser bekannt als der Radio-Talkshow-Host Limbaugh, welcher zumindest früher auch konservativer positioniert war als heute). Sie kontaminieren den Diskurs dergestalt, dass es schwer wird, wieder Rationalität und Weitsicht zu integriert, wo ihretwegen nunmehr Kurzsichtigkeit und ein präpubertäres Gebaren dominiert. Korpsgeist gegen den selbstzerstörerischen, kulturlosen Liberalismus anstelle von Idealismus und genuinen Konservatismus. In den USA hat man es längst erkannt, weswegen sich Neokonservative und Never Trumper formieren gegen die Trumpisten, die in «Turning Point USA»-Manier ihr zuvor beschriebenes juveniles Verhalten spielen lassen, um ihren Gottkönig Donald Trump zu verteidigen gegen die vaterlandslosen Gesellen. In Deutschland bräuchte es sowas auch. Theoretisch könnte man es in der Jungen Union (JU) wiederfinden, wobei es auch dort reichlich Tendenzen in Richtung der AfD gibt. Natürlich sind sie dort noch nicht so weit, den Holocaust zu relativieren oder gar zu leugnen; auch haben sie sich dort noch nicht über eine ungezügelte Masseneinwanderung (von Messermännern) echauffiert, ebenso wenig über ein sogenanntes Mahnmal der Schande. Sie ist konservativ, das stimmt, und steht entsprechend für konservative Werte, wie man auch in einer Kolumne bei «ZEIT ONLINE» nachlesen kann, geschrieben in Anbetracht des Deutschlandtages der JU. Zum Vorbild könnte man sie nehmen, auch wenn man sich, wollte man sie als Leitbilder des deutschen Konservatismus hervorheben, mehr Zuspruch für eine Urwahl erhofft hätte, um gegebenenfalls zu ihrem Gunsten einen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (garantiert auch bald in Ihrem Aufsichtsrat des Vertrauens anzutreffen!) zu erheben. 
Man muss kein Konservativer sein, und muss auch nicht viel daran finden. Ja, man kann ihn auch abgrundtief hassen für seine regressive, teils reaktionäre Haltung zu vielen sozialen und sozialpolitischen Themen, und doch muss man sich zugestehen: Solange es keine Flügel zu rechter Hand gibt, kann auch keine antifaschistische Arbeit gelingen. Eine Gesellschaft kann an sich nur genesen, wenn sie ihren Pluralismus bewahrt. Dazu gehört, nicht nur Stimmung für die eigenen Ansichten zu machen, sondern sich auch mit anderen Ansichten auseinanderzusetzen und dafür zu sorgen, dass diese geistigen Oppositionen erhalten bleiben. Man muss sie fördern, damit sie prosperieren. Und tun sie das nicht, sollte man sich darum bemühen, selbst diese Opposition zu mimen. Man muss gegebenenfalls vorgeben, jemand zu sein, der man eigentlich nicht ist. Sokrates hat es in gewissermaßen vorgemacht: Er stellte Menschen auf dem Marktplatz von Athen zur Rede, um sie aus ihrem Verbau zu locken, um sie selbst vorzuführen, um sie auf Denkfehler aufmerksam zu machen. Auf diese Weise – heute spricht man von der sokratischen Methode – kann man ebenso gut das eigene Denken und das anderer verbessern. Es gibt keinen besseren Lektor als jemanden, der einem praktisch in allem widerspricht und darum umso genauer nach Fehlerquellen sucht. Gleichgesinnte wären dabei weniger gründlich. Auch deswegen scheitern Diktaturen und Autokraten immer von innen heraus: Sie tappen in Fallen und Fehler, weil sie sich mit Ja-Sagern umgeben (s. Trump). Man sieht also: Linke und Rechte brauchen einander, doch niemand braucht Faschisten oder Rechtsextremisten. Man wird aber müde, wenn man es immer wieder zu betonen hat, doch muss man es, aus Gründen... 


Epilog

Für diejenigen, die bis hierhin gelesen haben oder direkt ans Ende sprangen (weswegen auch immer), dürfte es insgesamt womöglich geschmacklos, den Opfern gegenüber respektlos oder einfach taktlos gewesen sein, diesen Text gerade zu schreiben, als doch erst ein Anschlag durch einen Rechtsextremisten verübt wurde, und da ich doch keiner von ihnen eigentlich bin, hätte ich es doch besser wissen sollen. Um es mit Gretas Worten gegen mich auszsuprechen: How dare you? 
Das war jedoch Kalkül, und genauso geplant. Ich wollte es heute einmal auf den Punkt bringen, damit wir das Thema einmal ansprechen können. Wir stecken in einer Sackgasse, in einer zirkulären Entwicklung, die nur noch eine Richtung kennt, und zwar nach oben. Es wird nur noch schlimmer, die Anschläge können sich praktisch nur noch häufen, weil wir nur halbherzige Entwicklungen vornehmen, die keine Fortschritte bringen. Die Schuld liegt dabei nicht an Regierungen, weil man niemandem die Schuld an etwas geben kann, der sich nicht einmal von vorneherein einer Sache annehmen wird, darum es jemals wird, und es liegt auch nicht an den Medien, die lediglich ihren Job machen, wobei manche Individuen einfach versagen (siehe: Das ZDF-Morgenmagazin mit seinem kritischen Interview mit Jörg Meuthen (AfD)), und irgendwann muss man solche Themen einfach ansprechen. Die Frage ist nur: Wann soll man solche Themen ansprechen? Ganzheitlich sieht man auf Twitter Rauten wie #NieMehrCDU/-CSU/-SPD, #sogAfD, #noAfD, etc. in den Trends, man hat sich also wahrscheinlich wieder an irgendeinem Vorfall hochgeschaukelt, sodass kein Durchkommen ist mit kontrastierenden Stellungnahmen. Zeitungen wie die Neue Zürcher Zeitung oder die FAZ sind bereits in Regress gezogen worden, weil sie entweder den einen oder anderen Idioten angeheuert haben oder sich einfach nur konservativ einteilten. Fast schon von Glück kann man reden, dass Artikel wie dieser nicht gleichgesetzt wurden mit dem Text von WELT-Chefredakteur Matthias Döpfner gleichgesetzt wurden. (In der Regel wurden die entsprechenden Texte, die man verschreit, auch nicht gelesen was aber nur als gültige Aussage gelten kann wenn diese Text sich hinter einer Bezahlschranke verbirgt, und man nicht zufälligerweise Abonnent bei der Zeitung ist) Wie also soll man auf Basis solcher Tatsachen überhaupt ins Gespräch kommen, wenn man nicht zu allem Ja und Amen sagen möchte? Es wäre unmöglich. Es wäre allein schon unmöglich, weil die Selbstreflexion eben fehlt. Sie sehen sich als die bessere (oder beste) Gesellschaft, sind es aber nicht, und ein jedes Mal, wenn ein Faschist oder Rechtsextremist einen Anschlag verübt, wähnt man sich in Ohnmacht und tut eben das, was Herr Döpfner schrieb: Man skandiert: «Nie wieder!» Taten folgen dennoch keine, stattdessen verliert man sich in den bereits zuvor angewandten Maximen. Wenn man darauf hinweist, dass es doch scheinbar nicht funktioniert, weil man doch bislang keine Fortschritte machte, sagen sie, dass es noch nicht seine Vollendung erreicht hat, weil die Bundesregierung sich sträubt, die wahren Probleme anzuerkennen und sich stattdessen daran festzubeißen, dass es doch auch linksextreme Straftaten gäbe, die man gleichermaßen verfolgen müsse. Hierbei gerät man in der Regel ein Dilemma, weil man nicht vollends widersprechen kann, es ist auch etwas Wahres dran. Und so gibt man, mangels Zeit und weil man keine Lust hat, sich in einem Shitstorm wiederzufinden, auf, hält die Klappe, und fährt fort mit dem, was man zuvor machte. Mal wieder endete eine Diskussion in einer Sackgasse. Die Strukturen sind verklemmt und rühren sich nicht mehr, erst während der Anschläge lösen sie sich wieder ein wenig. Entsprechend sollte man die Chance ergreifen und das Gespräch einmal mehr anfachen. Immerhin: Die wenigsten, die damit adressiert werden sollten, sind auch tatsächlich direkt betroffen. Sie sehen sich nur als freie Gesellschaft betroffen, doch weder verloren sie während dieser glücklicherweise miserabel ausgeführten Anschlags Angehörige. Dadurch die Waffe aus Plastik und Blech statt Metall gefertigt war, war sie faktisch betriebsunfähig (die Bundeswehr spitzte bereits die Ohren, als sie von der Idee hörte, dass man auch Waffen im 3D-Drucker herstellen könnte) und hätte den Schützen fast getötet; der Sprengstoff verfehlte sein Ziel, die Handgranaten drangen nicht durch die Scheiben. Insgesamt konnte man noch vom Glück im Unglück sprechen, es traf bei Weitem nicht so viele, wie es hätte treffen können. Es bietet sich also die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen im antifaschistischen Kampf. Es wäre Unrecht und kontraproduktiv, so zu tun, als ob bisher eigentlich alles wie am Schnürchen lief, und lediglich die Partizipation der Mächtigen fehlte, um den Plan zu vollenden. Der ganze Plan hapert bereits in seiner Ausführung bei den Vielen; diese aber wollen es nicht einsehen und zelebrieren weiterhin die Allmacht ihrer universellen Richtigkeit in Tun und Denken. Solange man aber auf diesem Podium verhaftet bleibt, wird der antifaschistische Kampf auch weiterhin kranken wie ein alter Mann im Sterbebett. Das aber kann und darf nicht passieren, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Wir reden hier nicht bloß von der Streitigkeit innerhalb einer Schulhofclique, die sich spätestens nach der mittleren Reife aufgrund der verschiedenen Ziele ihrer Angehörigen fürs spätere Leben auflösen wird. Wir reden hier von der Zukunft unserer freiheitlichen Gesellschaft. Diese muss uns wenigstens so wichtig sein, dass wir auch mit uns selbst härter als bisher ins Gericht ziehen. Ich trage ja schließlich auch keine Janusmaske. Ich meine das, was ich hier geschrieben habe, ernst, und spreche selbst in meinen Urteilen voller Zugewandtheit. Wer das wiederum nicht verstehen mag, den kann ich mitunter nicht mehr helfen, er soll mir aber dennoch seine Kritik (ohne Spott, sofern es möglich ist) vortragen, dann können wir darüber in aller Ruhe diskutieren. 

Ich wünsche noch einen schönen Sonntag!

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