Utopisch, aber notwendig

Warum die Rekommunalisierung die einzige Chance ist, die Welt zu retten

Die Gesellschaft zerklüftet immer mehr, ob man es glauben mag oder nicht. Gemeint ist damit nicht, dass sich mehr und mehr ein Bürgerkrieg heraufbeschwöre, allerhöchstens geschähe das momentan in den USA. Ansonsten aber ist schwerlich daran zu glauben, oder ist es schwerlich zu befürchten, dass die Menschen aufeinander losgingen, um sich um jeden Preis die Köpfe vom Halse zu trennen oder sich gegenseitig das Leben zu nehmen, ganz allgemein. Warum auch sollten sie das tun? Es ist nicht gesagt, dass sie generell das Vertrauen ineinander verlören. Vielmehr ist das Problem, dass sie das Vertrauen in ihre jeweiligen Staaten verlieren, die Probleme der heutigen Zeit zu lösen, sei es überhaupt oder im angemessenen zeitlichen Rahmen. Dagegen selbst vorzugehen ist aber durchaus möglich – wenn die Menschen sich vom Staate lösen und sich stattdessen auf kommunale Ebenen rückbesinnen.

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I

Die Idee mag banal klingen, manch einer mag dahinter vielleicht eine strikt kommunistische oder anarchistische Idee vermuten, und möchten aufgrund dessen sogleich aufhören, diesen Text weiter zu lesen, weil sie mit solch radikalen Ideen nichts am Hut haben möchten. Dieselben hätten aber auch wahrscheinlich schon in der Einleitung das Handtuch geworfen, insofern ist bei ihnen wohl auch nichts zu gewinnen, wenn man das Kind nicht beim Namen nennen darf. Diejenigen aber, die aber noch dran sind und darauf warten, dass ich mit meinem Text fortfahre, somit möchte ich auch nicht verzagen, genau das zu tun. 
Die Idee ist im Grunde simpel und wurde deswegen auch nie näher als eigenständiges Thema als mehr als ein Teil eines größeren Gesamtbildes gehandelt, dabei ist es gar nicht nötig, es so zu verkleinern. Wenn man es so will, ist die Idee etwas so dermaßen Elementares, dass ihm durchaus ein eigenes Rampenlicht gegönnt werden sollte. Bei der Rekommunalisierung, also die Verstärkung einzelner Kommunen anstelle von Föderal- oder Zentralstaaten geht es darum, die Kraft auf die kleisntmöglichen sozialen Zusammenkünfte zu verlagern, damit die Menschen sogleich auch mehr in der Hand haben, folglich mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen können, und Dinge punktierter angegangen werden können. Es greift dabei einen Vorwurf gegenüber Zentralstaaten ganz genau auf: Dass Repräsentanten und Herrscher wie Kanzler/innen, Präsident/innen und dergleichen zu weit entfernt sind von denjenigen, die sie regieren sollen, und ihre Belangen entsprechend nicht in Gänze nachvollziehen können. Daran ist auch durchaus etwas: Jemand, der ein monatliches Gehalt von mehr als 10.000 EUR einstreicht und dabei vor allem in der Hauptstadt residiert, ohne des Öfteren sich den eigenen Menschen, über die man richtet und regiert, freiwillig annähert, kann man nur schlechterdings zumuten, sich vorstellen zu können, was den kleinen Menschen auf dem Herzen liegt; vielmehr kann man ihnen auch kaum zumuten, sich vorstellen zu können, wie sehr eine immense Schuldenlast oder eine horrende Schuldenlast sie erniedrigt, wenn den eigenen Schuh solch etwas drücken kann, da man doch mit Leichtigkeit Rücklagen bilden kann; wenn man alljährlich den Bayreuther Festspielen beiwohnen kann (nur als Beispiel genannt). Das gilt nicht allein für den ersten Diener des Staates, sondern auch, wie gesagt, für gewählte Repräsentanten aus Wahlkreisen, für Minister, die man wie in einer Lotterie ihren Posten zuwies, weil die Stelle momentan vakant war. Obgleich es gute Gründe geben mag, astronomische Diäten auszuzahlen, muss man doch sagen, dass ein solches Gehalt auch etwas mit dem Menschen macht, mit dem Empfänger; und das sind nicht nur gute Dinge – es sind vor allem die schlechten Dinge, die Konsequenzen unbeschreiblichen Ausmaßes vorantreiben, die am Ende auch dazu führen, dass man es vielleicht präferiert, die Gesellschaft rückzuentwickeln, anstatt den Staat beispielsweise im sozialistischen (oder sozialdemokratischen Sinne, je nach Ausmaß als solchem) Sinne auszubauen, mit einem umfangreichen Sozialstaat und einer immensen Taxierung, insbesondere gegen Unternehmen (und Konzerne) und Vermögende. Was nütze schließlich alles Steuergeld, welches die Föderal- und der Zentralstaat horteten, wenn es am Ende nicht mehr bei den Zahlern ankommt? Denn das ist doch eigentlich die Grundidee des Staates: Die faire Redistribution, sodass am Ende alle davon gleichermaßen profitieren können; dass auch diejenigen, die nicht so viel haben udn entsprechend wenig einzahlen können, einen Anteil erhalten, der ihnen vorher nicht möglich gewesen wäre. Das Steuersystem, wie es im Idealfall vorgesehen war – wir alle zahlen nach unseren Möglichkeiten in einen großen Topf ein, damit der Staat am Ende allen dieselben Mittel zurückgibt und alle öffentlichen Güter zugänglich macht – kann nur funktionieren, wenn alle Zahnräder greifen und alle Scharniere funktionieren. Das ist vielerorts heutzutage nicht mehr der Fall, weswegen die Menschen vom Glauben ob des Staates Funktionalität zweifeln. Mitunter auch zurecht, denn wir erleben mehr und mehr einen Wohlstandsverfall: Die Mitte der Gesellschaft wird immer schmäler, die Gesellschaft als solche ist nicht länger die Birne, die sie sein sollte, mit breiter Hüfte und schmalem Kopf und schmalen Füßen. Derzeit ist sie eher eine Wespentaille mit Wespentaille, kümmerlicher Oberweite und Clownsfüßen. Währenddessen baut sich die Kaste der Politiker immer weiter aus: Man ist gegen eine Kürzung der zunehmenden Diäten, währenddessen man auch obendrein bereit, immer mehr Abgeordnete ins Boot zu holen – so viele Menschen wie möglich sollten die Möglichkeit haben, sich nach Berlin wählen zu lassen, inklusive der gleichen üppigen Diät, die ihnen zugesprochen wird, finanziert durch eine schrumpfende Mittelschicht und eine breiter werdende Unterschicht. Die soziale Marktwirtschaft hat versagt, und macht Platz für eine asoziale Martkwirtschaft. Dagegen können auch die «INSM» nichts ausrichten, oder besser gesagt: Vor allem sie können nichts gegen diesen Trend ausrichten. 

II

Was also wäre der konkrete Plan für eine solche Rekommunalisierung, wie ginge sie vonstatten? Theoretisch sollte es sich ein jeder vorstellen können, es ist wahrhaftig keine Magie. Die fundamentalen Stichpunkte lauteten dabei wie folgt: 
  1. Staat und Landesregierungen verlören mit einer vorher ausgearbeiteten Frist ihre Macht. Die Frist wäre dabei notwendig, um einen fließenden Übergang in der Machtübernahme zu gewährleisten, damit man nicht von jetzt auf gleich im Chaos gefangen wäre, und der ganze Plan praktisch in sich selbst zusammenfiele.  
  2. Die Kommunen behielten mitunter ihre bisherige Struktur, wobei die Frage wäre, ob infolge der Staatsauflösung, wodurch Kommunalräte und dergleichen ihre Vorgesetzten verlören, eine Restrukturierung notwendig wäre.  Dazu aber gleich oder später noch mehr. 
  3. Die Kommunen müssen zusammenkommen, um zu entscheiden, ob sie weiterhin als autonome Regionen sich zusammenschließen wollen, ohne dabei eine Überregierung zu wählen, um am Ende in alte Muster zu verfallen. Relevant wäre diese Frage insbesondere wegen internationaler und Außenpolitik.
Wer genau hingeschaut hat, hat wahrscheinlich auch bemerkt, dass es nicht nur sehr wenig Punkte sind, sondern sie auch allesamt recht vage ausformuliert sind. Das hat dabei einen recht guten Grund: Einerseits bin ich kein Fan von Stichpunktlisten, und andererseits ist es zu diesem Zeitpunkt noch nicht so einfach, Stichpunktlisten aufzustellen, da es keine einfache Angelegenheit ist, ein System aufzulösen, was sich schon von Anfang an so schwertat, überhaupt zu entstehen.  Hätte es Ludwig Erhard nicht gegeben, hätte wahrscheinlich auch das Experiment «Bundesrepublik Deutschland» nicht fruchten können, wobei das auch nur ein leises Munkeln ist, und keine gefestigte und gedeckte Auffassung. Man mag also davon halten, was man möchte, es ist auch mir gleich. 
Wichtig ist aber die Frage, was die Schwierigkeiten bei diesen drei Punkten sind. Theoretisch können wir dabei Schritt für Schritt durchgehen, um zu erörtern, worin die Probleme liegen. Beispielsweise haben wir bei Punkt eins die Problematik, dass man zuallererst eine monumentale Aufgabe lösen muss: Eine Dreiviertelmehrheit im Volke für die Auflösung des Staates, mindestens! Dreiviertel –75 Prozent, bei ca. 82 Millionen Menschen sind das immerhin ca. 61,50 Millionen – sollten als gedienter Richtwert wirken, da man immerhin eine Entscheidung träfe, die am Ende 100 Prozent aller Menschen beträfe. Da es aber unfair wäre, einen unschlagbar hohen Anteil an Volkswille zu ignorieren, so wie es nicht selten im demokratischen Gemeinwesen der Fall ist, sollte als Kompromiss dieser Wert gesetzt werden, welcher auch angewandt wird, wenn es darum geht, Kanzler und Präsidenten zu stürzen vom Bundestage aus, oder von der Volkskammer, oder welchen Begriff man auch immer für das Repräsentantenhaus nutzen möchte. 
Wer pfiffig ist, wird schon das einschneidendste Problem hierbei erkannt haben: Diese Masse wird man bei dieser Thematik zu Lebzeiten nicht erleben. Der Unmut bei den Menschen kann noch so groß sein, die Menschen können noch so frustriert sein über ihre gewählten Vertreter, niemals fassten sie sich ein Herz und beschwörten sich selbst für eine solch umstürzlerische Tendenz, dem Staate zu entsagen,  um das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Warum? Es muss nicht zwingend daran liegen, dass diejenigen, die so reagierten auf die Frage, ob man einen Staatssturz zur Rekommunalisierung befürworte, nur abwinkten, generell einer solchen Idee dezidiert abgeneigt wären. Es ist vielmehr das Problem, dass der Idee noch zu viel Radikalität anhaftet; das Problem ist, dass diese Idee noch zu sehr mit steinewerfenden, ganz in schwarz vermummten Autonomen und dergleichen assoziiert wird. Man kann sich nicht vorstellen, als mittelständischer Otto Normalverbraucher oder Arbeitsloser aus der Unterschicht mit solchen Aktivisten in einen Topf geworfen zu werden, teilweise möchte man es sich auch nicht vorstellen! Und obgleich ich nichts dagegen hätte, würde man mich mit solchen Menschen gleichsetzen, kann ich derartiges Denken doch durchaus nachvollziehen. Nicht jeder möchte gleich als Radikaler angesehen werden, man fühlt sich doch nur allzu komfortabel im ruhigen Sektor der Moderaten. Keineswegs läge es mir nahe, diese Menschen aufgrund ihrer Haltung zu diffamieren oder zu diskriminieren, doch müssen sie wenigstens so reflektiv gegenüber ihrer eigenen Haltung stehen, um wenigstens Problematiken an ihrer eigenen Haltung zu erkennen, ansonsten ist auch keine Debatte zu wollen. Nichts ist schlimmer als ein Mensch, der seine eigene Haltung als universell einsetzbar erkennt. Man mag demgegenüber einwerfen, dass doch so Haltungen und Ideologien seit jeher erachtet wurden; jemand, der seine oder ihre eigene Überzeugung nicht dergestalt hielt, galt als wankelmütig und nicht von sich selbst überzeugt; auf diese Weise wäre man nicht fähig, die eigene Haltung anderen Menschen vorzustellen, auf dass sie ebenfalls davon überzeugt sein sollten. Dabei kann es doch nur wünschenswert sein, auch andere in den Bann der eigenen Überzeugungen zu ziehen, um daraufhin eine Bewegung vom Damm zu brechen. Mindestens möchte man aber, dass andere Verständnis für die eigenen Intentionen und deren Lösung zur Umsetzung haben, (oder) es erlangen. Wie aber soll das denkbar sein, wenn man so sturköpfig ist, sich vorzustellen, dass ein jeder, der des rationalem Denkens fähig ist, einem zustimmen müsse; vielleicht ist dem aber auch nicht so und ich verliere mich in einem Wahn ob eines imaginären Vorurteils. Eines muss aber dennoch festgehalten werden, und das ist mit Sicherheit der Fall: Dadurch ein jeder Mensch von einem anderen Ausgangspunkt beginnt im Denken ob der sozialen Gerechtigkeit, auf welcher alle politischen Denkweisen fußen, kann auch nicht jeder derselben Auffassung einer richtigen Lösung sein. 
Wie ließe sich dieses Faktum erklären? Nehmen wir einmal ein sehr einfaches Beispiel (auf Englisch, da es im Englischen verständlicher ist als bloßer Ausdruck): «Equal Opportunities», oder «Equal Shares»? Übersetzen würde man das als Gleiche Möglichkeiten, oder Gleiche Anteile. Bei letzteren bezieht sich der Ausdruck des Anteils auf die zu verteilenden Ressourcen, beispielsweise Lebensmittel und gegebenenfalls auch finanzielle Mittel, sofern diese in der Ausgangsgesellschaft noch gebraucht würden, was wahrscheinlich aber obsolet wäre, wenn die allgemeinen Ressourcen ohnehin schon über ein bureaukratisches Verteilungsorgan distribuiert würden. 
Diejenigen, die ersteres befürworteten, würde man gemeinhin entweder Rechtsliberale oder Konservative nennen, wobei der Konservatismus nur strittig in die Riege passe, da sein Verständnis je nach Kulturkreis variieren kann: Bei Amerikanern träfe er wohl zu, nicht zuletzt auch aufgrund der früheren Tradition der Grand Old Party (GOP), welche aber unter der Regentschaft Donald J. Trumps eher in Richtung eines Autoritarismus umschwang, welcher sogar noch den Eingriff in neutrale Institutionen hinreiche. Keine Heimat für liberalere Konservative also. In Deutschland hingegen scheint der Begriff selbst geradezu überhaupt nichts auszudrücken. Was würden einem die Menschen sagen, wenn man sie frage, was überhaupt konservativ ist? Wahrscheinlich würde irgendwas gesagt mit der Mitte der Gesellschaft, dass man sich gemäßigt zeige, und man entgegen keiner der beiden Seiten, links oder rechts, tendiere; selbstverständlich stünde man für sowas wie den Erhalt des Status quo, doch ansonsten? Im Amerikanischen wäre man als Konservativer beispielsweise gegen militärische Interventionen, im Deutschen hingegen – wahrscheinlich lege man sich nicht auf irgendeine Linie fest, ob interventionistisch oder eher zurückgezogen... Im Deutschen erscheint der Konservatismus relativ offen. Das macht ihn aber zugleich auch so problematisch, da sich auf diese Weise auch immer einige selbsternannte Konservative dem Nationalismus zuwenden, wodurch die eigentlich patriotische Ader des Konservativen zu stark dem Nationalgedanken zuwendet; aus der einstigen Heimat wird dadurch schnell ein Fort, welches nicht mehr von jedem ohne Weiteres betreten oder gar bewohnt werden darf. Aus der Gastfreundlichkeit wird auf einmal eine mürrische Paranoia; der Patriotismus und die Heimeligkeit wird nur noch vorgeheuchelt und ist eine biedere Fassade, wohingegen es zugleich ein Mittel zum politischen Zweck ist, um Stimmen zu ergaunern, wo man sie braucht, um auch weiterhin eine feindselige Politik durchzudrücken. Wahre Konservative sind darum auch selten bis gar nicht parlamentarische Politiker, sondern vielmehr Privatiers, Philosophen, Gesellschaftskritiker, vielleicht noch Analysten und/oder Kommentatoren. Vor allem in Feuilletons sollten sie sich zuhause fühlen, nicht aber in der aktiven Politik. Was sollten sie auch schon bewirken können, sofern sie nicht einem angloamerikanischen Pfad folgen? Seien die eigenen Vorstellungen eher nationalistischer denn patriotischer Natur – und hierbei sei einmal auf die rechtspopulistische Welle der post-2015er-Jahre hingewiesen, die viele derartige Figuren hervorbrachte, wie beispielsweise Matteo Salvini (IT - Lega Nord), Donald Trump (USA - GOP), Marine Le Pen (FR - RN), Geert Wilders (NL - N/A), oder auch, um noch deutsche Beispiele zu nennen, André Poggenburg und Björn Höcke (letzteren kennt man auch unter seinem Alias Bernd Höcke) (beide AfD) – kann man sich nicht nur nicht länger konservativ nennen, sondern kann man ohnehin nicht erreichen, was man eigentlich erreichen wollte. Das Spiel ließe sich also nur verlieren, dafür aber auch in mehreren verschiedenen Wegen: Entweder verrät man sich selbst, oder man steigt hinterher resigniert wieder heraus, weil man sich selbst verrannte im ehrgeizigen Versuch, irgendwie Erfolge zu verzeichnen. Vielleicht braucht es aber auch nur einmal eine Festschrift, was denn eigentlich deutscher Konservatismus ist. Es gibt zwar englischen und auch US-amerikanischen (vielleicht sogar französischen!), aber wohl keinen deutschen. Der deutsche, sofern es ihn gäbe, orientiere sich überdies vielleicht sogar noch an den idealen des Vormärzes, doch selbst dann wäre er schlicht nicht zeitgemäß, da er so noch zu republikanisch wäre, ohne aber dabei Ideale zu vertreten, die mit der heutigen Zeit noch kontemporär vereinbar wären. Da wären die Amerikaner und Engländer noch ihrem Zeitgeist voraus mit Vertretern wie Kristol und Oakeshott. 
Zurück aber zum eigentlichen Thema: Was wäre dagegen jetzt ein System nach dem Vorsatz der Equal Shares for Everyone? Die Frage dürfte recht schnell geklärt werden, da die wenigen, die diesen Text hier lesen, wahrscheinlich sogar für ein solches Konzept einstehen werden, wobei ich mir natürlich verbitte, darüber eine dezidierte Aussage zu treffen, da das alles Vorurteile sind und niemand mit Vorurteilen wirklich vorankommt im Leben, oder im Denken. Darum erkläre ich es nochmal: Bei einem solchen System gibt es in der Regel eine verwaltende Macht, doe obenauf steht, über allen normalen Menschen. Sie übernimmt, wie schon gesagt, die Verwaltung der Güter, sodass alle genau das erhalten, was auch ihre Nächsten erhalten, sodass niemand mehr oder weniger erhalten als die anderen, mit denen sie leben. Im Umkehrschluss bedeute das, und das wird auch von vielen ihrer Kritiker beteuert, dass niemand mehr zwingend für das arbeiten müsste, was er oder sie wollte, da man es auch ohne Arbeit ohnehin bekäme. Das stimmt aber nur so lange, bis man schließlich verstanden hat, wie das überhaupt möglich wird: Denn damit diese Verwaltung die Güter verteilen kann, müssen sie erst einmal erwirtschaftet werden. Die Verwaltung selbst ist dabei nicht mehr als ein Compute,r welcher den Input verarbeitet, welchen man ihm einspeist. Er selbst erzeugt nichts, er verarbeitet eben nur. Die Menschen würden also alle unterschiedlich viel arbeiten (jeder nach seinen Fähigkeiten, wie die Maxime dieses Systems lautet; und jeder nach seinen Bedürfnissen), damit das System funktioniert. Man kann sich dabei das System wie ein Uhrwerk vorstellen, in welchem ein jedes Individuum ein Zahnrad darstellt, welches in die anderen Zahnräder [Individuen] greift (keine sexuellen Anspielungen vorgesehen), sodass am Ende, wenn alle ineinander greifen, das Uhrwerk läuft, und läuft, und läuft.... Gleichzeitig kommt das gesamte Uhrwerk zum abrupten Stillstand, wenn auch nur ein Zahnrad fehlt. In Wirklichkeit ist natürlich eine jede Gesellschaft weitaus komplexer als dieses metaphorische Uhrwerk, doch den Kern trifft es nichtsdestoweniger: Ein jeder Mensch muss seinen Ovulus leisten, damit am Ende auch die Früchte der eigenen Arbeit geerntet werden können. Ein wenig martialischer, dafür aber recht ähnlich, erklang es da aus dem Nachkriegsdeutschland: Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen. Auch das trifft im Grunde den Kern der Systemfunktionalität. 
Warum aber funktioniert es nicht auch so mit dem System der Equal Opportunities? Ganz einfach: Weil dieses System nicht auf der Gemeinschaft baut, in welcher alle Menschen miteinander für die gemeinsame Sache zu arbeiten, sondern jeder für sich, und für den eigenen Erfolg. Anstatt alle Menschen Hand in Hand gehen, geht man da eher noch über andere hinweg, sofern es dem eigenen Vorteil dienlich ist. Was zunächst bestialisch und egoistisch klingt – ist es im Grunde auch. Natürlich könnte man noch von den Einzelfällen sprechen, in welchem es auch vorteilhaft wäre, Barmherzigkeit walten zu lassen, doch steht in solchen Fällen auch die Frage nach dem Warum? im Raum: Warum waltete diese Person in dieser spezifischen Situation so uneigennützig? Wahrscheinlich, weil es eben nicht aus Uneigennutz geschah, sondern man daraus noch eigene Vorteile erzielen konnte. Sollte dem nicht so sein, so stehen die Chancen gut, dass es auch ansonsten keinen sonderlichen Aufwand darstellte, man keine Zeit für wichtigere Dinge verlor und man nicht sonderlich dadurch belastet wurde. Insgesamt also eine Tätigkeit, die nebenbei vollbracht wurde, keinerlei Spuren an der eigenen Person hinterließ, man aber dafür jemandem eine Freude machen konnte, mehr oder weniger. Niemals aber würde man ohne Weiteres in einer solchen Gesellschaft ohne Gegenleistung einen ganzen Tag für jemanden aufgeben, zumindest nicht einfach so. Es wäre im Grundgedanken nicht verankert. Das schließt aber nicht aus, dass man es unter einer Prämisse täte: Dass man es sich selbst zum Ziel setzte, ein solcher Mensch zu sein, ein solcher Philanthrop (der Begriff wäre hierbei abgekoppelt vom allgemeinen Verständnis des Philanthropen als vermögenden Menschen, der des Öfteren Geld an gemeinnützige Vereinigungen spendet, um sie finanziell zu unterstützen); der gerne Menschen hilft, wenn Not am Manne ist. Doch im Regelfall gäbe es solche Menschen nicht unbedingt in einer solchen Gesellschaft, es widerstrebe schließlich der Vorstellung der Natur des Menschen, in welcher der Mensch inhärent egoistisch ist, auf sich fokussiert und jederzeit auf den eigenen Vorteil aus. Das Pursuit of Happiness steht im Vordergrund, weniger das Spruchband Prolétaires de tous les pays, unissez-vous ! Anstelle der helfenden Gemeinschaft besteht ein Wettlauf um das Höchstmögliche. 
Manch einer mag mir an dieser Stelle vielleicht ein Missverständnis oder eine linke Verblendung vorwerfen; diese Menschen frage ich aber: Was genau soll ich dabei aber missverstanden haben? Die Rede ist doch in dieser freiheitlichen Ideologie die ultimative Freiheit für alles und jeden, Mensch und Markt. Das bedeutet auch: Freiheit von den Fesseln der Gemeinschaft, die einen binden an das Wohl der anderen. Die Idee ist doch, dass jeder des eigenen Glückes Schmied ist, und niemand sich um die anderen kümmern sollen muss, sofern man sich nicht selbst dazu entschloss, den barmherzigen Samariter spielen zu wollen. Solche Zwänge sollen nur diejenigen binden, die es auch nicht anders wollten. Auf diese Weise erlebt man anschließend eine Befreiung von allen moralischen und gemeinschaftlichen Zwängen. Dem Kapitalismus, wie auch System, die in irgendeiner Form einen inhärenten Missstand innehaben, gebietet es obendrein die Freiheit von allen Eingeständnissen etwaiger Fehler. Bedeutet: Wenn es Menschen nicht schaffen, in einem solch offenen System zu florieren, sondern eher zu Tode getrampelt werden durch das selbige, und das System dafür – mitunter zurecht – dafür verantwortlich zu machen. Wir können uns einen solchen Freifahrtschein für das System vorstellen wie das Vorgehen der Deutschen Post und Amazon vorstellen, wenn sie sich herausreden wollen wegen ihrer Fahrer, die Briefpost und Pakete zustellen und dabei entweder einen Hungerlohn weit unter dem Mindestlohn verdienen oder ausbeuterische Arbeitszeiten aushalten müssen, weil jede Kritik in eine Kündigung mündet; mitunter wird auch die Bildung von Gewerkschaften blockiert, sodass man sich auch innerhalb des Unternehmens nicht organisieren kann: Man verweist darauf, dass diese Angestellten – gemeint sind die Fahrer – nicht die ihrigen sind, sondern sie bei Subunternehmen angestellt sind und nur von ihnen die Aufträge erhielten. Sie selbst hätten auf ihre Arbeitsbedingungen keinen Einfluss, würden aber ihr möglichstes versuchen. 
Wie sollte dagegen vorgegangen werden, wenn nicht durch Regularien? Die sollen in freiheitlichen Ideologien sollen diese aber abgebaut werden, damit das Unternehmertum gefördert wird. Menschen sollen keine Schranken in den Weg gestellt werden, sie sollen stattdessen aus dem Weg geräumt werden. Die Devise lautet nicht: Je freier der Markt, desto freier auch der Mensch. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Je mehr Regularien dem Markt Schranken in den Weg stellen, desto eher tendiert der Mensch sich auch in Unfreiheit zu befinden, weil er sich nicht frei entfalten kann. Theoretisch ergibt das auch Sinn, doch setzt das eine naive Prämisse voraus: Dass der Markt nicht gegen die Interessen des Menschen handeln. Die Geschichte hat uns da eines Besseren belehrt. Hierauf müssen wir trotzdem aber nochmal zurückkommen, da wir hierfür eine Unterscheidung vornehmen müssen: Zwischen mittelständischen und millionenschweren, multinationalen Großkonzernen. Sie trennt nicht allein ihr jährlicher Umsatz, sondern auch die Regeln, die für sie gelten müssen. Ein mittelständischer Unternehmer macht im weitesten Fall Umsätze im einstelligen Millionenbereich, währenddessen der Großkonzern im Ausnahmefall Umsätze im zweistelligen Milliardenbereich generiert. Der eine bedient Millionen an Kunden, der andere nicht. Entsprechend sind die Möglichkeiten unterschiedlich, ebenso die Nähe zu den eigenen Mitarbeitern. Der mittelständische Unternehmer kennt viele vielleicht noch beim Namen und führt eine enge Beziehung zu ihnen. Der CEO eines gigantischen Konzerns dürfte nur noch die wenigsten, wenn überhaupt irgendwem, persönlich kennen. Zweierlei ließe sich daraus entziehen: Entweder sieht man es bereits als problematisch an, eine solche erkaltende Distanz zu seinen Mitarbeitern zu erlangen, oder das generelle Wachstum über solche Maßen hinaus ist inhärent negativ zu beurteilen, da sie ab einem gewissen Maße unkontrollierbar wären. 
Gingen wir davon aus, könnten wir uns eines althergebrachten Beispiels bedienen, dem von Karl dem Großen, welcher die Probleme eines solch großen Reiches erkannte und darum Pfalzen einrichten ließ, also einer Art Landeshauptstadt an mehreren Orten, in welchen er auf seiner Reise durch sein Reich residieren konnte, um jedem Ort gleichermaßen seine Zuwendung zukommen zu lassen. Und mit Zuwendung meine ich in erster Linie Aufmerksamkeit. Heutzutage bedient man sich dafür eher dem Modell des Föderalismus, in welchem man das Land schlicht in Verwaltungsdistrikte erster Stufe unterteilt, welche von entsprechenden Landesregierungen mit einem gewissen Maß an Freiheit regiert wird; sie können Selbstbestimmung ausüben bis zu einem festgelegten Maß. Darunter finden sich dann schließlich die Kommunaldistrikte, welche Großstädte, Dörfer und Gemeinden (inklusive eingemeindete Weiler und Dörfer, die so klein sind, dass es sinnlos wäre, sie sich selbst zu überlassen). Auf dieser niedersten Stufe können Kommunen ihre persönlichen Interessen, die weiter oben kaum Aufmerksamkeit fänden, besprechen und behandeln. Auf der Zwischenstufe, der der Landesregierungen, werden Belangen des Föderalstaates als Ganzem behandelt, also beispielsweise auch das Verkehrsnetz, welches die Stödten, Dörfer und Gemeinde verbindet, für die aber keine dieser Dreien allein verantworten kann, finanziell wie auch aus Rechts- und Machtansprüchen. Wie sollte das am Ende aussehen? 
Womöglich wie in einer staatenlosen Welt, welche in erster Linie von Unternehmen und Konzernen kontrolliert wird. Denn so muss man es sich vorstellen: Wenn kein Staat mehr ist, der auf sowas Acht gibt, muss der Nächststärkere das Rude ergreifen, und das wäre in einer merkantilistischen Welt (merkantilistisch = (hier) eine Welt, in der der Markt die Rolle des Staates übernimmt; d. i. die Rolle der Kontrolle über das Gemeingut, und die Verwaltung der allgemeinen Ordnung) eben der erste Großkonzern, welcher solche Infrastruktur käuflich erwerben konnte. Sobald diese Übernahme aber geglückt ist (und da der Staat in Form des Kartellamtes zuvor solche Übernahmen eingangs kontrollierte, um ihre Rechtmäßigkeit und ihre Gefahren für den Markt einzuschätzen, gibt es in erster Linie keine regulären Kontrollinstanzen), treten schon die ersten Probleme auf, welche wir derzeit auch im Gesundheitswesen erkennen, wenn dort privatisiert wird: Derartige sozial genutzten Metiers werfen auf natürliche Weise, in ihrer Reinform, keine Profite ab. Man steckt also immerzu Geld hinein, erhält aber nichts zurück. Aus diesem Grund erhebt ein Staat Steuern. Welche Mittel hat dagegen ein Konzern? Das hängt vom Ding als solchem ab. Auf Straßen kann man Gebühren erheben, wie es mancherorts auch üblich ist, beispielsweise in den USA, wo es dafür die sogenannten turnpikes gibt. Sie ähneln strukturell den Grenzkontrollen an der Schweiz oder an Italien, wo Vignetten erworben werden müssen, um zu passieren. In erster Linie ist es aber einfach eine Mautgebühr, welche für die Nutzung erhoben wird. Auf diese Weise werden diejenigen, die die Straße benutzen wollen, zur Kasse gebeten. An sich ergibt es Sinn, dennoch wird auf diese Weise die bloße Fortbewegung über weite Strecken mitunter zu einem teuren Unterfangen, und je weiter man den Wettbewerb hierauf erweitern wollte, desto absurder wird die Situation. Wir könnten uns eine solche Situation als ein Paradoxon vorstellen: Einerseits müssten wir Mono- und Oligopole auf dem Infrastrukturmarkt verhindern, da beide höchst anfällig für Korruption sind. Entsprechend müssen wir den Wettbewerb also stärken. Tun wir das aber, verpachten wir mehr und mehr Infrastruktur an mehr und mehr Besitzer, die jedoch alle für sich Gebühren erheben, wodurch die Dichte an Gebührenstellen äußerst hoch wäre. Die Folge wäre ein Flickenteppich an Kleinstaaterei, wie wir ihn zuletzt vor Napoléon Bonaparte erlebten, bevor er den Teppich aufräumte.
Was aber wäre die Alternative dazu? Eben ein Mono- oder Oligopol, in welchem die Dichte mitunter etwas konzentrierter und strategischer konzipiert wäre, die Kosten aber umso horrender ausfallen könnten, weit über einen Wert hinaus, den man in der erstgenannten Alternative hätte bezahlen müssen. Da dies aber allesamt Hypothesen sind, die sich auf keine reellen Fallbeispiele stützen können, kann ich hierauf nicht weiter eingehen. Fakt ist aber: Beide Ideen sind wenig vielversprechend, beide bieten dystopische Vorstellungen von einer Welt, wie sie genau während des Wiener Kongresses bevorstand, oder in der Neuen Welt, als die ersten Siedler eintrafen, um sich das ihrer Meinung nach herrenlose und unkultivierte Land unter den Nagel zu reißen. Theoretisch wäre man aber gezwungen, ein solches Szenario einmal mit Experten durchzuspielen, um die möglichen Hypothesen einem Praxisversuch zu unterziehen. Auf diese Weise ließen sich die Wahrscheinlichkeiten und die Konsequenzen daraus genauer untersuchen. 



III

Zurück aber zum eigentlichen Thema, nämlich der Idee, dass der Markt in erster Linie im Sinne des Menschen handele, praktisch automatisch. So zumindest erdachte es auch Adam Smith in seinem «Wohlstand der Nationen», als er schrieb, dass die Menschen in erster Linie Arbeitsteilung betreiben müssten, um ihre Kräfte zu bündeln und das meiste für alle Menschen gleichermaßen zu erwirtschaften. Ein Einzelner, so dachte sich Smith folgerichtig, kann niemals so viel erzeugen wie es eine Gruppe von Menschen tun könnte, die sich organisiert. Jeder geht dabei seiner Profession nach, und gemeinsam erwirtschaften sie ein Vielfaches dessen, wass jeder für sich hätte schaffen können. 
Des Weiteren sollte ein Jeder immer einer Profession nachgehen, die auch gerade gefragt wird, da das auch nur im eigenen Interesse sein könne: Da man selbst Geld gebrauchen kann, um sich schöne Dinge leisten zu können, sich ein schönes Leben machen zu können, sollte man sich an der Nachfrage auf dem Markt orientieren. Auf diese Weise würde ebenfalls eine Win-Win-Situation erzeugt: Der Markt bekommt, was er will, und man selbst bekommt eine angemessene Gegenleistung. An sich wäre an diesem Denken auch nichts auszusetzen, wäre da nicht ein Haken: Auf diese Weise wird nur vordergründig auch an den Menschen als Arbeiter auf dem Markt gedacht, sodass er seine eigenen Interessen und Wünsche nebst Träumen erfüllen kann – am Ende bleibt aber trotzdem der Markt der Dirigent in der Gesellschaft: Er stellt die Forderung, und der Mensch als Arbeiter bietet den Kompromiss an, der aber in erster Linie dem Markt als Bittsteller glücklich stellen muss. Der Mensch als Arbeiter hat dagegen kein weiteres Mitspracherecht als dass er auch nicht ablehnen kann. Er muss das erstbeste nehmen, was den Markt als Bittsteller glücklich stellt, da der Mensch als Arbeiter auch nicht viel Zeit zum Verhandeln hat. Zwischen beiden herrscht eine Mentalität wie bei einer Belagerung, bei welcher die eine Seite aushungert, während die andere Seite hinter ihren Festungsmauern hungert. Die belagernde Seite, welche der Markt darstellt, würgt die einfachen Menschen, welche immanent und zugleich indirekt gezwungen werden, an ihm teilzuhaben, und sich seinem Regelwerk zu unterwerfen. Warum das eine Belagerung ist? Nun, weil es natürlich auch die Option gibt, zu kapitulieren. In der Realdarstellung wäre das der scheinheilige Spruch, wonach man doch ein Volontär im System sei, man müsse sich ihm ja nicht unterwerfen, an ihm teilhaben. Der Haken an dieser Aussage? So ganz stimmt das nicht. Wollte man nicht an ihm teilhaben, wäre man entsprechend gezwungen, die Konsequenzen dieser Entscheidung zu ertragen, d. i. kein Geld verdienen zu können, da das Geld im Markte liegt, ergo kann man auch nichts erwerben: Keine Lebensmittel, keine Unterkunft, keine Dienstleistungen wie den ÖPNV, nada
Was uns das sagt? Dass der Markt alles an sich riss, obgleich er das doch auch nicht kann, immerhin ist er nur ein Instrument, ein Vorzeigebegriff. Man könnte sagen – ein Strohmann. Theoretisch hätte letzterer insbesondere Recht, da man einem Instrument schlechterdings keinen Vorwurf machen kann. Das wäre so, als ob man einen Säugling anschrie, weil er angeblich den Klimawandel zu verantworten hätte; als ob man ein Portrait von Günter Schabowski anschrie, weil er den verfehlten Aufschwung Ost zu verantworten hätte. Man zieht einfach die falschen Schlüsse aus selektierten Tatsachen. Es wäre auch Unrecht, zu behaupten, dass der Kapitalismus als solcher ein menschenverachtendes Instrument wäre, dessen Zögling und Quintessenz zur Funktionalität, die Wurzel allen Übels sei. Es ist nur das Problem, dass er keine Schutzmechanismen gegen Missbrauch enthält, welche dem Missbrauch vorbeugten. Vielmehr lebt er, wie bereits zuvor beschrieben, von seiner Offenheit, von seinen losen Enden, welche ihn vor Kritik feien, da sie keinerlei Angriffsfläche bieten – man könnte ihn, den Kapitalismus und seine Quintessenz, als nachgerade aalglatt bezeichnen –, kann man sie auch nicht ergreifen, man kann ihnen nichts vorwerfen. Doch diese Glätte hat auch ihre Tücken: Das System weist fatale Lücken auf, welche es am Ende eher zum Schlächter denn zum Schäfer machen können, auch wenn der Kapitalismus nie ein Schäfer sein wollte. Er genügt sich selbst allemal, und braucht niemandes Zuwendung, weswegen es ihm auch ein Leichtes ist, über Menschen hinwegzugehen. Für ihn haben Menschen als solche keine Bedeutung, sie sind nur Bestandteile des Systems, welches er installierte, sie lassen sich als einfache Einheiten berechnen. Auch deswegen werden Arbeitsplätze nur numerisch angegeben, ungeachtet der Jobs, welche sie darstellen. Es fällt besonders in der Debatte um Kohle als Energieträger und dem damit verbundenen Problem des Klimaschutzes: Befürworter der Kohlekraftwerke bringen immer wieder die daran hängenden Arbeitsplätze auf; Kohlekraftwerke und Zechen zu schließen bedeute eine Welle an nicht mehr zu vermittelnden Arbeitslosen. Befürworter der Schließungen argumentieren dagegen damit, dass viele neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Um es aber mit den Worten des libysche Diktators Muammar al-Gaddafi auszudrücken: „[...] but both sides [...] are stupid.” (Das Zitat ist zwar gänzlich zerrupft und aus dem Kontext gerissen, doch Leser schenken einem mehr Aufmerksamkeit und nehmen einen ernster, wenn man von bekannten Persönlichkeiten zitiert, dem wollte ich mich auch anschließen)
Warum aber sind beide Seiten dumm, oder – um es ein wenig feinfühliger zu formulieren – liegen beide Seiten falsch? Aus zwei Gründen: Die Seite, die an den Kohlekraftwerken klammert, kann ihr Argument nur schlechterdings als Argument aufwenden, weil Jobs uns auch nichts nütze, wenn es keinen Planeten mehr gibt, auf dem man arbeiten kann. Und die Seite, die sie besser gestern als heute geschlossen sähe, kann mitnichten behaupten, dass man einen Mittvierziger noch einmal vermitteln kann, nachdem man ihn um seinen alten Job brachte. Das Risiko geht kein Unternehmen mehr ein. In solchen Fällen braucht es tatsächlich eine Grundrente, wie sie die SPD propagiert, andernfalls fallen die am stärksten und ehesten Betroffenen hinten herunter, und werden zur Strafe und wider allem besseren Wissens Parteien wie die AfD wählen. Die Regionen im Osten sind nicht allein deswegen auch die größten Erfolge der AfD, wenngleich zumindest in Sachsen mindestens 70 Prozent die Rechtsextremisten aus Überzeugung wählten. Folge man der angestellten Logik, so hat sich die einstige Protestwahl zu einer bewussten Wahl entwickelt. Da keine der linksliberalen Parteien von ihrem Kurs abwich, demgegenüber aber den Kohlearbeitern eine Lösung für das Problem ihrer daraus resultierenden Armut und den möglichen Konsequenzen für die Wirtschaftlichkeit der Regionen wie beispielsweise der Lausitz präsentierte, wurde aus dem einstigen Protesten eine handfeste Überzeugung, dass es außer ihr niemanden gibt, der sie ernstnimmt. Man wählte eben nicht immer Protest, irgendwann ist man sich seiner Sache auch sicher. Und nicht immer wählt man die gesamte Programmatik, was auch für Wähler nur selten gänzlich möglich ist – wie viele Menschen können schon von sich aus und Hand aufs Herz behaupten, dass man mit dem Gesamtprogramm einer Partei, der man eine Stimme gab, übereinstimmt? Das würde der Politik Pluralismus und Vielschichtigkeit nehmen und aus ihr eine Diashow machen, die immer in auswechselbaren Bildern mache, die aber alle ein eigenes Schema haben: Auf der Seite die Rechtsliberalen, auf der anderen die Sozialisten, dort drüben die Monarchisten und neben ihnen die Faschisten, etc. Man habe keine Ideologie oder Überzeugung mehr, sondern nur noch Plattitüden, die man sich wie ein Abzeichen ans Revers hefte. Das wäre keine Politik mehr, sondern nur noch Memory. Wem Politik aber ein solches Kartenspiel ist, der hat sie nicht verstanden. 


IV

Allmählich kommen wir dennoch vom eigentlichen Thema ab, nämlich, und das ist nichtsdestoweniger kein vollständiger Rückzug auf vorher aufgegriffene Themen, und zwar, ob denn überhaupt eine Möglichkeit bestünde, dass alle politischen Ideologien, welche eine existentielle Rechtmäßigkeit besitzen, unter einem Dach fortbestehen könnten. Gemeint ist damit, ob der lateinische Grundsatz e pluribus unum trotz ideologischer Meinungsverschiedenheiten fortbestehen kann, exklusive aller menschenverachtender Ideologien wie beispielsweise den Monarchisten oder den Rechtsextremisten (beide sehen vor, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit in einer Klasse oder Kaste, oder aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit anderen Menschen unterstünden). Ist es denkbar? Durchaus. Wie? Das möchte ich hierbei einmal erläutern, denn die Grundidee, dass wir uns wieder mehr atomisieren müssen, hängt damit eminent zusammen. 
Die Idee, dass wir die Idee der Staaten als Ordnungshüter und flächendeckende Administratoren aufgeben müssen, um uns somit rückzubeziehen auf kommunale Ebenen ohne übergeordnete Oheime und sonstige Herrscher böte uns rückwirkend die Möglichkeit zur höheren Selbstbestimmung. Das stünde kontradiktorisch zu Ideen, wie sie beispielsweise Thomas Hobbes oder John Locke hatten, die wenig auf Individualismus als solchen gaben, weil sie ja generell der Auffassung waren, dass man freiwillig die Oberhand an den Staat (oder Leviathan) übergäbe, da dieser im Gegenzug dafür sorgt, dass Frieden in der Gesellschaft herrscht. So weit, so bekannt; dass wir aber das Selbstbestimmungsrecht und Recht auf freie Entfaltung einem solch weit entfernten Schlossherrn überlassen, weil wir nicht daran glauben, dass aus dem menschlichen Naturzustand, wenn man ihn als gegeben und erforscht erachtet, etwas Besseres als einem Barbaren erwachsen kann, welcher ohne einen Leitstern vor den Augen zur Organisation fähig wäre, leugne den Status als Krone der Schöpfung, wo der Mensch bekanntermaßen unmittelbar steht. Warum sollte es dem Menschen nicht möglich sein? Vor aller menschlichen Sprache, als unsere Vorfahren noch primitive Zeichnungen an Höhlenwände kritzelten und mit nicht mehr als Speeren bewaffnet auf Bäumen umherkletterten und Jagd auf Mammuts machten, während sie sich Säbelzahntigern zur Wehr setzten, gab es womöglich schon Hierarchien, vielleicht aber auch nicht. Organisiert hatte man sich – ebenfalls bekanntermaßen – in Sippschaften. Auch diese waren hierarchisch organisiert, zumindest geht man davon aus. im Grunde ist das auch primär nicht von Interesse, wir werden gleich aber noch einmal darauf zurückkommen. 
Wir wissen aber – durch die anspruchsvollen Bedingungen, in denen sie dort leben: Die Natur war ihnen Freund und Feind, wer allein unterwegs war in diesem feindseligen Klima, konnte leicht Opfer eines Raubtiers werden oder durch wehrhafte Pflanzen und Insekten (welche den unsrigen in Sachen Körpergröße selbst gefährlich werden könnten, würden sie noch heute leben) ein Raub der Launen der Natur werden. Es war also überlebenswichtig, sich zu organisieren. Die Maxime lautete: Bleib bei uns, wenn du leben willst, oder sieh zu, wie du klarkommst. Und heute? Nun, heutzutage kann man es im Großstadtdschungel wie auch in der freien Natur (und ich meine wirklich: die freie, offene Natur) überleben, wenn man die nötigen Voraussetzungen erfüllt, beispielsweise die körperliche Fitness oder das Equipment, wenn man nicht unbedingt unterm klaren Sternenhimmel übernachten will. Man liefert sich aber nicht mehr selbst seinem Schöpfer aus, wenn man sich dazu entschließt, fortan als Eremit sein Leben abseits der Zivilisation führen möchte. Natürlich kommt das – mitunter auch aus Interesse des oder derjenigen, der oder die diesen Weg einschlagen möchte –mit einigen Abstrichen einher, beispielsweise der Einfachheit, Erledigungen im Supermarkt um die Ecke zu machen, stattdessen ist Autarkie ein wichtiges Stichwort; Unabhängigkeit von alles und allem, ein wenig anti-Establishment in Vollendung. Jemand, der auf diese Weise mehr oder weniger lebte, war wohl der moderne Hillbilly und Schwarzbrenner Marvin „Popcorn” Sutton. Ihn aber holte die Landesregierung ein, Schwarzbrennerei ist illegal, mindestens aber der Verkauf schwarzgebrannten Schnapses. Als man ihn aufspürte – das war wenige Stunden nach Aufnahme des Filmes/Gesprächs, welches ich auf seinem Namen verlinkt habe –, nahm er sich das Leben mittels Rauchvergiftung in seinem Wagen. Man sieht aber: Er besaß noch ein Auto, mit welchem er seinen Schnaps vertrieb. Auch er lebte nicht völlig ohne Annehmlichkeiten, welche er aber nicht zwingend zu seinem Vergnügen besaß, sondern als Gebrauchsgegenstände zur Ermöglichung seines abgeschiedenen Lebensweges. 
Das Leben in der Abgeschiedenheit muss aber nicht unbedingt illegal sein, wobei das natürlich von der Gesetzeslage abhängt. Je nach dem, wo man dieses Leben fristen möchte, könnte es aber Diskrepanzen mit Proprietären geben: In Deutschland sind viele Waldflächen in privater Hand, sind als Forste aus ökonomischen Gründen angelegt. sie könnte man also nicht bewohnen. Knapp 48 Prozent des Walds sind laut der dritten Bundeswaldinventur (PDF) in privater Hand, entsprechend  kann man sich vorstellen, wie schwierig es würde, irgendwo in einem solchen Wald Fuß fassen zu dürfen; oder ob man das überhaupt in Wäldern dürfte, die in Landes- oder Bundeshand sind. Die Körperschaften kann man wahrscheinlich gleich abschreiben. Dabei muss es ja nicht unbedingt ein Wald sein, in den man auswandert, oder zumindest muss es nicht innerhalb des eigenen Landes sein, d. i. das Land, in welchem man geboren wurde. Will man sich erst einmal abschotten, und der Zivilisation als solcher entsagen, müssen einem auch staatspolitische Grenzzüge inmitten der Landschaft etwas bedeuten, auch sie sind nicht mehr als zivilisatorische Konventionen. Wozu aber? Allein aus administrativen Belangen existieren sie; sie sind nicht mehr als Verwaltungsdistrikte, welche man einrichtete, um Fragen der Ressourcenverwaltung, Gesetzgebung zur Bewahrung öffentlichen Friedens und ihrer Ordnung einfacher zu regeln. Auch eine Privatgesellschaft, sollte man sie nach merkantilistischem Vorbilde anstreben, käme ohne solche Verwaltungsbereiche nicht aus. Ob in einer solchen aber noch staatliche Korpora Bedeutung trügen, diese Frage stellt sich nicht; natürlich wären es dann private Lehnsherren und -damen, die diese anschließend übernähmen. Und dennoch: Die Idee an sich hat sich bewährt, lediglich die Bureaukratie war vielen ein Dorn im Auge. Und warum auch nicht? Sie hat nicht funktioniert, sie war und ist auch noch zu träge. 


V

Inwiefern ist und war sie zu träge? Sie arbeitet zu langsam, zu ineffektiv. Viele warfen ihr einen wahnsinnigen Drang nach Regulierung vor, womit sie aber nicht allzu falsch lagen, beziehungsweise liegen. Andererseits muss man aber auch sagen, dass man ohne Regulierungen nicht auskommt. Wie auch? Regulierungen sind nicht grundsätzlich schlecht, immerhin schaffen sie einheitliche Standards, wodurch Güter und Dienstleistungen für die Allgemeinheit verständlicher werden, weil es egal ist, an welchem Punkt des Verwaltungsdistrikts man sich aufhält, die Regulierungen sind dieselben wie zuhause. Auch deswegen ist die Idee Europas keine grundsätzlich schlechte, lediglich die Umsetzung ist ein wenig lückenhaft. Und hierbei erreichen wir einen wichtigen Punkt inmitten der Problematik: Selbst rationale Libertäre, welche sich gegen eine staatlich regulierte Gesellschaft aussprechen, müssen sich zugestehen, dass das Modell der Europäischen Union nicht gänzlich unvereinbar mit der ihrigen Ideologie ist, da einheitliche Standards dem internationalen Warenverkehr einen gewichtigen Gefallen tun. Will man beispielsweise technische Gerätschaften ohne Akkus oder Batterien von Spanien nach China verkaufen (oder umgekehrt), so ist es von Vorteil, einheitliche Stecker zu verwenden, wodurch der Anschluss an Steckdosen ohne weitere Adapter funktioniert. Umgekehrt ist das durchaus ein Problem, da sich die Stecker, welche in China gebräuchlich sind, derzeit nicht ohne Adapter in europäischen Ländern gebraucht werden können, da sie anders gebaut sind. Natürlich ist das jetzt kein wirtschaftlicher Totschlag, doch es ist hinderlich, lästig, und müsste nicht sein. Einheitliche Regulierungen könnten diesem Manko Abkehr schaffen, doch ist es nicht festgelegt. 
Man stelle sich nun aber vor, es gäbe die EU nicht, und jedes Land müsste sich mit dem jeweils anderen Land, mit welchem es Handel treiben möchte, darüber einigen, nach welcher Norm bestimmte Bestandteile eines Produkts gefertigt werden sollten, damit man am Ende des Handelsabschlusses einig wird über einen Kaufvertrag. Probleme wie diese sind es auch, welche den Brexit – den Ausstieg Großbritanniens aus der EU-Handelszone – immens verzögern (nebst dem Zwist darüber, ob man nun mit oder ohne Vertrag aus der EU aussteigen soll; ob man also wissen möchte, wie sich der Austritt, sobald er vollzogen ist, gestalten soll. Ohne Vertrag wird es bekanntlich chaotisch, da man kaum Handel mit dem benachbarten Kontinent treiben kann, da – man konnte es sich schon denken – nicht wüsste, welche Regulierungen zwischen den Vertragspartnern gelten sollen. Grenzkontrollen sind die Folge): England möchte Ulster, also Nordirland, nicht zurückgeben; Irland, da es nicht zu Großbritannien gehört, bleibt aber in der EU, und so herrsche auf der grünen Insel im Norden eine Grenze zwischen dem katholischen Süden (und County Donegal, welches westlich von Ulster liegt, somit Nordirland von links flankiert) und dem protestantischen Norden herrscht. Die Lage vor Ort würde also noch surrealer, da diese Grenzziehung nicht erst seit den Troubles völlig absurd ist und allein bestimmt durch England, sondern würde die Lage obendrein noch verschärft, da man nach dem Brexit nicht einmal die Familie, welche in einem anderen Land lebt, ohne Weiteres besuchen könnte. Grenzkontrollen müssten auch dort eingeführt werden, da man auf Irland eine Problematik ohne die Wassergrenze erlebe. Es wäre wie die Grenze zwischen England und Frankreich, nur eben über den Landweg, und absurderweise im selben Lande. 
Man sieht also: Grenzen jedweder Art stören eigentlich nur, und erfüllen doch eigentlich nicht mehr als den administrativen Faktor. Sobald man aber überall einheitliche Regularien hat, kann man sie auch gleich von der Karte streichen. Einzig und allein die Verwalter müssen wissen, wo ihr Zuständigkeitsbereich endet. Den gemeinen Menschen von nebenan ist es in der Regel gleich, sofern er nicht aus unerfindlichen Gründen enorm daran klammert. 
Es ist übrigens auch nicht gesagt, dass es allein um vebrlinde Übereinkünfte bei der Herstellung von Produkten geht. Nein, man kann es auch noch auf andere Ebnen erheben, beispielsweise, ob Waren aus Ländern oder in Teilen aus Ländern bezogen wurden (beispielsweise bei Waren, die aus mehreren Bestandteilen bestehen, welche man aus allen möglichen Ländern bezieht, um sie schließlich vor Ort zusammenzusetzen, so beispielsweise auch üblich bei technischen Produkten, welche in den USA verkauft werden, jedoch Rohstoffe aus dem Kongo beinhalten und in Südostasien zusammengesetzt werden, um als fertige Produkte in den USA endlich zu liegen zum Verkauf): Hat man sich gemeinschaftlich darauf geeinigt, ein Land aufgrund von Menschenrechtsverletzungen (beispielsweise) zu boykottieren, so muss man sich auch verbindlich einig darüber sein, dass man aus diesem Land nicht länger etwas bezieht. Ist aber ein bestimmtes Land nicht Teil dieser Union, in derm an sich auf einen Boykott einigte, so muss kontrolliert werden, ob nicht Produkte in einer Schiffsladung an Produkten enthalten sind, welche aus dem Land, welches man boykottiert, enthalten sind. 
Lange Rede, kurzer Sinn, es dürfte klar sein; Worauf ich hinaus möchte: Grenzen dienen allein einem Verwaltungsaufwand, und je größer diese Distrikte sind – was isch übrigens nicht daran bemisst, wie viele Schichten dieser Distrikt hat, sondern vielmehr, welche in größeren Fragen relevant sind; im Regelfall sind es entweder föderale Landesgrenzen oder die Bundes-, beziehungsweise Staatsgrenzen –, desto unübersichtlicher und komplizierter wird das Problem. Man male sich nun nur noch aus, wie schwierig das Ganze ist, wenn man darüber hinaus ausgeschlossen ist aus einer Union. Ich weiß es auch nicht ganz, aber irgendwie haben die Schweizer das im Griff. 
Wer sich noch eine Schippe an Wut obenauf setzen möchte, der regt sich noch darüber auf, welche den privaten Handelsverkehr dergestalt ignorieren, dass sie ihm die eigenen Regeln aufstülpen. Das wäre die Ebene, auf der man in moderater Form bei der FDP anfängt, welche in allem einen bureaukratischen Regulierungswahn sieht. Man kann sich durchaus vorstellen, dass private Handelsgesellschaften, um sie sehr historisch zu bezeichnen, die Sache auch ohne Hilfe des Staates im Griff hätten, sie also klarkämen. Die Frage ist nur: Könnte man es verantworten, sie einfach machen zu lassen, unbekümmert, sans souci. Das sind eben Vorstellungen, die Libertäre bereits für sich durchdacht haben. Gemeinsam kamen sie zu dem Entschluss, dass es den Staat nicht bräuchte. Werft ihn über Bord, er ist nur Ballast in unserem Montpellier in Richtung Freiheit! Das Problem ist nur, dass, werfe man den Staat ab, nicht aber die privaten Handelsgesellschaften, welche bereits über sich hinauswuchsen, sie die Macht übernähmen. Sie würden das Land, ähnlich der Siegermächte nach Napoléon I., das Land unter sich aufteilen, die Grenzen neu ziehen. Es wäre durchaus vorstellbar, dass auch sie das Land propriierten, es unter sich aufteilten. Auch ein Unternehmen muss einen Überblick über sein Hab und gut haben. Und so gäbe es eben die zuvor einmal angesprochene Kleinstaaterei, wie wir sie zuvor bereits erlebten. Jedes Unternehmen und jeder Konzern, welcher die Mittel hatte, sich Land unter den Nagel zu reißen, würde Konditionen für die Passage ausweisen, man würde sich die Arbeitnehmer Untertan machen, welche nach den eigenen Spielregeln zu spielen hätten. Anders als es aber die Schweine in Orwells «Animal Farm» taten, ist aber davon auszugehen, dass sie ihnen nicht dieselben Märchen vom sozialistischen Staate der Vierbeiner und Federtiere erzählten, sie wären ehrlicher, da sie kein solch ausgeprägtes Gewissen hätten, irgendwen anlügen zu müssen. Überhaupt: Das Müssen bestünde gar nicht erst. Man würde geradeheraus sagen, wie es wäre, und damit fände man sich enteder ab, oder nicht. Wie es aber aussähe, wenn man es nicht wäre, kann man sich vorstellen: Geh doch woanders hin, du bist frei! Jedoch nur frei, sich irgendwem zu unterwerfen. 
Damit schließe sich aber auch der Kreis der Entwicklung und der Differenzen zwischen Staat und Markt: Lediglich der Herrscher sieht anders aus, die Strukturen unterscheiden sich lediglich in der Couleur. Ob dir nun dein Chef auf der Arbeit mit der Entlassung droht oder das Finanzamt mit dem Inkassounternehmen, ist ein relativer Fluch. Lediglich dürfte es weniger Regularien beim Antrag auf Entstaatlichung geben, man wäre also leichter aus Deutschland als aus den Ländereien von Kraft Foods geflohen. Wahrscheinlich wäre eine Staatsbürgerschaft in den Ländereien eines Großkonzerns relativer als eine Staatsbürgerschaft in einem tatsächlichen Staat. In einem Land, in welchem die Arbeit mehr zählt als der Mensch, ist der Status des Mensch auch nicht so interessant wie die Arbeit, die er zu leisten bereit/gewillt ist. Dabei sind Bereitschaft und Wille zwei vage Begriffe, solange nicht nach selbigen gefragt wird, sondern lediglich das Ultimatum von Pflichtbewusstsein und Konsequenzen der Verweigerung gestellt wird. Und diese sind, obgleich in beiden Formen vorhanden, auch durchaus gleichermaßen präsent und maßgebend. Sie werden lediglich unterschiedlich erwirkt. Wer also nicht dafür ist, Macht gegenüber Konzernen auszuüben, kann nur schlechterdings von sich behaupten, gegen hierarchische Unterdrückung vorzugehen; Menschen, die so denken, gehen nur halbherzig an die Problematik einer Machtausübung von oben nach unten (auch tröpfchenweise) heran. Wirklich eindämmen wollen sie das nicht. Da kann man meinen, was man will. Macht, Unterdrückung und Entzug der Freiheit sind parallel verlaufende Mechanismen, sie werden in zweierlei Bahnen vollzogen. 


VI

Das sind natürlich harte Worte, das gebe ich gerne zu. Auch bedürfen sie der weiteren Erörterung, sie bräuchten eine stärkere Beweislage. Kann ich sie liefern? Durchaus. Wollten wir es aber monographisch behandeln, wäre das Stoff für einen eigenen Text, den ich an anderer Stelle eines Tages liefern werde. Für den Moment muss es aber ein Abstrakt solcher unterdrückerischer Machtstrukturen tun. Anfangs hatten wir bereits die Erwähnung von Amazon und der Deutschen Post, welche beide geübt darin sind, ihre Mitarbeiter zu gängeln mit Niedriglöhnen, gegen welche sie nichts tun können, da sie entweder daran gehindert werden, Gewerkschaften und Betriebsräte zu etablieren, sie aus dem Ausland angeheuert werden ohne Arbeitsverträge oder Sozialversicherung, wodurch sie faktisch schwarz arbeiten und daher keinen Anspruch auf rechtlichen Beistand haben (bis auf die Tatsache mit der Schwarzarbeit trifft allein ersteres auf Amazon zu). 
Ähnliche Strukturen erleben wir übrigens auch bei Tesla (d. i. ähnlich wie bei Amazon): Tesla-Gründer Elon Musik zwingt Mitarbeiter, ähnlich ähnlich kräftezehrend zu schuften wie er; auch dort ist die Gründung von Gewerkschaften (zusätzliche Informationen aus anderer Quelle) oder Betriebsräten unerwünscht, da man es sich augenblicklich nicht leisten kann (dadurch das Unternehmen praktisch durchweg rote Zahlen schreibt, könnte das Unternehmen ebenso jederzeit Insolvenz anmelden und darum vor die Hunde gehen. Aufgrund dessen kann man auch keine günstigeren Arbeitsbedingungen erzwingen, all das könnte am Ende den Ruin bedeuten). Recherchiert man noch mehr und studiert noch mehr Berichte aus dem Innern Teslas, erfährt man, dass das nach außen hin hippe und futuristische, avantgardesque Unternehmen des selbstlosen Pioniers Elon Musk in Wirklichkeit ein Amazon für Elektromobilität ist, mit dem Unterschied, dass Musk dabei noch immer aussieht wie ein Start-Up-Unternehmer, und Jeff Bezos wie ein Hauptdarsteller in der «Stirb Langsam»-Reihe. Das Verhalten beider CEOs ihrer jeweiligen selbstgegründeten Unternehmen ähnelt indes wie ein Ei dem anderen. Einzig Herr Musks Offenheit gegenüber seinen harten Bandagen unterscheidet ihn von Herrn Bezos. Letzterer sieht es als praktisch gegeben und sogar als normal an, seine Lohnsklaven – man muss sie, die Lieferanten und die Lagerarbeiter – nun einmal so nennen, denn nicht anders werden sie behandelt, sie sind moderne Sklaven in der westlichen Welt, von den Sklaven in der fernöstlichen Welt ganz zu schweigen. 

Es ist schon starker Tobak, bei Menschen in solchen Berufen von Sklaven zu sprechen, da das herkömmliche Narrativ vom Sklaven dem widerspräche. Sklaven, in unserer stereotypen Vorstellung, sind Eigentum ihres Lehnsherren, welcher sie kaufte. Sie sind unfrei, an ihn gebunden, erhalten keinen Lohn, dafür nur das nötigste, um sie am Leben zu halten. Und sind sie einmal erschöpft, werden sie wie räudige Hunde erlegt. Dadurch sie so billig zu erwerben waren, war es ebenso günstig, sie einfach loszuwerden anstatt sich um ihr physisches und seelisches Wohl zu kümmern. 
Heutzutage hingegen sieht das Bild ein wenig anders aus: Unzählige Non-profit-Organisationen und NGOs wachen mit Argusaugen über das Wohl der Menschen, und prangern all jene an, die über selbiges hinwegschreiten, sei es aus eigenem Vorteil oder dem ihres Unternehmens (im Nachhinein auch das ihrige). Sie genießen eine überaus honorige Reputation unter Regierungen westlicher Nationen für ihre Arbeit, gelegentlich werden sie für ihre selbstlose Arbeit auch geehrt in Form von hoch dotierten Preisen. Dabei kann man dieses Verhalten ihnen gegenüber auch zynischer betrachten: Ist es vielleicht eine Masche, die Fassade der Ehrung ihrer Arbeit zu ehren und bewahren, um aber im Gegenzug den Status quo gleichermaßen zu bewahren? Um es klarer zu formulieren: Geben sie nach außen hin vor, die Arbeit gutzuheißen und sie zu unterstützen, obwohl das Gegenteil eigentlich der Fall ist und man nichts daran ändern möchte? Etwas breiter gefasst – und ja, ich weiß, dass diese Quelle ein wenig parteiisch und an den Haaren herbeigezogen ist, doch es geht auch nur um die Idee, und nicht um irgendwelche Unterstützung meines Arguments – wurde es bereits vom Autor Marc-Uwe Kling angedeutet in seinen «Känguru-Chroniken»: Dort behauptete das Känguru, dass der Kapitalismus geschickt mit seinen Kritikern umginge, indem es sie nicht aus der Gesellschaft entfernt oder sie öffentlich als Feinde der Gemeinschaft oder der Ordnung anprangert, sondern das genaue Gegenteil tut: Er erhebt sie auf einen Thron, ehrt sie öffentlich und stilisiert sie als Helden (oder Märtyrer, je nach Zustand). Der Zweck dahinter: Sie werden unschädlich gemacht, dadurch man sie nicht als Feinde betrachtet und bekämpft, sondern sie als Verbündete auf die eigene Seite zieht. 
(Image by skeeze from Pixabay)
Beispiele gefällig? Als Gegenteil zu dieser Masche hätten wir den chinesischen Künstler und Dissidenten Ai Weiwei, welcher aus seiner Heimat nach Deutschland floh, nachdem man ihm hierzulande Asyl gewährte. Hier ging er seiner Arbeit weiter nach und kritisierte auch weiterhin die Diktatur seines Heimatlandes. Gleichzeitig kritisierte er aber auch das Verhalten des Westens (wahlweise auch nur gegen Deutschland, das liegt wohl aber im Auge des Betrachters) gegenüber dem Politbureau in Beijing. Insgesamt aber zeigt sich eindeutig, wer hier das Übel ist: Die pseudokommunistische Diktatur Chinas unter Xi Jinping und seinem Käfig voller Narren. Könnte man aber ähnliche Feinde aber auch im Westen ausmachen? Schwerlich. Warum? Weil wir hierzulande keine Regierungen haben, die offen Jagd auf Andersdenkende machen. Dass man es in Demokratien preist, dass jeder seine Meinung kundtun darf, sofern sie nicht als Bestandteil der Hassrede fungiert. Darüber gab es natürlich schon diverse Debatten, doch am Ende konnte in der Regel jeder noch sagen, was er oder sie wollte, ohne dafür am nächsten Tage die Polizei vor der eigenen Haustür willkommen heißen zu müssen. Die argen Fälle waren zumeist vereinzelt. Manch einer mag vielleicht noch die Verschwörungstheoretiker aufführen, die doch angeblich verfolgt und/oder unter Strafe gestellt würden, doch dem ist tatsächlich nicht so. Stichwort hierfür: Die montäglich stattfindenden Mahnwachen auf dem Alexanderplatz in Berlin. Ansonsten kann es auch sein, dass sich Menschen mit einem kleinen Stand auf der Grünfläche vor dem Bundestagsgebäude aufstellen, um über die BRD GmbH zu informieren. Sofern niemand in ihnen eine Bedrohung des öffentlichen Frieden erkennen mag, wird aber auch dieser Stand nicht geräumt. So tun es beispielsweise auch Staatenlos.info, einer skeptizistischen Gruppierung, welche die Existenz der Bundesrepublik Deutschland infrage stellt, sich aber dennoch nicht als reichsbürgerlich, rechts- oder linksextrem sieht. Viel gibt es dennoch nicht über sie zu erzählen. Es ist auch gar nicht so wichtig für die Frage hierbei, vielmehr geht es doch darum: Sie können theoretisch überall in Berlin, oder sonst irgendwo in Deutschland, ihre kruden Theorien mittels Ständen und Infomaterial präsentieren, solange sie niemandem damit direkt schaden, beispielsweise durch üble Nachrede oder Aufrufen zu kriminellen Handlungen. Zu behaupten, dass die Bundesrepublik illegitim wäre, weil sie ja schließlich im Handelsregister eingetragen ist, oder die Besatzungszonen der Alliierten und der Sowjetunion (welche im selben Jahr wie zur Gründung der gesamtdeutschen Republik zu Grabe getragen wurde, oder man zumindest in diesem Jahr damit begann, um die daraus resultierenden Staaten sich selbst zu überlassen) noch weiterhin gelten, die Besatzung also praktisch nie endete. Beweis hierfür sie beispielsweise die Stationierung amerikanischer Drohnen in Deutschland, auf der Basis Ramstein in der Nähe von Kaiserslautern weiterhin US-amerikanische Drohnen stationiert sind und von hier noch immer Drohnenangriffe ausgehen, wie man auch im verlinkten Artikel lesen kann. Fürwahr ist Ramstein nicht unumstritten, weil man uns auch nie fragte, wie wir denn dazu stehen, mit zu verantworten, dass von Deutschland aus Drohnenkriege im Nahen Osten geführt werden.Dennoch hat es aber nichts mit zu tun, dass wir noch immer unter Supervision der amerikanischen Regierung stehen – es ist vielmehr eine strategische Frage: Von hier aus lassen sich die Drohnen via Satellit einfach besser steuern; außerdem gelten wir trotz aller Spannungen mit Donald Trump als Verbündeter der Amerikaner. 
Doch wir steigern uns zu sehr in die Sache hinein, und kommen darum wieder vom Thema ab. Auch solche Menschen dürfen so lange über ihre Ideen schwadronieren, bis sie als tatsächliche Gefahr wahrgenommen werden und darum präventiv in Gewahrsam genommen werden. Wann diese Schwelle überschritten ist, ist – außer bei kriminellen Taten – schwer auszumachen. Man kann schließlich nicht jeden mit radikalen Ideen präventiv in Gewahrsam nehmen, weil er eines schönen Tages gefährlich werden könnte für Menschen, die ihm oder ihr nahestehen, beispielsweise Familie, Verwandte, Nachbarn oder Kollegen auf der Arbeit. Ebenso wenig kann man sie alle auf Beweismaterialien oder (il)legalen Waffenbesitz kämmen. Letzterer Punkt wäre natürlich – insbesondere bei Reichsbürgern, wie vergangene Fälle bewiesen –ein kritischer Punkt, bei dem eine solche Methode notwendig wäre, also das präventive Filzen auf mögliche Verdachtsfälle.  Wer Waffen hortet, tut das nicht (immer), weil er oder sie ein Faible für Waffen hat (außer es sind demilitarisierte, historische Waffen, die tatsächlich nur noch als morbide Dekoration taugen) – manche bezwecken tatsächlich, damit jemanden umzubrignen!; oder aber sie haben Angst, auf offener Straße Opfer einer kriminellen Straftat in Form einer Vergewaltigung (mehrheitlich Frauen) oder eines Mordes (beide Geschlechter, wohl aber vor allem Frauen) zu werden, weswegen sie in der Lage sein wollen, sich zu schützen, bevor die Polizei zur Stelle ist. Sich auf andere oder die Polizei zu verlassen, wäre ihnen zu riskant, und könnte ihnen das Leben kosten. Der Grund der Selbstverteidigung ist aber der stärkste, und hat auch die Zahlen der legalen Waffenbesitzer ansteigen lassen, wie Statistiken beweisen. 


VII

Muss man den legalen Waffenbesitz aber grundsätzlich verurteilen, ihn als Reaktion auf die Flüchtlingskrise von 2015 rückführen und auf einen immensen Rechtsruck in Deutschland herunterbrechen? Ja und Nein, es sind viele Annahmen; manche von ihnen stimmen wahrscheinlich, und haben auch eine partielle Bewandnis in unserer Gesellschaft, doch sollte man von rassistischen Ressentiments absehen. Sehen wir die legale Bewaffnung der Menschen einmal (ideologisch) positiv: Das Recht auf Selbstverteidigung ist eminent für die Selbstbestimmung des Individuums, und könnte, sollte sie Früchte tragen (jedoch nicht solche des Hasses, sondern der evolutionären Fortentwicklung des Menschen, weg von Vormündern wie dem Staate, und hin zur Individualisierung und Atomisierung der Gesellschaft), eines Tages den exekutiven Flügel des Staates abwickeln. 
Oder wäre das ein Grund gegen die Selbstbewaffnung? Im Grunde müssten wir auch Angst vor der Selbstbewaffnung haben, immerhin fehle durch die Polizei auch das Organ des Staates, welches darauf Acht gab, dass die Gesetzgebung eingehalten wird. Die Folge könnte durch ein Aussterben der Autorität durch Bürger, die sich ihr zur Wehr setzen können, eine anomische Gesellschaft werden, d. i. eine Gesellschaft, in welcher Gesetze (= Normen) keine Kraft mehr haben, weil sie nicht mehr verstärkt werden durch Hüter der selbigen. Der rund, der diese Angst unterstreicht, ist ein zunehmender Egoismus; Befürworter eines Staates, wie ich zuvor behauptete, sehen in der Natur des Menschen einen bellum omnia contra omnes, also dass Menschen von Grund auf gegeneinander denn füreinander angestimmt sind; man ist von Natur aus eher dazu geneigt, seine Nächsten zu zertrampeln als ihnen aufzuhelfen. Ich hielt dagegen, dass unsere frühesten Urahnen bereits sozial engagiert waren, wobei ich dem gegenüberhielt, dass die Alternative der sichere Tod gewesen wäre, und wir diesen heutzutage nicht länger zu befürchten haben, zumindest nicht allgemein, sondern abhängig von der eigenen Veranlagung zur Sozialisierung oder dem Einzelgängertum. Sagte ich nun aber, dass wir ohne einen Staat und seinen langen Arm des Gesetzes geradewegs in einen Bürgerkrieg aller gegen alle schlitterten, widerspräche ich mir lautstark. Es bedarf also einer Erklärung. 
Diese Erklärung baut zunächst auf der Waffe selbst auf. Es ist dafür völlig irrelevant, welche Waffe wir nähmen, ob wir nun von einer Handfeuerwaffe sprächen oder von einem vollautomatischen Sturmgewehr, ganz zu schweigen von brachialen Maschinengewhren, die aber selbst im US-amerikanischen Hausgebrauch ein Novum wären. Eine Waffe bedeutet in erster Linie Macht; ob diese Macht aber der Selbstverteidigung dient oder der tödlichen Dominanz einer Gruppierung, die man als deplatziert im eigenen Land erachtet, ist schon wichtiger. Ab diesem Punkt kämen wir wieder auf die Menschen selbst zu sprechen, und wo ihre Natur zu verorten ist, im Egoismus oder Altruismus. Eine Frage, die sich seit Jahrhunderten in der Ethik als die grundsätzlichste aller Fragen herausgestellt hat. Unglücklicherweise ist ein Grundpfeiler der Ethik die Notwendigkeit des Universalismus: Was auch immer man propagiert, muss universale Gültigkeit innehaben. Freilich stößt diese Maxime vor gewisse Schwierigkeiten, wenn es darum geht, Menschen zu beschreiben in ihren tiefgreifendsten Grundzügen. die Frage, ob der Mensch von Natur aus egoistisch oder altruistisch ist, lässt sich weiter verzweigen in praktisch alle geisteswissenschaftlichen Bereiche, hin bis in die Wirtschaftswissenschaften und die Jurisprudenz (aus diesen beiden erwuchsen schließlich Ideen des Konservatismus und Libertarismus). Vorhin sagte ich, dass der Mensch von Natur aus altruistisch veranlagt sei, nur behaupte ich das Gegenteil. Zu folgender Hypothese muss meine Argumentation also führen (wenn wir von Ahnungslosigkeit, entlarvenden Kontradiktionen und meiner womöglichen Inkompetenz in dieser Thematik, die sich zwischen Anthropologie und Sozialwissenschaften ansiedeln lässt, absehen): Dem Menschen obliegt keine Natur per se zugrunde, sondern hat sich diese selbige, sollte sie jemals existiert haben, aufgelöst, und ist der Mensch nunmehr primär ein Produkt seiner sozialen Umgebung und Umstände. Das heißt: Die Natur eines menschlichen Wesens, vielmehr seine charakterlichen Züge und der daraus resultierende Umgang mit Mitmenschen. Ob ein Mensch also egoistisch oder altruistisch veranlagt ist, hängt davon ab, was dieser Mensch von Beginn seines Lebens an erlebte, und wie ihn, den Menschen, das beeinflusste. Darum sind kleine Kinder ad ovo zu Mitmenschlichkeit und einem hohen Empathiegefühl geneigt, währenddessen es bei Erwachsenen schon wieder anders aussehen kann. Schauen wir uns die Vitae zwei willkürlich von mir ausgewählter sehr bekannter Philosophen an – Ayn Rand und Karl Marx (zwei Philosophen, die mich meiner Meinung nach in meinem Denken stark beeinflusst habe und die ich beide sehr schätze) –, so erkennen wir darin ein Muster, welches meinen Standpunkt zu begründen vermag: Karl Marx war zeit seines Lebens ein Verfolgter, welcher nie über ein überschwängliches Vermögen verfügte, jedoch studiert war in Fragen der Wirtschaft und der Staatstheorie. Er entwickelte ein System, in welchem finanzielle Mittel überflüssig würden, in welchem der Staat durch die Arbeiterschaft überwunden würde, und die Schlussfolgerung die Diktatur des Proletariats würde, welches sich am Ende der Entwicklung ebenfalls auflöse und zu einer staatenlosen Gesellschaft führe. 
Ayn Rand hingegen ist der Emporkömmling russischer Migranten in den USA, sie erlebte den staatlichen Terrorismus der Bolschewiki unter Stalin, und war infolgedessen erbost über das Schwärmen junger amerikanischer Philosophen für die Sowjetunion, obgleich sie sie nie in Aktion erlebten, sie beobachteten das Geschehen von Übersee aus. Sie entwickelte daraufhin eine Philosophie, die auf das Können der Individuen aufbaute; sie propagierte die absolute Freiheit, für die Auflösung des Staats, welcher in ihren Augen alle Freiheit zumeist obstruierte und auch ansonsten nur im Wege stand, und für einen Freien Markt, so frei es eben nur geht. Sie positionierte sich antikommunistisch infolge ihrer Erfahrungen, und wollte niemanden dazu gezwungen sehen, in einer Gemeinschaft mitwirken zu müssen, irgendwem etwas abgeben zu müssen oder mit irgendwem teilen zu müssen, derartige Entscheidungen sollten konsensuell entstehen. Steuern widerstrebten ihrem Weltbild entsprechend. Aller Zwang war ihr zuwider, so eben auch der staatliche wie jeglicher kommunistischer. 
Wir sehen also: Entgegen der landläufigen Meinung, wonach Philosophien nicht selten vor allem Kreationen der Zeit ihrer Hervorbringung sind, sind sie auch Geschöpfe der Erfahrung ihrer Schöpfer; was jemand persönlich erlebte, wodurch jemand im Leben kommen musste, um an diesen bestimmten Punkt in seinem Leben – den, an dem er sich entschied, seine Ideen zu Papier zu bringen in einem womöglich eines Tages wegweisenden Manifest – anzukommen. Wahrscheinlich war das für manche ohnehin klar und bis dato unbestreitbar, doch birgt diese Tatsache ein Problem: Wer kann aufgrund dessen behaupten, aufgrund einer bestimmten Ideologie herausgefunden zu haben, dass er oder sie das Allheilmittel fand für unsere geschundene Gesellschaft? All die Ideen, die durch große Männer und Frauen in der Geschichte geschrieben wurden, entstanden lediglich, weil ihre Verfasser durch bestimmte Strapazen in ihrem Leben kommen mussten, sie bestimmte Umstände in ihrer Zeit erlebten, und daraus Ideen entwickelten, die in ihrer Zeit die Ungeraden wieder geradegebogen hätten. Nicht selten ist es sogar so, dass zur selben Zeit auch mehrere verschiedene Konzepte entwickelt wurden, wodurch beispielsweise Marx seine Ideen zur selben Zeit entwickelte wie die sogenannten Manchesterliberalen, welche maßgeblich die industrielle Revolution beflügelten in England und zu den Zuständen führten, welche Marx später für sein Werk gebrauchte, aufbauend auf Informationen, welche er von Engels bezog. Sozusagen gingen diese beiden konträr zueinander verlagerten Ideen Hand in Hand, oder zumindest ist es den Manchesterliberalen zu verdanken, dass wir Marx' Schriften haben. Wahrscheinlich würden mich aber Verfechter beide Seiten dafür in die Mangel nehmen, Derartiges zu behaupten. Darum belassen wir es dabei, und kommen zurück zum eigentlichen Thema. 


VIII

Worauf ich damit hinausmöchte, ist folgendes, und ich adressierte es bereits zuvor einmal, wenn auch vielleicht etwas kurz. Doch der Punkt ist weiterhin zu verteidigen: Es gibt nicht das eine gesellschaftliche Modell, welches unsere Gesellschaft erretten kann, da es kein System gibt, welches universell alle Menschen zufrieden stellen wird. Normalerweise dürfte hierbei gesagt werden: «Aber klar, das ist doch nichts Neues, du erzählst uns damit auch nur, dass blaue Farbe blau ist.» Und ich wäre auch froh, wenn ich das mit einem Lächeln und einem Blick der Genugtuung zustimmen könnte, doch kann ich das nicht, da dieser Konsens nicht besteht. Ohnehin gäbe es bei vielen hierbei genannten Punkten vergleichsweise wenig Konsens. Woher ich diese Auffassung entnehme? Von der Parteienpolitik. Wer sich einer Partei anschließt, und hierbei spreche ich vor allem von einer parlamentarischen Partei, und nicht von einer politischen Organisation, welche sich dem Aktivismus verschrieb, der verschreibt sich bekanntermaßen auch einer gewisse ihr zugrundeliegenden Ideologie, in erster Linie aber natürlich dem Parteiprogramm, welche aber in den Grundrissen einer tiefer verborgenen Ideologie. Daran ist natürlich auch nichts Verwerfliches, immerhin beruft man sich immer auf einer geistigen Schöpfung, welche man im Parteiprogramm materialisiert. Die FDP orientiert sich nach eigener Aussage am Ordoliberalismus; die AfD am (Ethno)Nationalismus vornehmlich, der bürgerliche Konservatismus gilt als Fassade; die Linken am demokratischen Sozialismus; die SPD vornehmlich am Machterhalt durch Partizipation an Koalitionen, früher einmal an der Sozialdemokratie; die Union an irgendetwas, was sich nicht identifizieren lässt. 
Was bedeutet es aber, wenn man sich einer solchen Partei anschließt? Das bedeutet, dass man wahrscheinlich auch mit dieser Partei an die Macht gelangen möchte, um die eigenen, im Parteiprogramm verewigten Ideen durchzubringen; man möchte dem Lande einen Stempel aufdrücken, möchte das Land formen, beeinflussen, möchte in erster Linie für Frieden, Wohlstand und Ordnung sorgen, mittels der eigenen Ideen; wie man es am besten hinbekommt. Konservative versuchen das durch Steuersenkungen in allen Bereichen, möglichst geringe Haushaltsausgaben, und eine rationale Deregulierung (rational, weil eine totale Deregulierung, also ein Rückzug des Staates aus dem Markt, zur Willkür des Marktes, welcher die Menschen ausgesetzt wären, führe; da man den Staat aber nicht gänzlich außer Gefecht setzen möchte, kann das auch nicht im Sinne eines Konservativen sein. Der Konservative weiß, dass man Maß mit der Deregulierung halten muss). Sozialdemokraten möchten den Sozialstaat so weit erhalten, dass er den Arbeitern des Landes eine Rente am Ende ihres tüchtigen Lebens ermöglichen möchte; er möchte ihnen obendrein auch gesetzliche Versicherungen anbieten, die ihn nicht wie eine Zitrone ausquetschen, und dennoch einen Schutz bieten im Falle der Krankheit, der (plötzlichen) Arbeitsunfähigkeit oder sonstigem. Der Staat soll ein treuer Weggefährte bleiben, der aber dennoch nie im Wege steht, der einfach weiß, wo sein Platz auf dem Weg durchs Leben ist. Der Ordoliberale hingegen vertraut dem Menschen, dass er weiß, was er tun muss, und selbst am besten weiß, was gut für ihn ist. Deswegen setzt er, ähnlich wie der Konservative, auf Deregulierung, einen schmalen Staat, und auf geringe Ausgaben. Anders als der Konservative aber hält er wenig von Traditionen, sieht sich als junger Progressiver, und ist insofern innovativer, denkt globaler. 
Was schließen wir daraus? Das, was ich bereits in vielfacher Weise behauptete: Dass es viele Perspektiven auf dieselben Probleme gibt, und man niemals alle Menschen unter einem Schirm vereinen können wird. Irgendjemand wird immer meckern, und größer gedacht wird es viele Menschengruppen geben, die auf die Barrikaden gehen, weil sie überall Menschen sehen, die zu kurz kommen. Was man häufig als gefühlten Unmut über eine gewisse regierende Partei/Ideologie von der Hand weisen möchte, kann häufig, wenn nicht praktisch immer, mit Berichten und entsprechenden Zahlen bewiesen werden. Partei und Ideologie habe ich hierbei durch einen Schrägstrich getrennt, da die Begriffe in diesem Kontext synonym verwendet werden können. Die Partei existierte erst nach der Ideologie, bedient aber dieselbe. Nie bemühte sich ein Jemand darum, zu überlegen, ob die bestimmte Ideologie überhaupt jemals für den parlamentarischen Betrieb gedacht oder angepasst war, wurde, oder jemals gebraucht werden sollte. Man sah sich nur dazu gezwungen, es ihm zu introduzieren, weil man dachte, dass ähnlich gesinnte Menschen ihre Vertretung darin wissen sollten. Niemand sollte seine Gedanken im Privaten fristen müssen, während die Regierung, die eines Menschen Leben reguliert und verwaltet, einer anderen Couleur ist. Gleichzeitig schwor man einen Eid darauf, auch anders gesinnte Regierungen zumindest zu ertragen, im schlimmsten Falle aber auch zu verteidigen. Bedeutet: Zumindest den repräsentativen Vertretern, die diesen Eid schworen, geben sich auch damit zufrieden, dass sie im schlimmsten Falle niemals das Zepter in der Hand halten werden, bemühen sich aber redlich darum, Einfluss zu nehmen, egal wie, und sei es nur von der Oppositionsbank aus. 
Vor allem aber lebt die Demokratie – die einzige staatliche Ausdrucksform, in welcher praktisch alle legitimen (und seit der AfD und der NPD im Gleichschritt sogar illegitimen) politischen Ideologien gleichsam nebeneinander koexistieren können – von der Regentschaft der Mehrheit, wahlweise in Form einer oder mehrerer Parteien, die miteinander koalieren. Die Mehrheit lässt sich ab 50 Prozent bis zur vollen 100 Prozent in verschiedenen Größen abbilden; Hauptsache, sie bildet die Mehrheit. Das bedeutet aber auch, dass von 49 bis zu einem Prozent der zu regierenden Bevölkerung nicht zu ihrem Recht kommen werden. Ohne jemals einen Eid auf diese Form der Regierung geschworen zu haben, müssen sie mit dem Resultat leben. 
Es ist also ein Paradoxon: Für viele Menschen ist die Demokratie als reine Staatsform – und ich nenne sie rein, obwohl sei in der Regel nur in modifizierten Formen auftritt, wie beispielsweise als konstitutionelle Monarchie (England), oder eine föderale, präsidiale, konstitutionelle Republik (talking about American Exceptionalism) (Eine sehr wortwörtliche Übersetzung der Angabe, wie sie in der Wikipedia nachzulesen ist) in den USA – das beste, was uns geschehen kann, doch liegt das zumeist daran, dass man ihnen ein gewisses Stereotyp einimpfte, wie sie sich den Kommunismus beispielsweise vorzustellen haben; oder aber sie befürchten, dass ein Verschwinden der Demokratie unweigerlich zu einer faschistischen Diktatur führen müsse. An sich müsste ich meine Aussage auch widerrufen: Viele Menschen finden die Demokratie gar nicht mehr so dufte: Umfragen ergaben eine zunehmende Unzufriedenheit mit der Demokratie, ausgehend von nur schleppend voranschreitenden Entwicklungen, die aber von immer mehr Menschen als notwendigerweise schneller abzuschließende erachtet werden. Beispiel Klimaschutz: Immer mehr Menschen finden, dass mehr dafür getan werden muss. Das Resultat: Es geht faktisch kaum voran. Dennoch erhält die Union insbesondere (oder einzig) noch immer Mehrheiten, auch wenn diese schwindet. Letztlich muss aber ein Caveat erwähnt werden: Die Zustimmung und Abneigung der Demokratie mag sich womöglich auch in den Altersgruppen spalten. Es ist davon auszugehen, dass vor allem die jüngeren Deutschen dürften mehr und mehr eine Abneigung gegenüber der Demokratie gewinnen, wo sie schließlich auch die flamboyantesten Vertreter des Klimaschutzes sind, und sie dennoch ihre Forderungen immerzu gegen Wände rennen sehen. Da ist es nur verständlich, dass man das System als ein fehlgeschlagenes Experiment wahrnimmt. 
Abgesehen vom Zusehen, wie Träume und Hoffnungen an Bureaukraten und Politikern zerschellen, kann man aber noch weitaus allgemeinere Gründe für eine Abneigung finden: Wie bereits angesprochen, kann es im schlimmsten Falle zu einer fundamentalen Teilung zwischen denjenigen, deren erwählte Partei Teil der Regierung (oder die Regierung) wird, und denjenigen, deren Partei Opposition wird, kommen. Häufig wird, um nochmal auf die AfD zu sprechen zu kommen, dass X Prozent nicht für die AfD gestimmt haben, weil sie für eine Partei stimmten. Schön und gut. Nach demselben Muster kann man aber auch sagen, dass X Prozent trotzdem nicht für die Union, die Grünen, die Linken oder sonst wen gestimmt haben. Was sage ich damit? Menschen, die erstgenanntes Argument gebrauchen, drücken damit zumeist aus, dass X Prozent der Gesellschaft – die Mehrheit – keine Rechtsextremisten seien. Stimmt in der Regel aber nicht ganz, ist in der Regel inakkurat als Argument, da dabei nicht berücksichtigt wird, dass es noch immer Wähler der NPD, der DVU, der Rechten, etc. gibt. Vielleicht sind auch manche Nichtwähler und Wähler, die ungültig gewählt haben, Rechtsextremisten. Natürlich ist es Korinthenkackerei, aber wir wollen schon sachlich bleiben. Und Sachlichkeit bedingt auch Genauigkeit. Worauf ich aber auch eigentlich hinausmöchte, ist, dass solche Aussagen an sich wertlos sind, wenn man am Ende trotzdem Wähler hat, die Parteien wählen, die wiederum das demokratische System korrumpieren und somit antidemokratischen Parteien Zulauf bieten. Es ist an sich wie das Errichten einer Komfortzone entgegen einer ungemütlichen Wahrheit: Die der Zunahme an Rechtsextremisten. Wenn man sagt, dass X Prozent nicht die Partei Y gewählt haben, dann habe ich vielleicht Recht, doch kann es mitnichten eine Gesamtsituation beschönigen oder akkurat erklären. Spreche ich beispielsweise von Umfrage- und Wahlergebnissen, dann muss ich längerfristige Trends berücksichtigen, um aufzuweisen, ob diese Partei sich im Aufstieg befindet, stagniert, oder sich rückläufig verhält. Wichtig ist dabei, bei Wahlergebnissen nur gleiche Wahlen zu verwenden. Man vergleicht nicht eine Budnestagswahl mit Landtags- oder Kommunalratswahlen, weil ihnen unterschiedlich viel Bedeutung beigemessen wird; Person X gibt vielleicht Stimmen bei Landtags- und Bundestagswahlen ab, nicht aber bei Bundestagswahlen. Wichtiger sit aber ohnehin die Beteiligung an sich. Diese unterscheiden sich bei Wahlen häufig fundamental, die Beteiligungen bleiben dabei nicht selten gleich, sodass praktisch Äpfel mit Birnen verglichen würden. 
Jetzt kommen wahrscheinlich Menschen daher, die behaupteten, dass sie bei jeder erdenklichen Wahl mitmachten, und das ist auch gut und recht; sie sind aber aller Wahrscheinlichkeit keine Rollenfiguren für den allgemeinen Durchschnitt. Einmal müssen wir aber mindestens Butter bei die Fische geben: Bei den letzten Landtagswahlen (die in Thüringen, Ende des Monats Oktober 2019, wurden dabei nicht berücksichtigt, da sie noch mehr als einen Mont in der Zukunft liegen) in den Bundesländern, wann immer sie stattfanden, haben im Schnitt 64,61 Prozent aller wahlberechtigten Bürger teilgenommen (Quelle: «Statista»). Bei der letzten Europawahl, um etwas internationaler zu werden, waren es 50,03 Prozent in den deutschen Bundesländern (Quelle: «Statista»). Und bei der Bundestagswahl? Da sieht es insgesamt etwas optimistischer aus als beiden anderen beiden vorangegangenen Beispielen: Bundesweit nahmen im Schnitt 76,2 Prozent teil (Quelle: «Statista»). 
Nun ist es aber so, dass dies nur die Zahlen für die jeweils letzten Wahlen waren, wir sprechen hier keineswegs von einer Entwicklung über Legislaturperioden hinweg. Es ging auch vielmehr nur um ein Beispiel, warum es gewagt ist, die Entwicklung der Popularität einer Partei bei verschiedenen Wahlen zu vergleichen. Im Schnitt nahmen 12 Prozent mehr Menschen an der Bundestagswahl teil als bei Landtagswahl (als Wähler, wohlgemerkt). Das bestimmt auch das Endergebnis einer Partei mit: Womöglich haben mehr AfD-Wähler bei der Bundestagswahl mitgewählt als bei der Landtagswahl. 
Die Zahlen lassen aber noch etwas anderes vermuten (Eine visualisierte Entwicklung der Wahlbeteiligung existiert leider nur für die Bundestagswahlen seit 1949 (Jahr der ersten demokratischen Wahlen seit dem Dritten Reich); niemand hat so viel Zeit, diese vielen Rechnungen vorzunehmen): Die Menschen in Deutschen scheinen zunehmend einer Demokratiemüdigkeit zu erliegen. Das muss erstmal sacken, manche werden dem aber auch nur kühlen Kopfes widersprechen, immerhin sind es noch immer mindestens drei Viertel aller Wahlberechtigten, die weiterhin an Bundestagswahlen teilnehmen. Schauen wir uns aber die zuletzt verlinkte Statistik an, so sehen wir, dass es schon mal mehr waren. Derzeit stagnieren (oder bewegen) wir (uns) auf einem Wert ähnlich dem der ersten Wahlen in der nunmehr demokratischen Bundesrepublik. Gegenüber dem Höhenflug der Wahlen von 1972 (dem Jahr, in dem Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt wurde, und eine Koalition aus SPD und FDP regierte) musste man dennoch Verluste an der Wählerbeteiligung verzeichnen. Die Frage ist aber, was daraus zu machen ist, wenn drei Viertel aller Menschen wählen gehen, und daraus dann knapp 20 Prozent plus variabel viele Prozentpunkte bei NPD, DVU, etc, die zusammen vielleicht auf ein Prozent kommen. Will man sagen, dass der Faschismus retro ist und somit wiederkommt? Es wäre eine einfache Antwort auf eine komplizierte Problematik. Die alte Leier muss also wieder raus: Wo wird überwiegend rechts gewählt? Im Osten. Wo ist die Arbeitslosigkeit am höchsten, durchschnittlich betrachtet? Noch immer im Osten, wobei sich die Lage gebessert hat, sodass der Durchschnitt gerade einmal 1,4 Prozent höher liegt als im Westen, wenngleich auch Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern noch überdurchschnittlich hoch vertreten sind (Bremen bleibt trotzdem Spitzenreiter, nebst seiner hohen Verschuldung). Die Frage bleibt am Ende immer noch, woher es rührt, dass man im Osten so stark abdriftet. Als wohlmeinenden Anstoß zur Debatte hat die «ZEIT» in ihrer Leserschaft eine Umfrage gestartet, wobei man aus ganz Deutschland Meinungen und Vermutungen sammeln wollte. Ein Querschnitt: Es scheint vor allem ein Gefühl zu sein, welches die Menschen so frustriert. Ein Gefühl des Abgehängtseins, dass man einfach nicht zur Gemeinschaft gehört, sondern noch immer außen vor steht. Häufige Argumente, die man immer noch hört, ist die Ungleichheit, beispielsweise bei Gehalt und Rente. Unter den dreißig DAX-Konzernen, die die ETFs ausmachen, sind faktisch keine Ostdeutschen im gehobenen Management vertreten. Zumindest die Sache mit der Arbeitslosigkeit hat sich einpendeln können, sodass der Osten nicht länger als Sorgenkind heraussticht, was diese Frage anbelangt. Der Wohlstand wuchs an, man überwand die Querelen der post-DDR-Zeit. Manche vermuteten auch, dass die ersten Generationen dieser Phase, also vor allem auch des «Aufschwungs Ost», nie ganz überwunden haben, sie also mit dieser plötzlich hereinbrechenden Freiheit von der Autokratie des Polizeistaates nicht geschafft haben, man sie überstürzt aus ihrem geordneten Leben riss, und sie deswegen von heut' auf morgen sich selbst überließ. Das deckt sich auch mit meiner persönlichen Vermutung: Dass die schwarz-gelbe Regierung der Wendezeit die Wiedereingliederung des Ostens, also der östlichen Bundesländer, nur halbherzig unternahm, die Umformung der ehemaligen VEBs (der volkseigenen Betriebe, also der DDR-Unternehmen) in im Westen übliche Unternehmensformen nicht genügend observierte, sodass sie die Löwen mehr oder weniger zum Fraß vorgeworfen wurden (wobei es nicht von der Hand zu weisen ist, dass es nicht selten auch zu Erfolgsgeschichten kam, und einige von ihnen heute auch international tätig sind). 
Man kann noch weitere Meinungen einsehen in der ZEIT, und davon lesen, wie manche Menschen einfach tatsächlich rechtsextrem orientiert sind, aus eigenen Entscheidungen heraus, doch wohl kann kein Grund universell aufzeigen, woher diese wahnsinnige Orientierung ganzer Bundesländer rührt. Es lässt aber zumindest aufhören, dass es eben vor allem in den ehemaligen Ländern der DDR auftritt, während die AfD, sowie ihre Brüder im Geiste, im Westen noch immer eine relative Minderheit darstellen, welche bisweilen keinen einzigen Landkreis kapern konnte. Auch die wenigen Kooperationen älterer Parteien mit der AfD beschränken sich auf die östlichen Bundesländer. Wollte man es also direkt angehen, muss man jegliche Ursachenforschung auch auf die örtlichen Begebenheiten konzentrieren. Ganze Bundesländer durch die Bank weg als Faschisten zu deklarieren, ist höchst unwissenschaftlich und brandmarkend, ohne dabei wirkliche Fortschritte zu machen. Aussagen wie «Sachsen wegbomben und fluten, um sie zum Baggersee umzufunktionieren», wie ich es bereits auf Twitter und damals auf Google+ gelesen habe, sind dabei in vielerlei Hinsicht einfach nur dumm, insbesondere bei dieser Wohnraumsituation. Ja, Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus, doch Bomben waren noch nie eine adäquate Lösung für ein Problem; außer bei der Beseitigung von Munitionslagern, in solchen Fällen ist eine Ausnahme angebracht. 
glücklicherweise gab es aber bereits Journalisten, die sich einer Ursachenforschung annahmen, und ihre Resultate obendrein im «SPIEGEL» publizierten, sodass man sie nachlesen kann. 
Liest man den Artikel, so treten automatisch wieder die fast schon clichéhaften Narrative auf: Man möchte denen da oben Denkzettel verpassen, möchte sich rächen an denen, die sie nie ernstgenommen haben, über die man bei allem hinwegentschied. Recht früh tritt dabei ein Abschnitt hervor, den ich einmal zitieren möchte: 
Doch im Wahlkampf spürte er, dass seine Wähler "Denkzettel verpassen" wollten, nicht seinetwegen, glaubt er, sondern wegen der Kanzlerin, der Bundes-CDU, der Flüchtlingspolitik. "Die Menschen", sagt Kretschmer, "hatten das Gefühl, nicht mehr ernst genommen zu werden."
Es wirkt bekannt. Die da oben entscheiden über uns hinweg, niemand fragt uns, wie es dabei geht; dabei erwartet man doch genau das von Politikern, dafür sollten sie doch stehen: Man wählt sie, weil sie die eigenen Interessen im Regierungshauptsitz vertreten, damit man auch eine Stimme im Bundestag hat. Wenn solche Politiker sich von ihren Wählern im Wahlkreis, im Land entfremden, dann möchte man sie sogleich wieder entfernen lassen, weil sie in ihrem Job versagt haben. Doch anders als in einem normalen Beruf kann man sie nicht einfach mittels einer Frist oder direkt entlassen, sondern muss bis zur nächsten Wahl warten, und selbst dann noch darauf hoffen, dass man nicht allein ist mit der eigenen Meinung. Ist man es doch, so muss man womöglich noch weitere Legislaturperioden abwarten, bis der Politiker selbst seines Amtes weicht, aus welchen Gründen auch immer. 
Scheinbar hatten die Menschen im Osten nie das Gefühl, diese Abgeordneten zu entfernen, oder es klappte doch, doch am Ende konnten ihre wenigen Abgeordneten, welche sie mittels Direktmandaten nach oben hievten, nicht genügend bewirken gegen die Streitmachten der vielen westlichen Abgeordneten. Ohnedies könnte man auch einmal ein Gedankenspiel durchtakten: Wie viele Minister seit der Wende waren eigentlich selbst aus dem Osten? Klar fällt einem sofort ganz prätentiös der Wohnort der Bundeskanzlerin ein: Die Uckermark in Brandenburg, provinzieller Osten, wie er im Buche steht. Und eben doch genau das: Der Osten. Nicht zwingend das Kohlerevier der Lausitz, aber eben doch der Osten. Doch wer ist ansonsten noch aus den ehemaligen DDR-Gebieten nach Berlin in die Berufspolitik eingestiegen? Da wäre eben auch die Frage zu stellen, ob Berlin selbst auch schon als Osten zählt. Theoretisch müsste man es aber ausschließen, da Berlin sich auch in seinem Wahlverhalten und in seiner demographischen Repräsentation krass vom eigentlichen Osten, also Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, etc. unterscheidet. Entsprechend fiele aber schon einmal Anja Karliczek, Bundesbildungsministerin aus Berlin-Neukölln, weg. Ironisch genug, wenn man überlegt, dass es dafür sage und schreibe drei Minister allein aus dem Saarland gibt, einem Bundesland, dass man spaßeshalber nicht mal als vollwertiges Bundesland anerkennen möchte, bei seiner mickrigen Größe. Und doch kommen der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der Bundesaußenminister Heiko Maas, und jetzt sogar noch CDU-Parteivorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). Die letzte Ostdeutsche, die es ins Bundeskabinett schaffte, war Johanna Wanka, ehemals Bundesbildungsministerin. Doch auch sie ist nicht mehr (im Amt), und so besteht das gesamte Kabinett ausnahmslos aus Westdeutschen. 
Jetzt könnte man aber auch behaupten, dass es eben weniger Ost- als Westbundesländer gibt: Im Osten gibt es vier (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern), im Westen dreimal so viel, nämlich zwölf. Entsprechend sei die Balance eben ungleich, und so kann es auch ebenso ungleich nur im Kabinett sein. Das könnte sein, doch gibt es am Ende immer noch drei Minister aus dem Saarland, einem flächenmäßig unverhältnismäßigem Bundesland, welches trotzdem mehr Minister stellt als jedes andere Bundesland. 
Manche Experten sagen auch, dass es einfach kein Interesse vonseiten des Ostens gäbe, überhaupt Minister in höchste Ämter zu entsenden, weil auch das generelle Interesse an parteipolitischem Engagement relativ gering ist. Es stimmt auch: Die Mitgliederzahlen in Parteien schrumpfen generell, es ist einfach nicht mehr so interessant, unbedingt Mitglied in einer Partei zu sein, weil man darin keinen Sinn oder keinen Vorteil sieht (praktisch wie die Mitgliedschaft in der christlichen Kirche, sei es die katholische oder die evangelische). Es wäre also denkbar, dass es im Osten einfach keine Ambitionen gibt, ganz nach oben heraufzuklettern auf der Karriereleiter. 
Demgegenüber muss man sich aber auch fragen: Was kann man tun, um den Ossis das Gefühl zu geben, nicht abgeschnitten zu sein vom Westen, dessen Erfolg, dessen Wohlstand? Manche schlugen bereits Ostquoten vor, die, wie man aber sehen kann am Interview mit dem nunmehr – aus anderen Gründen als diesem Interview – geächteten Politikwissenschaftler Werner Patzelt, nach hinten los gehen können, also mehr gewollt als gekonnt. Mit dem Aufschwung Ost wollte man günstige Startbedingungen geben, damit der Osten sich von selbst aufrappeln kann; ein Vorstoß, anders als es die Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg und der Besatzung für den Westen vorsahen, entsprechend unterscheiden sich auch die Ergebnisse. Manche machen auch die Treuhand verantwortlich für den Reinfall des Ostens. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass man sonderlich in Kontakt zur östlichen Bevölkerung stand, als man mit eiserner Hand voranschritt in der Wiedereingliederung, doch stünde das anderweitig und andernorts besser zur Debatte. Das Ergebnis einer solchen Debatte hälfe ohnehin nicht viel weiter, wenn es darum geht, das Hier und Jetzt aufzubereiten, um vergangene Fehler wieder zu beheben. Ohnehin scheint der Knackpunkt weniger in dem zu liegen, was getan wurde, sondern vielmehr dort, was man unterließ. 
Wie also könnte man helfen? Theoretisch helfe das, was man mit dem Aufschwung Ost bewirken wollte, damit eine Infrastruktur entstehen kann, welche auch Investoren anzieht. Viele Linke werden hierauf einen Ausverkauf der Menschen zugunsten der Wirtschaft vermuten, doch muss man sich auch fragen, weswegen der Wohlstand im Osten so gering ausfällt: Es liegt einfach daran, dass es keine guten Gründe gibt für größere Unternehmen, dort Fuß zu fassen. Das stimmt vielleicht nicht für Städte wie Leipzig oder Dresden, doch eben für den Rest Sachsens. Wieso aber will man dort nicht Fuß fassen? Es liegt womöglich an der maroden, zurückgelassenen Infrastruktur – vielleicht aber auch daran, dass... Nein, es ist eben das: Dass sie in der Entwicklung zurückliegen, all diese Gegenden abseits der urbanen Lebensräume. Marode ist dafür aber ein suggestiver Begriff, der nicht das gesamte Spektrum zusammenfasst. Es ist vielmehr die Tatsache, dass es sich um ländlichere Regionen handelt. Hierfür können wir selbstverständlich noch einmal auf Brandenburg zu sprechen kommen, welches für seinen Schwerpunkt Agrarwirtschaft bekannt ist (nicht zu verwechseln mit Niedersachsen, welches einen Schwerpunkt in der Landwirtschaft, aber auch in der Viehwirtschaft hat). Dennoch bleibt die Frage bestehen: Wie hilft man solchen abgehängten Regionen, wenn nicht durch eine Infrastrukturrenovierung? Theoretisch könnte Derartiges helfen: Radikaler Breitbandausbau, Ausbau der Straßen, Anschlüsse an Autobahnen für effektivere Logistik, Erleichterung der Regulierung, der die Niederlassung in solchen ansonsten strukturschwachen Regionen erleichtert und auch attraktiver gestaltet. Es wäre die typische marktliberale Behandlung solcher Problembären mit Kernseife und Sandpapier, mehr Peitsche als Zuckerbrot, doch es hilft. 
Das Problem dabei: Viele Anwohner, die von dieser Behandlung betroffen wären, würden entweder aus Überzeugung oder aus Unsicherheit über den Erfolg dieser Aderlassbehandlung Sturm dagegen laufen, und so würde jeder Ansatz bereits im Kern versagen. Wie will man jemandem helfen, der nicht will, dass man ihm hilft? Es ist wie mit einem Schüler, der nicht willens ist, (aus seinen Fehlern) zu lernen, und sich somit querstellt, sodass jeder Eifer und jedes Wollen um sein Wohlergehen auf Ignoranz stößt und dort verebbt. Was will man da schon machen? Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Demgegenüber wäre es unverantwortlich, in einer leitenden Position wie der des Kanzleramtes, um einmal mehr von der metaphorischen Ebene herabzusteigen, zu sagen, dass sie dann doch einfach zur Hölle fahren sollen, wenn sie nicht wollen: Wer nicht will, der hat schon, und nach mir die Sintflut! – das mag konsequent klingen, und bei einigen Hardlinern gut ankommen, doch liegt ein solches Vorgehen fernab der pragmatischen Realpolitik, die zu jeder Tages- und Nachtzeit wünschenswert und gegenüber irgendwelchen radikalen Schritten des Zurücklassens im eigenem Lande zu präferieren ist. Solange man die Region nicht auch sogleich exkludieren kann, wird ein solches Vorgehen seine Folgen haben, spätestens bei der nächsten Wahl; allein eine Wahl im Schtetele könnte als ein Brandzeichen gelten, um aufzuweisen, wie unerfreut man über die Politik des Hardliners in Amt und Würden ist. Und das, obwohl man alle Avancen seinerseits abstritt und regelrecht bekämpfte. 


IX

Was also lässt sich tun? Einerseits möchte man nicht das Lebensgefühl des Dorfes, des ruralen verlieren, doch anderseits leidet man Qualen an der Strukturschwäche, an der vergleichsweisen Armut. Es ist im Grunde ein Konflikt der Linken einerseits, die sich für mehr Klimaschutz, bei der das Dorf ja fast symbolisch anmutet, wenn man es mit der smoggigen Großstadt vergleicht; und den Marktliberalen der Rechten, welche in Dörfern wohl eher Armut exklusiv sieht, weil dort nichts erwirtschaftet wird, sondern man tatsächlich nur lebt. Es ist ein freudiges oder melancholisches Dahinvegetieren, Es sind zwei Lebenskonzepte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, die Stadt und das Dorf, und doch kann man von keinem der beiden klar und deutlich sagen, dass es entweder gut oder schlecht sei, et vice versa. Städte garantieren Jobs, garantieren eine abwechslungsreiche und multikulturelle Bevölkerung, und ist praktisch ein Schlüssel in die große weite Welt. Das Dorf hingegen bietet Ruhe, Gelassenheit, Entschleunigung, und eine Umgebung, in der Jeder Jeden kennt. Wo die Stadt einem keine Ruhe lässt, kann einem das Dorf relativ wenig Abwechslung bieten. Sie beide haben ihre Vor- und Nachteile. 
Wäre das aber Grund, dass der eine dem anderen sein Lebenskonzept aufdrängt, es als erhaben und als universell korrekt erachtet? Eben nicht. Pluralismus ist dem Diktat einer Seite stets vorzuziehen. Dieser Pluralismus aber wird gefährdet, wenn ein indirekter Zwang erwirkt wird, welcher einem Konzept praktisch den Hahn zudreht, weil jedes Arrangement an diesen Zwang den Tod des Konzepts bedeute. Was ich damit sagen möchte, ist: Das Dorf kann nicht überleben in Zeiten, in welchen Menschen zur Arbeit gezwungen sind, um Geld zu verdienen, es aber auf dem Land keine, oder nicht genügend, Jobs geben kann, damit das Dorf überleben kann. Selbst ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs kann allenfalls eine Interimslösung darstellen, da es nicht viele Menschen geben mag, die gewillt wären, jeden Tag mehrere Stunden an ihren Arbeitsplatz und wieder zurück zu pendeln. Das ist eben aber die Realität für viele Menschen, vor allem aber aus mindestens einem weiteren Grund: Die Großstädte, insbesondere ihre Innenstädte, sind überfüllt, Wohnungsnot ist derzeit (Stand: 05. Oktober 2019; für den Fall, dass es sich eines Tages wieder einpendeln sollte) aus diesem Grund ein populäres Thema. Anstatt darüber nachzudenken, wie man das Problem lösen könnte unter der Prämisse, dass es nicht mehr so viele Menschen in die Städte zöge, fragt man sich, wie man Investoren und Bauunternehmen dazu bringen kann, wieder mehr Wohnungen dort zu bauen. Kurzum: Anstatt man Menschen wieder die Vorzüge des flachen Landes offeriert, verführt man sie mit der Vorstellung, mit weniger Raum auszukommen. Und Jobs sind eben ein treibender Faktor. 
Was wäre also die naheliegendste Lösung? Die Bindung der Menschen zu Jobs muss weichen. Wären die Menschen weniger gezwungen, Jobs hinterherzurennen, welche sich eben aus Gründen auf die Ballungsräume konzentrieren, wären sie vielleicht auch eher dazu geneigt, wieder eher aufs Land zu ziehen. Damit das aber gelingen kann, muss auch flächendeckend das Internet verfügbar sein: Die Menschen sollten nicht auf alle Vorzüge der Städte verzichten müssen, ansonsten ist aller Widerstand gegen die Implosion der Innenstädte für die Katz', am Ende wären die Menschen wieder, wo sie schon immer waren, und auf dem Land lösen sich die Dörfer auf. 
Worauf möchte ich damit hinaus? Ganz einfach: Die Städte werden auf Dauer unbewohnbar, weil sie immer voller werden. Der Druck der Menschenmassen, die sich tagtäglich in ihre Autos oder in überfüllte Busse oder Straßenbahnen quetschen, sind dabei noch das geringste Problem. Das eigentliche Problem ist, dass es am Ende aussieht auf dem Arbeitsmarkt: Es gibt mehr Menschen, die Jobs nachfragen, als es Angebote gibt (wobei es auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich dabei eine Diskrepanz gibt: Das Handwerk sucht händeringend nach Nachfolgern, während junge Menschen bevorzugt in Bureaux oder anderswo außerhalb der körperlichen Arbeit ihr Geld verdienen wollen). Man vergisst nur zu leicht, dass auch Städte nur über endliche Kapazitäten verfügen, und diese Kapazitäten irgendwann erschöpft sein werden. Der Markt denkt aber nicht in solch pessimistischen Zügen, man sieht es auch bekanntlich bei Blasen: Man spekuliert so lange auf sie, bis sie schließlich platzen, und dann ist das Geschrei groß. Ähnlich zieht man wie Nomaden in die Städte, und hofft darauf, dass es noch möglich sein wird, dort zu leben, ansonsten wird man doch zum Pendler, vom Dorf in die Stadt und zurück, als ob das auf Dauer gesund sein könnte. 
Wäre man derselben Auffassung, und trotzdem nicht so radikal, zu sagen, dass die Jobbindung über Bord geworfen werden sollte, könnte man auch sagen, dass es einfach mehr Jobs auf dem Land brauche. Welche aber sollten da kommen? Der Staat ist nicht so flott (in Deutschland), dass er in Windeseile die nötigen Veränderungen vornehmen könne, die es brauche, damit ähnlich schnell die Unternehmen anrückten und Niederlassungen errichteten. Ebenfalls wäre es dasselbe Schauspiel wie im Osten mit den Anwohnern: sie werden sich hüten, tatenlos dabei zuzusehen, wie ihr geliebtes Dorf in eine Großstadt verwandelt wird. Denn letztlich wäre das der Prozess: Die Städte sind voll, also weicht man auf die nächstkleinere Einheit aus, das Dorf. Dort wird alles hübsch hergerichtet, damit die Unternehmen anbeißen wie Fische an den Köder. Jobsuchende wird es dort hinziehen, weil dort die Lösung all ihrer Sorgen liegt, gegebenenfalls werden sie auch gleich dort wohnen wollen, um vielleicht mit dem Rad zum Job fahren zu können, man lebt ja künftig umweltbewusst. Das Dorf, welches nunmehr Ausmaße einer Stadt annahm, floriert, und man expandiert in die Peripherie, weil die Innenstadt immer voller wird und Familien es gerne etwas ruhiger hätten, ohne dafür aber endlos in die Ferne schweifen zu müssen. Vororte bilden sich heraus, die Stadt wächst weiter, bis sie irgendwann das Format einer Großstadt angenommen hat. Das Ende der Elegie erlebt man derzeit in Echtzeit. 
Ist das etwa eine wünschenswerte Entwicklung? Keineswegs, und doch könnte es durchaus passieren, sofern man mehr Dorf propagiert. Selbstverständlich ist es irrealistisch, zu glauben, dass auf einen Aufruf hin Menschenmassen in den Zehntausenden einen Exodus aus der Stadt auf das Land bewegen werden, doch es könnten einige Menschen kommen, auf die niemand vorbereitet war: Nicht die Anwohner, denen sich obskure Gestalten nähern; nicht die Bauherren, die hier große Coups landen können; und nicht die Behörden, die kurzerhand Baufläche freimachen müssen und sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen müssen. 
Die Lösung: Vom Glauben abzukommen, dass Großstädte grundlegend zu dämonisieren seien, als die Ausgeburten der Hölle. Sie sind gar nicht so schlimm, wie man sie darstellen möchte; das Problem ist vielmehr, dass sie einfach grenzenlos gewachsen sind, über sich hinaus, und ohne Kontrolle. Es bestand eine Nachfrage, und diese erfüllte man willentlich. Zwar war die Nachfrage nicht freiwillig, sondern indirekt erzwungen, doch bestand sie been, und man folgte ihr im Kadavergehorsam. 
Noch hält sie auch an, entgegen der eigentlich logischen Auffassung, dass sie einfach voll sind, und man auf Dauer einfach keinen Wohnraum mehr schaffen kann. Entsprechend zynisch erscheint es hingegen, dass man stattdessen Häuser aufstocken will, um sie in die Höhe recken zu lassen. Wie man darin lesen kann, bezieht sich diese Aufstockung dabei keineswegs auf bloße Wohngebäude: Man möchte gegebenenfalls auch Supermärkte und Parkhäuser aufstocken. Das klingt natürlich in erster Linie nicht verkehrt, immerhin böten erstere die Möglichkeit, auch schnell einkaufen zu gehen, ohne dabei weite Strecken hin und zurück zurücklegen zu müssen, und in zweiteren könnte man sein Auto parken, sofern man noch eines besitzt, doch muss man immerzu den Hintergedanken einer solchen Erweiterung im Hinterkopf behalten: Dass Großstädte noch Potential besäßen, und an ein Morgen mit vollgestopften Großstädten, die keinerlei weiteren freien Raum mehr haben, nicht nachdenken muss. Da geht noch was, ist dabei die gängige Auffassung. Dabei muss selbstverständlich daran gedacht werden, dass alles Ding einmal ein Ende hat, oder haben muss. 
Die Reaktion darauf muss also lauten: Stopp! Bis hierhin und nicht weiter. Schon jetzt (dieses Jetzt gilt zu jeder Zeit, in der man es liest und der Fall noch nicht eintrat) muss die rationale Option gegeben werden, lieber aufs Land zu ziehen, ohne dabei erhebliche Einbußen in Kauf nehmen zu müssen, die die allgemeine Lebensqualität gegenüber Stadtbewohnern. Bedeutet abermals: Was Dörfer brauchen, sind ein schneller Breitbandanschluss, und ein anständiger ÖPNV, der das Verkehren zwischen anderen Dörfern und Städten günstig und bequem möglich macht. Das sind in einem Land wie Deutschland, welches vor Reichtum nur so strotzt, keine vermeintlich sozialistischen Anforderungen, die in wenigen Jahren zur Insolvenz des Bundeshaushalts führten. Solche Aussagen hört man allenfalls entweder von Fiskalkonservativen (die ja in letzter Zeit leider selten wurden) oder von strammen Antisozialisten oder -kommunisten, die eigentlich nicht wisse, was sie wollen, aber garantiert wissen, dass die rote Flut ihr Tod wäre. Komisch, dabei hörte man solche Sprüche zuletzt nur von '33 bis '45, unter anderer Flagge, welche nicht unbedingt die ihrige sein muss. 
Man kann also sagen: Die Ausgaben müssen angezogen werden, auch, um die Wohnungsnot zu beseitigen. Wäre es eine Lösung? Fürwahr, und es geht logisch aus meiner Argumentation heraus. Es muss im Grunde zweifach umgedacht werden: Erstens müssen die Ausgaben vermehrt werden, entgegen des Finanzministers Olaf Scholz' ((eigentlich) SPD) persönlicher Auffassung, und es muss vor allem weniger in die Städte und mehr auf das Land finanziert werden. Die Städte, durch ihre zumeist boomende Wirtschaft, haben allerbeste Anlagen, sich eigenständig zu finanzieren, sie haben es nicht nötig, von weiter oben Unterstützung zu empfangen, sie haben Geschäftigkeit, die sich auszahlt. Diese haben Dörfer in der Regel nicht in diesem Ausmaße. Darum haben sie es zumindest für den Anfang nötig, Unterstützung anzunehmen, damit sie diese Anlagen der Geschäftigkeit bis zu einem gewissen Maße – dem der Autarkie – erreicht haben. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde ja praktisch getan, indem Herr Scholz erkannt hat, dass viele Länder solche möglichen Hilfen aufgrund bureaukratischer Hürden nicht abriefen, und das Geld somit liegen blieb, obwohl es dringend gebraucht wurde. Die Hürden zu senken wäre also eine Möglichkeit, dass die verantwortlichen Länder sie abrufen können, um somit im Nachhinein die Dörfer zu fördern. Ein landesweites Breitbandnetz läge aber dennoch weiterhin in erster Linie in der Verantwortung des Staates. Natürlich könnte man dafür auch den Markt zur Rate ziehen, auf dass er den Ausbau übernähme, doch ist dieser eingegangen in ein Oligopol aus gerade einmal drei Großkonzernen, welche die Macht unter sich einteilen, und darum jedwede Entwicklung in diesem Lande einschränken, währenddessen Tarife für Kunden um ein Vielfaches höher liegen als in Nachbarländern. So ähnlich verlief es dann auch mit den Versteigerungen für den Ausbau von 5G in Deutschland; die Konditionen für die Höchstbietenden sahen dementsprechend makaber (PDF) aus im Vergleich zu unseren Nachbarländern, die uns natürlich auch hierbei einen Schritt voraus waren: 
Im internationalen Vergleich werden den Mobilfunkanbietern in Deutschland somit vergleichsweise hohe Ausgaben abverlangt, die in Konkurrenz mit Infrastrukturinvestitionen stehen. So versteigerte Frankreich 5G Frequenzen im Gegenzug für verbindliche Investitionsverpflichtungen, während Norwegen selbige mit Gebotssummen gegenrechnete und in den USA bis jetzt nur eine Summe von ca. 2,7 Mrd. zustande kam.
Man sieht also, auch in Anbetracht der Tatsache, wie viel besser die Netzabdeckung heute in diesen angegebenen Ländern ist, und auch, wie ihre Tarife für Endkunden aussehen, dass man in Deutschland von einer Misère in die nächste läuft, ohne Hoffnung auf Besserung, weil man sich vehement weigert, tatsächliche Experten zur Rate zu ziehen. Stattdessen hat man Berufspolitiker ohne Expertise, wie beispielsweise den Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) oder den ehemaligen Ministerpräsidenten Bayerns und jetzigen Innenminister Horst Seehofer (ebenfalls CSU).  Damit ein solches Treiben sein Ende fände, müssten Stellen schlussendlich nach Erfahrung, Sachkenntnis oder Expertise (was im Grunde dasselbe wäre) vergeben werden, im Notfall auch über die Koalitionsverhandlungen und deren involvierte Parteien hinaus. 


X

Das aber wäre in demokratischen Systemen wohl eher ein Fanal denn ein Novum, obgleich es doch genau das ist: Ein Novum, ein noch nie dagewesener Feldversuch; in diesem Fall, um veraltete Strukturen aufzubrechen und etwas gänzlich Neues zu wagen. In diesem Fall würde man Wahlen aufgeben und stattdessen die Bürger sich direkt an eine Abstimmung daran beteiligen lassen, wer genau in welches Ministerium kommen soll. Die Frage dahingehend wäre, ob man die Wahlen der Abgeordneten durch Direktmandate weiterhin beibehalten kann. Immerhin sind auch Minister nur Abgeordnete, die in ihren Wahlkreisen Mandate erlangen müssen, um am Ende ins jeweilige Parlament wechseln zu können. Das ist die gängige Leiter, die beschritten werden muss, um am Ende politischer Entscheidungsträger zu werden. Wenn man aber am Ende wirklich konsequent ein solches Novum begehen wollte, müsste man es eigentlich abschaffen, da nicht sichergestellt werden könnte, dass der Sieger all jener beteiligten Wahlkreise auch die nötigen Kompetenzen mitbrächte, um irgendein Ministerium mit Fug und Recht anstelle vom politischem Geschacher in verrauchten Hinterzimmern zu bekleiden. 
Es ist also schwierig, wie man sieht. Wie aber sollten am Ende die richtigen Kandidaten ausgewählt werden? Sollten am Ende tausende Bewerber für ministerielle Posten eingehen, von denen dann am Ende der perfekte Kandidat herausgeht? Das ist so unpraktisch wie es bureaukratischer Irrsinn wäre. Genauso bescheuert wäre es, es wie eine Castingshow aufzuziehen, in der sich der Bewerber dem Volke vorstelle im Fernsehen (oder im Live-Stream auf YouTube oder irgendeinem anderen kostenlosen Kanal), sodass sich alle diese Kandidaten anhören könnten, um am Ende ihre Entscheidung zu fällen. Selbst dafür müsste zuvor ein Sieben stattfinden, um die Anzahl an Bewerbern auf ein Minimum herunterzubrechen. Schnell merkt man also, dass es gar nicht so einfach ist, das System zu reformieren. Doch muss man dabei bleiben: Weitergehen wie bisher kann es nicht, und die einzige Richtung, in welche es gehen kann, ist die verstärkte Mitbestimmung aller Befugten, die am Ende auch die Konsequenzen der Entscheidungen tragen können. 

Oder ist das der richtige Weg? Denkt man darüber nach, so kommen einem wieder Begriffe wie «Direkte Demokratie» in den Sinn, an das Modell der eidgenössischen Schweiz, in welcher Volksabstimmungen seit Jahrzehnten die Regel sind, und die «Aufstehen»-Bewegung, welche mit großem Andrang für eine solche System in Deuschland warb. Selbstverständlich verwies man auch auf das Gelingen des selbigen in der Schweiz, ungeachtet der Teilnehmerzahlen bei diesen Abstimmungen. 
Gewiss, bei bestimmten Themen bis zu einer gewissen Bandbreite sind solche Abstimmungen garantiert möglich, denkbar, und auch umsetzbar. Die Frage ist aber eben: Bis zu welchem Grade wäre das auch gegeben? Ab wann sollte man es doch lieber dabei belassen, Repräsentanten zu ernennen, die diese Entscheidungen im Namen ihrer Konstituenten zu treffen, um sich daraufhin bei der nächsten Wahl von ihnen entweder bestätigen oder entheben zu lassen? Die Frage ist nur bedingt einfach zu beantworten, versuchen kann man es aber nichtsdestotrotz: Machbar sind alle Fragen im Rahmen der kommunalen Befinden, gegebenenfalls noch bis hin auf Landkreisebene (die Terminologien müssten entsprechend des Einsatzbereiches selbstverständlich ausgetauscht werden in treffendere). Darüber hinaus, wenn entsprechend auch die Teilnehmerzahl und die Komplexität der Punkte, worüber abgestimmt werden müsste, wäre ein solches System schlichtweg nicht mehr möglich, aus zweierlei Gründen: 
  1. Es ist für den dynamischen politischen Betrieb untragbar, nahezu jede, zwei, dritte oder fünfte Frage mit dem gesamten Volke abzustimmen. Es dauere zu lange, bis alle Wahlkreise ihre Ergebnisse eingesandt hätten, da man auch einen gewissen zeitlichen Rahmen offerieren müsse, in dem es den Wählern möglich wäre, ihre Stimme abzugeben. Selbst, wenn man online abstimmen könne, wäre es noch immer untragbar, es wäre zu langwierig. 
  2. Wie bereits beschrieben sind manche Themen, insbesondere auf Bundesebene, einfach zu komplex, um sie binnen einer Wahl abzuhandeln. Gleichzeitig kann man auch nicht sicherstellen, dass sich jeder Mensch, der am Ende ein Kreuz setzen wird, auch ausreichend darüber informiert, worüber er überhaupt gerade abgestimmt hat, und was die Konsequenzen seiner Wahl sind. Dieses Problem spiegelt sich wieder im Ergebnis der Brexit-Abstimmung in Großbritannien: Manche Wähler gaben zu, dass sie sich zuvor nicht darüber informierten, und trotzdem für den Austritt stimmten. Sie waren sich der Tragweite ihrer Entscheidung nicht bewusst, und entschlossen sich am Ende dazu, ihr Königreich auf eine Talfahrt zu schicken. Vor solchen Entscheidungen wäre Deutschland auch nicht gewappnet, immerhin unterscheiden sich die Insulaner der Nordsee nicht von den Kontinentaleuropäern. 
Allein diese beiden Gründe könnten schon genügen, sich gegen ein direkt-demokratisches System auszusprechen, zumindest auf jeder Ebene, die über die Landesebene, wenn nicht bereits über die Kommunalebene, hinausrage. Nicht, weil man grundsätzlich etwas gegen ein Mehr an Demokratie hätte – sondern, weil man sie sogarm ehr als jeder andere zu schätzen weiß, um ihren Wert weiß! Sobald man nämlich einmal diese direkte Demokratie in Aktion sah, dürfte manch einem die Resignation ereilen: Es geht nicht mehr voran, weil über alles ein Kongress an Bürgern einberufen werden muss, um sich über das weitere Vorgehen abzusprechen. Beinahe hat man das Gefühl, dass am Ende alles zum Stillstand erlegen wäre. Und Schuld sei an alledem die vermaledeite Demokratie. Fast schon wünsche man sich die Zeiten zurück, in der ein allmächtiger Entscheider an der Spitze die Sachen vorangebracht hätte, damals ging es auch allen besser. 
Noch ein anderer Grund spricht aber gegen die Demokratie der direkten Art, und wir sprachen es bereits zuvor an: Die Differenzen zwischen den Menschen, welche sich schon jetzt in den Wahlausgängen niederschlagen. Die Menschen haben einfach zu viele verschiedene Interessen, zu viele verschiedene Ansichten, als dass ein direkt-demokratisches System die Erfüllung bringen könne, die man sucht. Stattdessen dürfte sich die Kluft zwischen den Menschen noch weiter öffnen, weil man sich noch öfter in irgendwelchen Ausgängen im Rahmen 50-50 wiederfindet, plus/minus fünf Prozent. 
Nun könnte man dem aber auch rückblickend auf die hier vorangegangen getroffenen Aussagen behaupten, dass das auf kommunaler Ebene kein bisschen besser aussähe, und man sich in denselben Sackgassen wiederfände. Und Unrecht hätte man womöglich nicht, wobei das davon abhängt, wie groß diese Kommunen sind. Wie auch in Cliquen und sonstigen Gruppierungen gemäßigter Größe schaukelt man sich gerne bei bestimmten Themen hoch, weil es vielleicht ein Herzensthema ist oder sich die gesamte Sachlage populistisch aufheizte, beispielsweise durch einen Mangel an Ernsthaftigkeit. Entscheidend ist letztlich die Gruppengröße und die bereits vorherrschenden Spannungen, die aber nicht unbedingt zwischen Menschen, die innerhalb einer Kommune zusammenleben, bestehen müssen: Selbst, wenn wir die heutige Zeit als eine der populistischsten und gespaltetsten aller bisherigen Zeiten ansehen möchten, müssen wir doch auch die Funktion des Internets dabei berücksichtigen. Und schon fiele auf: Vieles an der aufgeheizten Stimmung der heutigen Tage lässt sich darauf zurückführen. Es ist die Dynamik, der Informationsreichtum, und die Fatalität (d. i. die Tragweite) der heutzutage behandelten Themen, die sich von damaligen Problemen in gewissermaßen unterscheiden: Während es früher noch um Themen ging, die allein auf nationaler Ebene von Belangen waren, sind es heutzutage globalisierte Themen wie der Klimawandel, die Flüchtlingskrise(n), ein internationales Wiederauftreten autoritärer Strukturen, ein allgemeiner Sinneswandel, der sich über den gesamten Globus erstreckt. Wir stehen heutzutage näher an einem Abgrund, als wir es jemals taten. Das ist beileibe keine Übertreibung, fürwahr, es ist nun einmal der Fall. Seitdem der Klimawandel die Schlagzeilen bereits mehrwöchig für sich behaupten konnte, hat man erkannt, welch existenzielle Krise er eigentlich für die Menschen darstellt. Entsprechend radikal sind auch die Forderungen selbsternannter Klimaschützer, ebenso wie ihrer Kritiker: Während die einen Einschnitte in Individualmobilität, Fleischkonsum und wirtschaftlichem Denken fordern, fordern ihre Gegner weniger Hysterie, mehr Sachlichkeit, und generell weniger Radikalität, die eben den Wohlstand eindämme. Und am Ende gilt, entgegen mancher Meinung, die einem Heuchelei dabei vorwerfen möchte: Beide Seiten haben durchaus gute Punkte zu machen: Ja, es stimmt, der Klimawandel ist eine eminente Gefahr, die den Fortbestand alles Lebens auf diesem Planeten bedroht, und muss entsprechend mit allen Mitteln bekämpft werden. Doch hilft es eben nicht, wenn man den Menschen solche Tatsachen immer ins Gesicht schreit mit einer solchen Intensität, dass keine Debatte über das Vorgehen mehr möglich ist. Man muss ja nicht mit jemandes Meinung bezüglich des Klimawandels übereinstimmen, doch solange dieser Jemand ihn nicht leugnet, oder seine Gefahren, sollte man ihm doch nicht die Luft zum Atmen nehmen. Es ist seit Menschengedenken altbekannt, dass die Debatte den Fortschritt beflügelt. Wenn man nun also in der Hochzeit der Gefahr für das menschliche Fortbestehen die Debatte unterjocht, weil man glaubt, die universelle Wahrheit in den Händen zu halten, dann darum an sich nicht wundern, wenn ihre Opposition Sturm läuft, und sich fortan gleichermaßen querstellt. Das tut man eben derzeit, mit entsprechendem Resultat. 


XI

Wie aber schafft man einen Konsens mit Menschen, die auf alles abzielen, aber eben keinen Konsens? Und damit meine ich insbesondere die Menschen, die der Radikalität entsagen und stattdessen auf moderate Lösungen setzen wollen weil diese weniger Einschnitte in ihren bisherigen Lebensstandard bedeuten. Es ist selbstverständlich schwierig, solchen Menschen beizukommen, sofern man selbst aus guten Gründen keine Abstriche im eigenen Konzept vornehmen möchte. Auf diese Weise spielt man Plus- und Minuspol, immerzu bestrebt, dem Gegenüber näherzukommen, wenn auch erfolglos. 
Insbesondere in Fragen des Klimawandels und wie ihm beizukommen sei, stellt sich auch die Frage, inwieweit es im vorhandenen System noch möglich sein sollte. Ein Punkt, den auch viele Teilnehmer der Extinction Rebellions anmerkten: Der Glaube an das ökonomische Wachstum sei obsolet, er könne nicht mehr Priorität sein. Da bildet sich entsprechend in diesem Kontext auch die Frage heraus, inwieweit womöglich diejenigen, die so strikt gegen jegliche Radikalität sind, darauf einschwören könnten: An die These, dass das ökonomische Wachstum nicht länger das Maß aller Dinge sein kann. Es wäre im Grunde kein gewaltiger Schritt, wo doch auch im akademischen Betrieb erste Zweifel am Bruttoinlandsprodukt geäußert wurden, und selbst dort erkannte man an, dass bereits vor Jahrzehnten erste Zweifel an der Funktion des BIP als Maßstab am Wohlergehen der Gesellschaft geäußert wurden. Es wäre also denkbar, dass man einfach sagen kann, dass das GDP nicht mehr argumentativ gebraucht wird, und man stattdessen andere Faktoren berücksichtigt, been beispielsweise die Nachhaltigkeit der Marktwirtschaft. Es eröffneten sich auf einmal gänzlich neue Möglichkeiten, wobei auch diese alsbald an ihre Grenzen stießen. Wieso, oder besser gefragt: Wodurch? Eben durch die Maxime, dass einzig und allein gut ist, was Geld schürft. Auch dadurch wurde einstmals das BIP in die Höhe getrieben, gemäß dem Motto: Faster, harder, louder. Solange nicht der Glaube, dass Profite Mittel und Zwecke heiligen, sich selbst zu Grabe trägt, oder wir es tun, wird es entsprechend schwierig, tatsächliche Fortschritte in unmittelbarer Zeit hervorzubringen. Diese aber wären unbedingt notwendig, wenn man weiterhin unisono bezeugen kann, dass nicht mehr als vielleicht eine bis eineinhalb Dekaden übrig sind, bis die ultimativen Folgen des Klimawandels spürbar werden; das heißt: Noch spürbarer als sie es bereits vielerorts sind. Es ist eben eine brenzlige Angelegenheit, die entsprechende Maßnahmen erfordert. Allein auf Basis dieser Erkenntnis sollte man behaupten, dass ein breiter Konsens bestünde, dass das gegebene ökonomische Verständnis nicht länger ausreicht. Es war schließlich nie vorgesehen, dass am Ende auch noch der relativ abstrakte Faktor der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden müsste. 
Er stellt am Ende ein Problem insofern dar, als dass sich er und die Maxime des Profits beißen. Gemeint ist damit nicht mehr, als dass man nicht gleichzeitig den größtmöglichen Profit schöpfen und die Natur berücksichtigen kann. Es funktioniert nicht, wenn man sagt, dass man als Technologieunternehmen oder als Unternehmen, welches ausschließlich Produkte im Netz anbietet, wie beispielsweise die Betreiber sozialer Netzwerke: Beide sind angewiesen auf die Schöpfung von Seltenen Erden oder Kobalt (oder wie Dorothee Bär sagen würde: Kobolt), um nur zwei Beispiele zu nennen. Der eine aus Gründen der Produktion, der andere aus Gründen des Konsumenten, der für den Konsum ein entsprechendes Endgerät braucht, welches wiederum nur durch den Einsatz solcher seltenen Erden gebaut werden kann. Der Bedarf an solchen natürlichen Produkten greift alsbald auch auf die Automobilindustrie über, wenn es darum geht, dass man nicht länger auf fossile Brennstoffe setzen wolle: Elektromotoren haben denselben dilemmatischen Bedarf an Seltenen Erden. Lebensmittelhersteller, solange sie keine Produzenten in Ländern, aus welchen sie Lebensmittel importieren, fördern, werden auch keinen grüneren Fuß hinterlassen, wenn sie fortfahren wie bisher. Gemeint ist damit eines: Es wird immer mehr aus Ländern in Übersee eingeflogen , eingeschifft, etc. Gleichzeitig verhungern die Menschen vor Ort, sind völlig verarmt, und können entsprechend selbst nicht die Mittel, um auf erneuerbare Energien umzusatteln. Natürlich spielt beim Thema Verhungern auch noch ein wenig die Korruption de einzelnen Staaten mit, und auch die Kämpfe und Bürgerkriege, die das Land seit jeher im Atem halten. Ausbeutung vonseiten der westlichen Welt (1 | 2; erste Quelle ein PDF) ist aber auch ein Faktor, der nicht außer Acht gelassen bleiben darf. Geht man aber davon aus, dass aufgrund des Klimaschutzes ohnehin einige Ressourcen wohl unter der Erde bleiben müssen, dürfte zumindest der Nachwuchs an Gründen für weitere Ausbeutung ausbleiben, weil man ansonsten in eine innere Krise geraten könnte, bezogen auf die eigenen Ziele, die man so vehement verfolgt. 
Gehen wir aber davon aus, dass man wirklich einige Ressourcen nicht schöpfen möchte, wie wollte man dann noch auf Elektromobilität setzen? Inwieweit müsste man dafür auch auf digitale Trends verzichten, sofern sie dem Klima mitunter schadeten durch ihren exklusiven Bedarf? Es wäre ein Argument, welches man bevorzugt von Rechten hört, die sich nicht auf das Thema Ausländer und Flüchtlinge versteifen wollen. Doch es ist eben auch etwas Wahres daran, wie in einem Märchen. Wir werden keine Elektromobilität haben, wenn wir nicht die dafür notwendigen Ressourcen schöpfen können, es sei denn, wir finden neue Antriebsmethoden, die eben ohne sie auskommen können. Das Problem dabei: Selbst die alternativen Antriebsmethoden wie beispielsweise mit Wasserstoff oder Erdgas (welches ja auch eher einem Kastenteufel gleicht, wenn man bedenkt, dass Erdgas auch nur aus Erdöl produziert wird) nicht viel bewirken können, da sie, um die Antriebe verwerten zu können, ebenfalls auf die seltenen Erden angewiesen sind. Die einzige Möglichkeit, auf Dauer nachhaltig wirken zu können, wäre entweder, gänzlich auf das Reisen zu verzichten, was aber in der Praxis unmöglich ist, oder auf ganz andere Alternativen umzusteigen, praktisch eine 180°-Wende zu vollführen. Man käme auf die Idee von ausgebauten Fahrradmodellen, die auf den Antrieb aus menschlicher Kraft setzen. Damit wäre man zwar um Längen langsamer, dafür hätte man aber weniger Bedenken. Eine dritte Option wäre noch das verstärkte Recycling. Zumindest hier könnte man auch noch Verbesserungen einberufen, immerhin liegt die Recyclingquote in Deutschland bei gerade einmal 5,60 Prozent. Viel Potenzial verberge sich darin also noch: Man stelle sich beispielsweise vor, man täte in Europa insgesamt, was in Afrika ein boomendes Geschäft unter gravierenden Bedingungen ist: Das Zerteilen von Metallen, um die wertvollen Rohstoffe wie Gold oder Platin zu entfernen. Der Rest wird unter freiem Himmel und entgegen allem besseren Wissens verbrannt, was, wie an sich vorstellen kann, auch eine enorme Umweltverschutzung darstellt. Doch erzähle man das einmal Menschen, die ihre eigene Gesundheit für die wenigen Münzen an Lohn, die sie dafür erhalten, riskieren. Sie haben größere, existentiellere Probleme als den Umweltschutz. 


XII

Dennoch ist Recycling selbstverständlich, und deswegen tut die westliche Welt das einzig Falsche dafür – sie lagert es aus. In den USA und in Kanada zieht es den Müll deswegen entweder in die Philippinen oder nach China, und in Europa entweder nach China (bis zuletzt zumindest; ansonsten auch in die Türkei) oder nach Afrika. Letzteres wurde dabei geradezu zum Symbolbild dieses falschen Selbstverständnisses für das Recycling, und dann auch noch ausgerechnet bei einer Produktklasse, welche ich zuvor ansprach, nämlich den Elektroschrott, welcher jene wichtigen Metalle beinhaltet, die so dringend für die Technik gebraucht werden. Dennoch coursieren einige Gerüchte über bestimmte Details dieser nicht weltgrößten Abfallanlage für Elektroschrott, welche aber hier in diesem Faktencheck aufgelöst werden. Einer davon sei hierbei einmal hervorgehoben: 
Research has shown that the main e-waste trade routes are not from high-income to low-income countries, but regional. Electronic waste is still being imported into Ghana, but the amounts are minimal when compared with the electronic waste generated in Ghana itself, as a result of its domestic consumption of electronics.
Das widerspricht natürlich einer Aussage, die auch ich traf, dass man in Europa Elektroschrott auf geradem Wege nach Afrika (und nach China) führe. Skeptisch hätte man lediglich werden können an dieser Aussage, nachdem sich dafür kein eingebetteter Link dafür vorfand. Es war natürlich Kalkül. Denn gemeinhin würde man natürlich annehmen, nicht zuletzt auch deswegen, weil es dafür kaum Anstalten in Deutschland gibt; wie beschrieben wird Müll allgemein nur um knapp 5,60 Prozent recycelt wird, was im Gegenzug bedeutet, dass 94,40 Prozent verbrannt werden. Viel kann also nicht davon übrig bleiben. Dabei ließe sich durch das Recyclen eine enorme Industrie entwickeln, die nicht nur profitabel wirtschaften kann (sie könnten entweder die ganze Liefer- und Annahmekette übernehmen und Elektroschrott kostenpflichtig abholen, die Zerteilung vornehmen und die Produkte daraus wiederverkaufen an Produzenten; oder aber sie würden die einzelnen Sequenzen untereinander aufteilen), sondern auch noch nachhaltig wäre. Es wäre erstmals eine größere Nische, welche profitabel und zugleich umweltschonend wäre. 
Hervorheben sollte man aber einen Faktor: In Ghana ist der meiste Schrott, wie sich diesem kurzen Zitat entnehmen lässt, aus umliegenden Bereichen eingekehrt, und nicht durch internationale Zulieferung. Entsprechend entstand das Slum neben der Halde allein durch ein Epizentrum. Daraus kann man vieles lernen: Nicht nur, wie man es nicht macht, sondern auch, welche Möglichkeiten es gäbe, dieser höllischen Entwicklung Herr werden kann: Man kann auch hierbei kommunalisieren, und dadurch die heimische Wirtschaft ankurbeln. Man stelle sich nur vor, es würden sich auf städtischer Basis Halden entwickeln, welcher betrieben würden von Menschen, die in dieser Kommune, in dieser Gemeinschaft lebten. Vorausgesetzt, es wäre so. Würden wir aber mal voraussetzen, dass der Stadt sich aufgelöst hätte, und die Menschen nunmehr vor allem in ihren weitestgehend geschlossenen Kommunen lebten. Es wäre sinnvoll, würden entsprechend alle Betriebe, die gebraucht würden, um die Kommune autark zu erhalten, von Menschen, die in ihr lebten, betrieben. Dazu gehörte eben auch die Arbeit des Recyclings. 


XIII

Leider bin ich nicht vom Fach, entsprechend kann ich auch nicht sagen, inwieweit der Job des Recyclings bei Elektroschrott, was ja auch die Feinstarbeit der Zerteilung der Apparate beinhaltet, somit enormes Fingerspitzengefühl erfordert, doch glaube ich, dass in Zukunft durchaus einiges an Arbeit an Maschinen verloren gehen wird. Es gibt darüber nicht zuletzt auch Prognosen, Analysen, geradezu dystopische Berichterstattung, und Präsidentschaftskandidaten in den USA, welche in prophetischer Weissagung aufmerksam machen wollen, insbesondere auf die Umstellungen, die sich in unserer Gesellschaft vollziehen werden, wenn eines Tages ein Teil bezahlter Arbeit von Maschinen verrichtet wird. Natürlich gibt es auch Menschen, die einer solchen Entwicklung optimistischer entgegensehen, doch sollte es nicht von der Hand zu weisen sein, dass in einer solchen Zukunft insgesamt weniger Menschen abreiten werden müssen, um zu produzieren, was heute gebraucht wird, um ein schönes Leben zu führen. Überraschenderweise hat sich die wöchentliche Arbeitszeit nicht sonderlich stark verändert (anstelle einer breiteren Analyse ab 1950, wie es möglich gewesen wäre, wurde ab 1991 angesetzt, damit auch Deutschland voll und ganz mit inbegriffen ist): 
Anzahl der jährlichen Arbeitsstunden in ausgewählten
Ländern (Quelle: OECD 2019)
Wie man dem Schaubild einigermaßen entnehmen kann, blieben die Arbeitsstunden in den letzten zwei Dekaden (es wurde von einem Vergleich über die letzten siebzig Jahre, von 1950 bis heute, abgesehen, damit Deutschland auch einbezogen werden kann; dadurch dieser Text sich primär an eine deutsche Leserschaft richtet, war darauf nicht zu verzichten) relativ gleich, lediglich Japan hat um die Jahrtausendwende Stunden abbauen können, um sich international anzupassen. Auch dürfte auffallen, dass Deutschland im Vergleich mit diesen vier anderen wirtschaftlich und industriell auf Augenhöhe agierenden am wenigsten arbeitet, oder besser gesagt: die wenigsten Arbeitsstunden zu verzeichnen hat, dementsprechend wohl also am effizientesten arbeitet. Das spricht vor allem für die Deutschen selbst, die mit einer der höchsten Steuersätze zu kämpfen hat. Man arbeitet immerzu, und am Ende hat man nichts davon als einen Apfel und ein Ei. 

Genug aber von den Scherzen auf Kosten der Deutschen, die gibt es schon zur Genüge von Antideutschen und nationalistischen Polen, um zwei Beispiele zu nennen. Da lobt man sich doch die Kornblumenträger aus der Ostmark, da kann sich das Warthegau eine Scheibe von abschneiden. 
Spaß um die Ecke, zurück zum eigentlichen Thema. Wir sehen, dass Amerikaner, Japaner, Deutsche, Franzosen in den letzten 28 Jahren im Durchschnitt 1.649 Stunden im Jahr gearbeitet haben. Das ist eine ordentliche Summe, wenn man es auf ein Jahr verteilt, ungeachtet etwaiger Feiertage und Urlaubstage, da diese von Kultur zu Kultur variieren können. Abzüglich der Samstage und Sonntage (hierbei müssen wir absehen von den Menschen, die auch an Samstagen arbeiten müssen, oder sogar an Sonntagen) haben wir 261 Arbeitstage, auf die diese Stunden verteilt werden müssen. Das wären also immer noch 6,32 Stunden Arbeit am Tag, durchschnittlich betrachtet. Diese Zahl müsste also nur noch verteilt werden auf die Handwerker, die im Schnitt acht Stunden am Tag arbeiten, die Angestellten in ihren Bureaux und Home-Offices sitzen und arbeiten, und die Manager, Bankiers und CEOs, die Überstunden arbeiten wie andere ihrer gewöhnlichen Arbeit nachgehen. 
Hinaus möchte ich aber auf einen bestimmten Knackpunkt, und das ist der, den wohl jeder vorhersah: Wie sähe das ganze Modell aus, wenn wir die vielen Routinearbeiten, die Lieferberufe, die sonstigen Berufe, die Maschinen in gewissermaßen erledigen können? Wie viele Stunden könnten wir dadurch einsparen? Die Frage ist eben, welche Jobs auch in gewissermaßen durch Maschinen erledigt werden können. Das sind vor allem Fragen, deren Antwort irgendwo im Abstrakten liegen muss, da auch die Frage nach der Qualität des Endprodukts im Argen liegt. Es gibt Menschen, die außerordentlich hohe Ansprüche haben, weil sie selbst in dieser Branche tätig sind oder es waren, und es gibt jene, die errechnet haben, wo die größte Gewinnspanne liegt, und das muss nicht immer bei der höchstmöglichen Qualität liegen. Teilweise herrscht eine gewisse Hysterie über diesem Thema wie eine düst're Wolke, es verkehren im Netz auch viele verschiedene Zahlen von (angeblichen) Experten, wobei man schauen muss, wem wirklich zu glauben ist. Um die Sache etwas abzukürzen, sei hierbei einmal eine Quelle nahegebracht, deren Daten, die gemeinhin für die USA gelten, sich auch auf den europäischen Markt projizieren lassen wenn auch mit Vorsicht: 
Another study by Frey and Osborne (2013) argues that 47% of U.S. employment is at high risk of automation. By contrast, a study by Arntz et al. (2017) suggests that only 9% of individuals have jobs that are at high risk. 
Gehen wir einmal vom riskanteren Fall aus und dass am Ende 47 Prozent, somit fast die Hälfte aller Jobs der Automatisierung zum Opfer fallen könnten: Wie würde, sollte dieser Ernstfall die akademischen Pforten verlassen und der physischen Wirklichkeit entgegentreten, sich das auf unsere Sozialgemeinschaft auswirken? Diese Menschen müssten unmittelbar auf die Arbeitssuche gehen, wobei manche keine Chancen mehr hätten, weil sie zu alt wurden für den Markt, eine Fortbildung sich nicht mehr lohne. Diese Masse wäre auch nicht zu stemmen, da die Arbeitslosenzahlen unglaublich niedrig (3,1 Prozent) sind, und keine plötzliche anormale Steigerung zu verzeichnen ist. Die Automatisierung wird kaum genügend Jobs bilden können, wie sie einstreicht, es werden lediglich einige neue, hochkarätige Jobs geschaffen, die allein den Absolventen entsprechender Studiengänge zugänglich sein werden. Auch das ist nur ein sehr eng eingegrenzter Bereich. Es wird sich günstig stellen für diplomierte Maschinenbauer und Ingenieure, doch weitestgehend wird kein Kontrollpersonal gebraucht. Das bedeutet nicht, dass es gänzlich entfallen wird, aber es wird nicht sonderlich viel gebraucht. Entsprechend sind Maßnahmen realistisch gesehen nötig, wenn man nicht dank der Automatisierung, sollte sie einen cäsarischen Siegeszug antreten können, eine Flut an Sozialhilfebedürftigen erleben wollen. Auch bei einer geschätzten Anzahl von 47 Prozent wäre sie durchaus gewährleistet. 

XIV

Was muss man also tun? Die flinke Antwort wäre: Es braucht ein BGE. Ein heiß diskutiertes Thema, welches vor alle auch die übliche Spaltung zwischen links und rechts aufweist: Linke tendieren eher dazu, das BGE zu befürworten, weil sie befürchten, dass infolge einer zunehmenden Automatisierung immer mehr Menschen arbeitslos werden und keine reelle Chance für sie sehen, wieder Fuß zu fassen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere mit zunehmendem Alter, trotz ihrer Qualifikation aufgrund jahrelanger Erfahrung. Rechte hingegen vermuten einen schleichenden Abzug an Menschen im erwerbsfähigen Alter und von Fachkräften, da sie es präferierten, von ihrem BGE zu leben anstatt eigenes Geld zu verdienen und sich etwas eigenständig aufzubauen. An dieser Stelle fuhr sich die Debatte darum irgendwann fest, ein Fortschritt war nicht zu verzeichnen. Kritiker des BGEs sprechen überdies von einem immensen Kostenpunkt, welcher dem Staate aufgebürdet würde, er wäre nicht refinanzierbar, infolgedessen klaffe am Ende im Haushalt eine immense Lücke. Es ist dabei nicht so, dass man nicht mit Fakten arbeite, sondern vielmehr, dass viele außer Acht gelassen werden, sei es aus Faulheit, zu recherchieren; eine nicht getätigte Berücksichtigung etwaiger Merkmale; oder schlichtweg Parteilichkeit, die dazu verleitete, etwas bewusst außer Acht zu lassen, da es einem ein Schnippchen geschlagen hätte. 
Auch darum sollten wir darüber nachdenken, einmal die Fakten darzulegen, um einen allgemeinen Konsens an Informationen zu schaffen, wodurch sich am Ende jeder aufgeschlossene Meinungen herausbilden kann. Praktisch das, wofür wir die Pressefreiheit zu schätzen wissen. Schießen wir also voraus: 

  1. Stimmt es, dass ein BGE zur willentlichen Massenarbeitslosigkeit führe? Nun ja, nicht zwingend. Das letzte Experiment, in welchem man 2.000 verschiedenen Arbeitslosen in Finnland zwei Jahre lang ein BGE auszahlte, konnte nicht festgestellt werden, dass die Menschen weniger arbeitsfreudig wären. Gleichzeitig musste aber festgestellt werden, dass es Arbeitslosen dabei nicht hilft, schneller wieder Arbeit zu finden. Es kann also nicht direkt behauptet werden, dass ein BGE zur Arbeitsverweigerung führe. Das geben die Daten schlichtweg nicht her.
    Ein weiteres Experiment dieser Art initiierte man auch in der Schweiz, beziehungsweise wollte man es initiieren, doch da es sich dabei um eine Volksinitiative handelte und diese erst einmal eine entsprechende Volksabstimmung überleben musste, kam es nie zu diesem Experiment: 78 Prozent aller Wähler, die daran teilnahmen, waren dagegen. Das zeigt auch, wie sehr sich die Skepsis über ein solches Vorhaben wiederspiegeln kann, und wie extrem es teilweise ausfallen kann.
  2. Stimmt es, dass das BGE nicht finanzierbar ist, darum den Haushalt in den Bankrott treibe? Die Frage ist insofern umstritten, als dass es durchaus Finanzierungskonzepte gibt, welche aber noch nicht in wissenschaftlichen Studien berechnet wurden, sodass allein die rohen Konzepte ihrer geistigen Führer vorliegen, und man darüber streiten kann, ob sie denn auch praxistauglich wären.
    Ein häufig genanntes Beispiel ist dabei die Erhöhung der Mehrwertsteuer, welche, da sie ohnehin zurück ans Finanzamt geht, als Quelle für die Finanzierung instrumentalisiert würde. Auf wie viel man sie am Ende erhöhen müsste, stünde noch aus, ebenso die Frage, ob eine erhöhte Mehrwertsteuer nicht rückbezüglich den Konsum senken könnte, was dem System am Ende ins eigene Bein schösse.
  3. Welche Vorteile hätte ein BGE konkret für die Menschen? Zugegeben unterhält dieser Punkt bereits eine gewisse Suggestion der positiven Parteilichkeit mit dem BGE, dennoch sollte man es einmal ansprechen. Man baut dabei nicht länger vollkommen auf teils utopischen Vorstellungen über die Möglichkeiten, die das BGE bietet, sondern eben auch auf Erkenntnissen aus bisherigen Experimenten wie eben in Finnland oder aus den USA. Festgestellt wurde ja bereits in Finnland, wie im im ersten Punkt verlinkten Artikel auch erwähnt, dass es Menschen gesünder macht. Wie das? Es nimmt Menschen den Stress, welchem sie tagtäglich ausgesetzt sind. Der Stress, welcher erzeugt wird durch den Druck, dass man bangen muss um die Frage, ob man auch weiterhin die Rechnungen bezahlen kann, welche ins Haus flattern, weil man auch jeden Tag den eigenen Job verlieren kann. Rationalisierungen können an jedem neuen Tag vorgenommen werden, der Chef allein, beziehungsweise das Management, hat es fest in der Hand. Mehr oder weniger, natürlich spielt auch das Geschehen auf dem Markt eine gewichtige Rolle in der Entscheidungsfindung der Träger. Fakt ist jedoch, dass die einfachen Arbeiter und Angestellten (in)direkt andauerndem Stress ob ihrer Zukunft ausgesetzt sind. Diejenigen, denen Fortuna nicht hold war, sind es ohnehin seit geraumer Zeit. Sie sind es vor allem, die davon profitieren könnten, führe man ein solches BGE ein, wobei darauf genauso süffisant erwidert werden könnte, dass ein jeder davon profitieren könne, wenn man ihm oder ihr unentgeltlich Geld zustecke. Das wäre nicht allein auf die ärmere Bevölkerung beschränkt.
    Dennoch bedarf es nicht viel der Fantasie, um sich vorzustellen, wie ein BGE gesundheitlich fördernd wirken kann, und weswegen es darum mit ziemlicher Sicherheit auch große Versicherungskonzerne gibt, die sich für die Einführung eines BGEs aussprechen. Öffentlich kundgetan wurde das hingegen noch nicht, einziger unternehmerischer und zugleich nennenswerter Verfechter ist der dm-Gründer Götz Werner, der das BGE dafür bereits seit 2004 proklamiert.
  4. Gibt es bereits Ansätze, zu ermitteln, wie sich ein BGE auf die Wirtschaft des Landes auswirken könnte? Zugegeben erkennt man, dass die Frage ein wenig an den Haaren herbeigezogen ist und allein darauf abzielt, noch einen interessanten Artikel (PDF), verfasst von Thieß Petersen, Senior Advisor der Bertelsmann-Stiftung in ihrem Projekt «Global Economic Dynamics» und Lehrbeauftragter/Gastdozent an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder (wie man der Infobox auf der ersten Seite des Artikels entnehmen kann). Der Artikel lohnt sich nichtsdestoweniger, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie eine Volkswirtschaft auf das BGE reagieren könnte. Vor allem spricht es noch einmal in Randnotizen an, welche Konzepte es genau gibt, und wie verschiedene Fragestellungen gelöst werden können; bezogen auf Dinge wie Pflege- und Krankenversicherungen, Finanzierungsmöglichkeiten abseits einer erhöhten Mehrwertsteuer, etc. Interessant ist dabei ein Paragraph auf Seite drei, welchen ich einmal hier hervorheben möchte: 

    Im Ergebnis gehe ich also davon aus, dass die Einführung eines BGE zu einem Rückgang des in Arbeitsstunden ausgedrückten Arbeitsangebots und einem 
    Anstieg des Lohns führt. Beide Entwicklungen dürften im Bereich der gering qualifizierten Arbeitskräfte (bzw. im Bereich von Tätigkeiten mit relativ geringen Kompetenzanforderungen) wesentlich stärker ausfallen als im Bereich der hoch qualifizierten Arbeitskräfte. Die Schere zwischen den Marktlöhnen für hoch qualifizierte und für gering qualifizierte Arbeitskräfte würde folglich kleiner werden.

    Eine interessante Prognose, fürwahr. Es ist durchaus abzusehen, da im Falle des Eintritts eines BGEs vor allem die Minijobber, Tagelöhner und Schwarzarbeiter, sofern sie überhaupt im Lande registriert sind und über Personalien, sowie eine Sozialversicherung verfügen. Andernfalls blieben sie weiterhin in ihrer Anstellung, wobei das jetzt auch ein anderes Thema wäre. Dass aber die Arbeitsstunden zurückgehen könnten, ist interessant, und es lohnt sich, hierfür seien komplette Argumentation im Text selbst nachzulesen. Kämen wir nochmal auf die Grafik von vorhin zurück, in welcher zu erkennen war, dass die Entwicklung der Arbeitsstunden seit des Mauerfalls (besser gesagt: 1991, also knapp zwei Jahre danach) relativ konstant stagnierte, sie also praktisch gleichblieb, mit einer durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit von etwa sechs Stunden. Auch Befürworter der Automatisierung prophezeiten einen Rückgang der Arbeitsstunden, die Arbeiter und Angestellte zu verrichten hätten, weil man ihnen Arbeit abnähme. Schon der berühmte englische Ökonom John Maynard Keynes beschwor einen Rückgang der Arbeitsstunden, wenngleich er auch nicht explizit von Automatisierung sprach, sondern schlichtweg von technologischem Fortschritt und erhöhter Produktivität, die es nicht länger nötig mache, zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Er sprach hingegen von einer 15-Stunden Woche, das wären in einer fünf-Tage-Woche nur noch drei pro Tag. In solchen Fällen würde man es sich wahrscheinlich auch fast überlegen, ob es sich überhaupt noch lohne, auf die Arbeit zu fahren, wenn die Reise dorthin fast so lange andauernd wie der gesamte Arbeitstag. Manche Menschen sind auch der Meinung, dass sich Keynes' Prophezeiung der 15-Stunden-Woche bewahrheitet hätte, wobei diese Person seine Aussage auch sehr wörtlich und sehr eng nimmt; andere sind dabei ein wenig skeptischer. Wir kommen gleich, nach einem weiteren Punkt, noch einmal darauf zurück.
  5. Zuletzt wollen wir aber noch einmal auf eine ganz wichtige Frage zurückkommen: Wie viel Geld braucht es eigentlich, um ein BGE wirkungsvoll durchzusetzen? Gemeint ist damit in erster Linie die Frage, wie viel Geld jedem Bürger zugesprochen werden soll, damit dieser auch ein anständiges, würdiges Leben führen kann, abgesehen von Luxusartikeln, für die ein jeder respektive eine Stelle annehmen müsste, vorausgesetzt, dass der Markt dann noch so weit Bestand hat, dass er auch Dienste für jeden bereitstellen kann. Doch darin liegt eben auch der Clou: Der Markt spielt eine Rolle. Es spielt eine Rolle, wie viel es kostet, ein menschenwürdiges Leben zu führen, der Preis ist schließlich fließend, wie es die Inflationsrate generell ist. Wollte man diesem Standard, „Menschenwürdiges Leben”, ein Preisschild anhängen, scheitere man spätestens an der mehrjährigen Planung. Es wäre auch entlastender für die Sozialkassen, den Betrag flexibel zu gestalten, wenngleich es auch im Gegenzug belastender wäre in düst'ren Zeiten, doch das ist eben die Waage, die man gebraucht. Die Vorteile sind dennoch eindeutig: Die Menschen können davon profitieren, wenn sie immer so viel Geld erhalten, dass sie einerseits genügend Geld erhalten, um einerseits ihre Rechnungen begleichen zu können, und andererseits immer ein wenig Geld auf die hohe Kante legen zu können, um für die Zukunft vorsorgen zu können.
    Wollen sie das aber? Die Frage stellt sich nicht. Auch in Zeiten eines BGEs muss man an die Zukunft denken können; man möchte sich vielleicht auch eines Tages einen gewissen Luxus gönnen, weil man ja auch nur einmal lebt, und dieses Leben genießen möchte. Insofern ist es wichtig, die Möglichkeit zu haben, Rücklagen zu bilden, auch wenn manche daraufhin erwidern werden, dass das doch der Grund ist, weswegen man noch einen Job suchen soll. Hierbei erreichen wir aber eben einen gewissen Scheideweg – wir können bislang noch nicht mit absoluter Sicherheit feststellen, wie viele Jobs in der nahen und der fernen Zukunft vorhanden sein werden. Wenngleich das Sprechen über die Automatisierung wie ein infernalisches Schwadronieren über eine ungewisse Zukunft erscheint, weil selbst Prognosen für 2030 übertrieben wirken angesichts der relativ moderaten Schritte großer Konzerne und mittelständischer Unternehmen. Kann man also womöglich auch keine langfristigen Aussagen treffen? Es ist einfach nicht so einfach. Man ist geneigt, eine eindeutige Aussage zu treffen, doch kann es nicht, nicht einmal für ein einzelnes Land als solches. In den USA mag die Automatisierung schneller vorangehen, doch in Deutschland ermangelt es dafür bislang der digitalen Infrastruktur. Ohne das Internet, ohne schnelles Internet kann man keine Digitalisierung erreichen und kann auch keine Automatisierung durchsetzen, da Automatisierung nicht in Form von isolierten Inseln funktionieren kann. Ein signifikanter Vorteil der Digitalisierung und der Automatisierung sind internationale, dichte Vernetzung und die damit verbundene grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Firmen und Konzernen in aller Welt. Digitalisierung und Automatisierung sind die logischen Schlussfolgerungen der Globalisierung, entgegen der Widerworte ihrer rigidesten Gegner. Die Globalisierung ist nicht per se schlecht, es ist lediglich die Frage, wie sie umgesetzt wird. Somit ist selbst bei einer Frage der jeweilige Staat, in welchem man lebt, oder welchen man als das Übel ausmachen möchte, zu beachten, beziehungsweise sind es die Konzerne und der Staat, welche man im Auge behalten und ruhig beobachten sollte. 
Schließen wir diese Aufzählung also hier einmal ab und stellen uns eine überdrüssige Frage, die wahrscheinlich einigen Lesern auf den Nägeln brannte: Inwieweit hat dieses Thema – das BGE – mit der Rekommunalisierung zu tun? Die Frage ist nicht unberechtigt und verdient eine Erklärung. Den gehen wir davon aus, dass der Staat aufgelöst würde, bräuchte es womöglich keine Sozialhilfen und Stützen dieser Art mehr. Man würde einfach sagen: „Juhu, der Staat ist futsch, wir in unserem Schtetele organisieren uns jetzt selbst! Niemand muss mehr auf Hilfe von irgendeiner übernatürlichen Autorität angewiesen sein, wir halten einander fest, niemand wird zurückgelassen!” Das wäre eine Möglichkeit, wobei es dafür ein hohes Maß an Gemeinschaftlichkeit, an ambivalentem Vertrauen bräuchte. Wohlgemerkt braucht es das aber für das gesamte Konzept der Rekommunalisierung: Es kann nur funktionieren, wenn man Vertrauen in seine Nächsten hat. Im Grunde funktioniert auch ein jedes Staatssystem allein auf Vertrauen in dasselbe: Wir zahlen Steuern, weil wir glauben, dass man dieses Geld zu unserem Vorteil zu investieren, oder besser gesagt: Reinvestieren; wir akzeptieren die Ausgänge von Wahlen, selbst wenn sie nicht zu unserem Plaisir sind. Warum? Weil wir Vertrauen haben in diejenigen, die die Stimmen auszählen (Wir betreibe ja noch regelrechte Pen-&-Paper-Wahlen, keine digitalisierten Wahlen), und in die entsprechend verantwortlichen Wahlleiter; wir vertrauen in den Staat, weil wir daran glauben, dass er das richtige für uns alle tun. Selbst diejenigen, die ihn verachten, begehren nicht gegen ihn auf, sei es aus Angst, Resignation, Gleichgültigkeit, oder weil sie es eigentlich nicht ernst meinten. Selbst die Machenschaften der sogenannten „Reichsbürger” sind eher infantil als tatsächlicher Protest gegen die Obrigkeit. Sie kleiden sich ein in Uniformen vergangener Tage, ernennen ihre Eigenheime als König- oder Kaiserreiche, kreieren ihre eigene Bureaukratie, und lehnen ab sofort den eigentlichen Staat ab. Manche gehen sogar so weit, den eigentlichen Staat in seiner Arbeit bestmöglich zu behindern. Bewaffnung oder gar der Mord an Polizisten bleibt aber in der Regel entweder unerkannt oder eine Seltenheit. 


XV

Die Frage ist aber vor allem: Ist die Idee, sich frei zu machen vom Staate, so irrsinnig, auch wenn sie derzeit vor allem in kurioser Form von Verschwörungstheoretikern, Monarchisten und/oder Rechtsextremen praktiziert wird? Geht man von der Verfassung aus, so ist die Antwort unstrittig: Ja, es ist irrsinnig, obendrein verfassungswidrig und infolgedessen eine Straftat. Es schwingt wohl vor allem die Konnotation bei solchen Trieben mit, dass man eine immanente Feindseligkeit gegenüber den Staat hege, ihn erschüttern wollte, zerstören, man wollte ihn von der Landkarte beseitigen. Dabei sollte einem jedem selbst klar sein, dass man alleine im Familienverbund noch nicht einmal genug gegen den lokalen Stadtrat anrichten können dürfte, da auch diese einfach die Polizei riefen und den Mann überwältigten, woraufhin er schließlich in Untersuchungshaft käme. Sein Versuch eines coup d'état schlüge fehl, bevor er überhaupt richtig in Fahrt käme. Und überhaupt: Braucht es das überhaupt? Muss man den Staat überwältigen wollen, wenn man doch genauso gut versuchen könnte, ihn zu ignorieren? solange man auf Territorium des Staats bleibt, ist es zumindest verständlich, dass man den Staat bekämpfen möchte, immerhin wird er auch nicht müde, einem ins Handwerk pfuschen zu wollen: Man soll Steuern entrichten, weil das dem Gemeinwohl zugutekommt, inklusive Dingen wie Straßen, die man ebenfalls mitbenutzt, die sich aber auch nicht kostenlos und/oder von selbst restaurieren; man soll seine Steuererklärung einreichen, um zu klären, wie viel man zahlen muss und ob man Anrechte darauf hält, Geld zurückzuverlangen; man soll auch bitte schön Gebühren an die GEZ entrichten, um weiterhin vollen Zugriff auf das multimediale Angebot der ARD, des ZDF und des DLF (/des Deutschlandradios) zu haben, auch wenn man keine Wahl hat, auf sie zu verzichten, und womöglich noch nicht einmal ein TV-fähiges Gerät besitzt (in Zeiten des Internets und des damit verbundenen erweiterten Onlineangebots zieht dieses Argument ohnehin nicht mehr  so sehr wie früher); etc. In vielerlei Hinsicht muss man doch unweigerlich und unfreiwillig mit einem ganzen Katalog an Anforderungen vonseiten des Staates zustimmen, und zurück bekommt man einen Moloch, welcher für Recht und Ordnung sorgt. Or so they say – das Problem dabei ist einfach der Mangel an Auswahl, den man hat: Wenn#s dir hier nicht passt, dann wandere doch aus, würden die meisten wohl schlichtweg sagen, und so verebbt eine Debatte um den raison d'être des Staates. Seine Daseinsberechtigung wird praktisch automatisch dadurch legitimiert, dass es keine Alternative dazu geben könnte. Sicher, einige sagen wieder sofort: „Ohne Demokratie gibt's Faschismus!”, als ob die beiden Kontingente eine Brücke verbinde, die man nur nach links oder nach rechts beschreiten wollte. Haben wir keine Demokratie, haben wir automatisch eine faschistische Autokratie. Dazwischen gibt es nichts, schon gar keine demokratische Mitte, vorausgesetzt, dass dort nicht die Demokratie bereits (begraben) liegt. Für die Apologeten der Demokratie wäre das der Fall, dabei ist es nicht unbedingt der Wahrheit entsprechend. Obgleich es naheläge, sie dort zu verorten, assoziiere diese Konnotation, dass an den Rändern jedwede Optionen lägen, die nicht mehrheitstauglich wären, sie also praktisch die grenzwertigen Optionen für Extremisten und Radikale wären. Auf diese Weise kann man von klein auf abschrecken vor solchen Optionen ,und die staatliche Ordnung bleibt weiterhin legitim durch Alternativlosigkeit. Würde man Menschen aber in öffentlichkeitswirksamen Vorlesungen die Ideen einer beispielsweise anarchokommunistisch organisierten Welt vortragen, in neutraler Manier, sodass die Vor- und Nachteile erörtert werden und Menschen mit „Gelehrten” (scholars) dieser Denkrichtungen diskutieren könnten, fänden sich vielleicht weitaus mehr Interessenten, die in einem Pilotprojekt für beispielsweise ein oder zwei Jahre leben würden, sodass womöglich auch Studien unternommen werden könnten mit dem soziologischen Institut einer Universität. Ökonomen bräuchte es womöglich erstmal nicht, da diese Kommunen zunächst auf Autarkie setzten, sie also einen isolierten Kreislauf darstellten, wohl erstmal nicht interagierten mit der Außenwelt, ganz zu schweigen gedächten, ihre Erzeugnisse zu verkaufen für Geldwerte, die in ihrem Kreislauf vorzugsweise keine Bedeutung trügen. 

Das Problem mit solchen Ideologien ist vor allem genau dieser punkt, beziehungsweise diese zwei Punkte: Dass es keinen Anteil an Schulen hält, über alternative politische Ausrichtungen, die mitunter mit der Verfassung brächen, wenn auch nicht in Bezug auf die Würde des Menschen, die Meinungsfreiheit, oder die körperliche Unversehrtheit, sondern allein auf die Frage, wie die Gesellschaft geordnet wird; und dass es über die Schriften hinweg nichts gibt, was man über diese Ideologien sagen kann. Wo andere sagen: „Der Sozialismus/Kommunismus wurde noch nie ausprobiert!” sollte man sie besser korrigieren und darauf hinweisen, dass zumindest der Sozialismus mittels der  UdSSR bereits ausprobiert, sodass bewiesen werden konnte, dass diese Staatsform, dadurch es praktisch keine Wahlen gibt, anfällig für Korruption un Machtmissbrauch ist. Es mag sein, dass Stalin nicht ohne Hinterlist und gewaltbereitem Egoismus an die Macht kam, somit höchst außerordentlich. In einer Demokratie käme eine solche korrumpierte Rangfolge nicht auf den Plan, da die Regierung auf der Stelle für ungültig erklärt würde, und eine internationale Koalition wahrscheinlich interveniere, sofern sie Rückgrat zeige. 


XVI

Das mag zwar böswillig klingen, und doch ist dem so: Man hat dabei zugesehen, wie die Nazis Juden und andere, wie sie sie nannten, Volksschädlinge, deportierten, Land annektierten, und am Ende lief es doch darauf hinaus, dass Hitler den Molotov-Ribbentrop-Pakt verletzte und es schlussendlich doch zum Krieg kam. Man wartete also praktisch auf nichts, und am Ende kam es, wie es kommen musste, glücklicherweise aber dennoch mit einem Niedergang des Dritten Reichs und seiner Kumpanei. Manch einer mag es Diplomatie nennen, ein anderer vielleicht noch Scheu vor dem bösen Mann mit akkuratem Seitenscheitel und nie zu Ende rasiertem Bart, und der Dritte im Bunde hat sich nie eine Meinung bilden können, weil es sich ihm nie erschloss. Es ist aber letzten Endes auch internationale Politik unter souveränen Nationalstaaten (und diejenigen, die es gerne wären); es ist Politik unter Staaten, die untereinander so mächtig sind, dass sie jeden nächsten Schritt auf der Goldwaage abwägen müssen, weil sie befürchten, etwas kaputtmachen zu können. In der Appeasement-Politik der Alliierten hat sich nur eben gezeigt, wie teils unverantwortlich eine solche Politik sein kann. Vielleicht aber muss man sich eine solche Politik auch in einer höheren Ebene vorstellen, eben jener, die auftritt, wenn ein Staat Politik machen muss in einer solche brandheißen Situation, die aber ohnehin jederzeit auftreten kann, weil es immer schurkische Staaten geben wird, die nichts als Böses im Sinne haben, und darum bekämpft werden müssen, um all jene zu schützen, die darunter zu leiden haben. Es ist wohl aber vor allem die Größenordnung, auf welcher solche Entscheidungen notwendigerweise getroffen werden müssen. In Systemen, in welchen Funktionäre, die darin agieren sollen, gewählt werden wegen ihrer Schönrednerei und ihren teils heillosen, teils hohlen Versprechungen, sind manche unter ihnen womöglich einfach überfordert und trauen sich nicht (oder wollen nicht, wegen der Diäten), zurückzutreten, sodass das Heil dieser Welt in ihren Händen forthin ruht, for the better or the worse. Man kann also, in Form eines Staatsmannes (oder einer Staatsfrau) Wunder vollbringen und wie ein Kutscher die Welt ins Glück führen, oder als inkompetenter Hinterwäldler die Welt in den Ruin führen. 
Könnte man also in logischer Abfolge entsprechend behaupten, dass Nationen, egal wie mächtig und groß oder schmächtig und klein, eine Gefährdung für den internationalen Frieden darstellen können? Eben genau, weil es diese Extreme, inmitten einiger Grauabstufungen, gibt, ist eine pauschale Aussage fehl am Platze. Vielmehr müsste man sagen: Die Idee der Nationalstaaten als die Essenz einer glücklichen, friedlichen und geordneten Gesellschaft haben aufgrund der Potenzialität solch großer, mächtiger Staaten mit ebenso mächtigen Herrschern abzudanken, ausgedient. Und es braucht auch eine ehrliche Debatte über Alternativen, die es aber eben nur geben kann, wenn eine allgemeine Kenntnis über Alternativen besteht, die aber nicht besteht, weil man die drei Jahre an Politik und Wissenschaft an Schulen damit verbracht werden, dass man über das Grundsystem in Deutschland unterrichtet, und über die Ideale der Demokratie; hinzu kommen noch die Bildung über die multikulturelle Gesellschaft und ihre Tugenden, womit die drei Jahre in der Regel auch schon vorüber sind. Debatten, sofern sie im Unterricht geführt werden, handeln zumeist von de Tagespolitik, und nicht von Konzepten wie dem Anarchokommunismus, der Privatgesellschaft (nicht im Sinne einer unternehmerischen Rechtsform, wohlgemerkt!), oder – auch wenn ich diese letzten beiden Nennungen nur ehrenhalber und mit einem gewissen Augenzwinkern aufführen mag – dem Monarchismus (unter Hervorhebung des Philosophicus Rex (PDF) nach Platon) oder dem Primitivismus (PDF). Woran es liegen mag, dass solche Themen nur sporadisch, wenn überhaupt, angesprochen werden, liegt womöglich an der Notwendigkeit der Lehrer, nicht verfassungsfeindlich eingestellt zu sein, geschweige denn derartige Einstellungen aufzuführen vor den Schülern. Und in der Verfassung (dem Grundgesetz) steht nun einmal, dass der Parlamentarismus alternativlos wie ein Fels in der Brandung stehen muss. Nichts anderes ist auch zu erwarten an einer staatlichen Schule. töricht wäre es vom Staate, Ideen verbreiten zu lassen, die ihm doch selbst schadeten. Niemand würde sich in soldatischer Position ins eigene bein schießen, um auch dem Feind eine Chance im offenen Kampf zu geben. Wer also denkt, dass es dabei Nachholbedarf in der breiten Masse gäbe, sollte, anstatt zu jammern, Kurse anbieten, die trotz der teils radikalen Thematik ein breites Publikum begeistern könnten. Hauptaufgabe eines solchen Kursus müsste es sein, auch konservativere Mitmenschen zu begeistern. Das nämlich kann man als eine der Grundprobleme solcher Kurse ausmachen: Dass sie sowohl in ihrer Darstellung, als auch in der Thematik selbst zumeist nur ein eingeschränktes Publikum – jene, die bereits begeistert sind von der Idee – angezogen werden, sodass im Umkehrschluss keine Überleitung in die Praxis gewährleistet werden kann, da eben nur dieses kleine Spektrum davon weiß. Natürlich handelt es sich dabei auch nicht um Grundkurse im anarchistischen Denken, sondern vielmehr um Seminare in erweiterten Problemstellungen. Was aber nützt ein solcher Umgang mit dem Anarchismus? Es erinnert ein wenig an eine Akademisierung der gesamten Thematik: „Wir, die wir es doch besser wissen, ziehen uns zurück und philosophieren ob solcher Probleme, während die dort draußen ihr kleingeistiges Dasein fristen“? Natürlich spräche niemand der Beteiligten derartig, doch benimmt man sich dergestalt nichtsdestoweniger. Wer sich tatsächlich dem Anarchismus verschrieben hat, sollte es sich zum Ziel setzen, die Menschen für die Idee zu begeistern. Dazu gehört es auch, die Schärfe der Reputation des Anarchismus zu extrahieren, um die an sich sehr moderate Idee zuvörderst zu tragen: Die Idee, dass die Menschen in autarken Kommunen, in welcher sie sich zuallererst selbst regieren und ansonsten die Masse die Kommune, welcher sie angehören; ohne irgendwelche regierenden Individuen, die man mittels Wahlen in ihre Position gehievt hat. Je länger man darüber nachdenkt, desto konservativer ist es, vorausgesetzt, wir besetzten dafür ein angloamerikanisches Verständnis vom Konservatismus, in welchem das Individuum tatsächlich Zentrum des Verständnisses, der Idee ist. Die Idee könnte in der breiten Masse durchaus eine Heimat finden, man muss es lediglich unaufgeregt vorstellen können. 
Man müsste dafür noch nicht einmal auf die gängige Literatur verzichten. Wer einmal ganz sachlich und ernst Kropotkins „Conquête du Pain“ (Die Eroberung des Brotes) gelesen hat, wird feststellen, dass ihm jegliche Radikalität an sich abhandenkam beim Schrieben. Womöglich lag es auch daran, dass Kropotkin als ein Pionier des Anarchismus gelten konnte, um die Message dieser Idee durch ganz Europa zu transportieren. Anstatt seine Idee wie etwas vollkommen Radikales, Gefährliches zu stilisieren, was eben nicht für jedermann gedacht war, führte er aus, wie die Utopie aussehen sollte; erst später, mit den Anschlägen der Anarchisten gegen den letzten Zaren Russlands und gegen Franz Ferdinand (letztlich als Auslöser für den ersten Weltkrieg in die Geschichte eingegangen) erweckte der Anarchismus die Aura des Radikalen, des Umstürzlerischen, des fast Juvenilen. Dabei muss das nicht sein: Die Idee an sich könnte dagegen schon fast konträr ausgeführt werden: Als etwas Biederes, Zurückgezogenes, was an sich nur von Spießern praktiziert wird, die am liebsten unter sich sind und nicht von irgendwelchen Leuten angegangen werden wollen mit ihren Problemen. Es ist immer nur eine Frage, was man daraus macht. 
Wie aber transportiert man also eine solche Idee in die breite Masse, ohne sie dabei zu verschrecken und sie in ihren Ressentiments zu bestätigen? Man muss den Spagat schaffen, die konservative Seite des Anarchismus hervorzuheben, ohne dabei die Idee selbst zu zerbrechen. 
Was aber ist demnach die konservative Seite des Anarchismus? Nach angloamerikanischem Vorbild wäre es wohl die Idee, dass Steuern an sich nicht gebraucht werden und eigentlich nur legaler Diebstahl von oben ist; Anarchisten würden noch so weit gehen, dasselbe über die Idee von Schulden zu behaupten: Schulden sind nichts als ein fantastisches Gebilde, welches man sich ausdachte, um mehr auszugeben, als man hat, um es später rückzahlen zu müssen. Auf diese Weise kann der einfache Mensch durch Manipulation und Drangsal erpresst werden, um immer mehr Geld zu horten, einzutreiben. Mehr oder weniger ließe es sich darauf herunterbrechen. Und die ultimative Lösung gegen beide Mittel, Steuern und Schulden, ist, sie im Handstreich abzuschaffen. Das klingt radikal, sollte aber, nach Elaboration und einigen populistischen Einspielungen, die aber nichtsdestotrotz die Idee nicht verzerren zu irgendwelchen Zwecken, einigen Zuspruch erlangen können. Man muss die Menschen lediglich davon überzeugen, dass die Idee, dass Schulden nicht mehr als ein Fantasiegebilde sind, wie monetäre Mittel selbst auch, und man darum auch gut auf sie verzichten kann. Sind Staaten indes eines Tages nicht mehr als Relikte der Vergangenheit, so werden auch die Steuern mit ihnen vergangen sein. Überzeugen muss man die Menschen aber auch davon, dass Geld an sich nicht gebraucht wird, um Ressourcen untereinander auszutauschen. Überlebenswichtige Güter werden gerecht unter den Menschen aufgeteilt in Form von Rationen, und wer mehr braucht, könnte sich für sie eintragen, um sie zu erwerben. Anschließend würden sie an sie, wie von einer unsichtbaren Hand, übermittelt, sie hielten sie in ihren Händen, ohne dafür Wertmengen anzuhäufen, die es in dieser Welt gebraucht hätte, um sie zu erwerben. 
Ich komme nicht umhin, zuzugeben, dass meine Aussagen hierbei recht vage ausgedrückt sind. Als ich von den Gütern jenseits dieser „überlebenswichtigen Ressourcen“ sprach, meinte ich damit selbstredend Luxusgüter wie Entertainmentprodukte, und mit der Übermittlung meinte ich natürlich die Produktion hin zur Übergabe an den Interessenten. Ich setzte dabei voraus, dass ihre Produkte und die dafür benötigten Ressourcen in ausreichender Menge vorhanden sind. Leider ist das entweder irrealistisch oder so umweltschädlich, dass wir durch ihre Ausbeutung unser eigenes Grab schaufeln .Ansonsten aber handeln wir derzeit auch nicht anders, mit der Ausnahme, dass wir eine gesellschaftliche Schicht haben, die sich entweder darum sorgt, jedoch nicht das Zepter in der Hand hält, um ihren Sorgen Fortschritt zu leisten, oder die es nicht interessiert, weswegen sie wie zuvor weiterhin handelt; der Rest leugnet diese Effekte gemeinhin und handelt darum wie die zweitbenannte Schicht. 

Kann man es aber verantworten, so zu tun, als ob auch in dieser Utopie gehandelt werden könnte, wie es jetzt bereits ist? Zumindest als Grundskizze, um zu erklären, wie die Utopie funktioniere, reicht es aus. Will man Menschen für die Idee grundsätzlich erst einmal begeistern, muss man ihnen auch die grundlegende Idee erörtern. Hat man sie am Haken, sind sie also begeistert, kann man auch auf die weiterführenden Problematiken speziell dieses Jahrhunderts zu sprechen kommen. Unumgänglich ist es ohnehin, doch wieso sollte man es mit jemandem besprechen, der sich schon für die Idee von Anfang an nicht begeistern kann? Eben drum. 

Gibt es aber noch mehr konservative Punkte am Anarchismus? Bislang haben wir die Idee, das Geld hinfällig ist, ebenso Schulden und Steuern. Am Ende der Entwicklung muss auch eine umweltfreundliche, möglichst ressourcenarme Produktion stehen, die Mutter Erde Möglichkeiten der Erholung und Regeneration bieten können. Alles schön und gut, und im weitesten Sinne auch konservativ (wir gehen selbstredend von rationalen Konservativen ein, und nicht von Ideologen, die in ihrer Blase und in ihrer Fantasiewelt leben, in der der Konservatismus nur eine linksgrüne Fantasiegestalt ist, die geschaffen wurde, um den Menschen Wohlstand und Freude am Leben mittels ihres Verbotsfetischs zu entreißen). Wahre Konservative sind interessiert am Erhalt der Schöpfung, ihres Planeten und Lebensraumes. Zuvor sprach ich auch schon an, dass der Anarchismus durch seine Zurückgezogenheit und seine generelle Kommunalisierung doch relativ konservativ veranlagt sei. Und dem ist auch so. Stellen wir uns hierfür noch einmal vor, wie sich der Biedermeier nach dem Vormärz selbst stilisierte: Man hat vor Augen Gemälde mit Familien (Vater, Mutter, und ein bis drei Kinder), im Raum steht ein Klavier, die Farben sind nicht nur in der Auswahl schlicht und dunkel gehalten (Wer es aber genauer wissen will und weniger in der kitschig verzerrten Wiedergabe meinerseits, kann es hier nachlesen). Lässt sich das auf eine Zielgruppe und eine Idee projizieren, die vor allem von jungen Menschen heutzutage propagiert wird? Dafür braucht man zugegebenermaßen ein wenig Fantasie, am Ende ist es aber doch relativ simpel: Ist man erstmal zur Erkenntnis gelangt, dass es illusorisch wäre, zu behaupten, dass die Menschen näher zusammenrückten, wenn es keinen Staat mehr gäbe, der ihnen das Geld aus den Hosentaschen stibitzt wie ein räudiger Bandit, und die Menschen auch daraufhin genauso antisozial sein werden wie sie es auch sind. 
Ein kleines Gedankenspiel hierfür: Überlege man sich doch nur einmal, inwieweit der Staat in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Während eines Brainstormings würden in etwa die folgenden Ideen zuerst laut: Regulierungen für den Straßenverkehr und Gesetzgebung, die Morde, sexuelle Belästigung und öffentliche Nacktheit außerhalb von Schwimm- und Freibädern unter Strafe stellen; patrouillierende Polizisten und Beamte vom Ordnungsamt, im selben Atemzug auch noch Behördengänge und der Papierkrieg durch die aufwändige Bureaukratie, die einen jeden eines Tages heimsuchen werden; staatliche Dienste wie beispielsweise das Krankenwesen, die Gerichte, und natürlich auch die gebührenerrhebenden Sendeanstalten des ZDF und der ARD, inklusive aller Regionalsender (WDR, SWR, NDR, etc.). Natürlich darf dabei auch das Deutschlandradio nicht unter den Tisch fallen. 
Was aber sagt uns das alles konkret? Dass man all diese Dinge vielleicht auch ohne einen Staat über unseren Köpfen erhalten könnte. Ärzte könnten sich auch selbst organisieren, ebenso die Mitarbeiter des Rundfunks, die in Kooperation mit Journalisten Informationen aus erster Hand verbreiten. Es ist alles nicht so schwierig, wie man sich vorstellen mag. Manager und Chefs sind auch nicht mehr als Dirigenten eines großen Orchesters: Natürlich ist es sinnvoll, sie zu haben, damit sie den Takt angeben können, doch sie sind nicht vollständig unabdingbar, man kann auch ohne sie. Der Unterschied ist lediglich, dass man sich in einem Unternehmen auch absprechen kann, man spielt keine Instrumente per se. Die Bewegungsfreiheit ist insgesamt größer, ebenso der gesamte Freiraum. Die Rolle, die Dirigent und Manger innehaben, ähneln sich dennoch. 
Spräche irgendetwas gegen die Auflösung der direktorischen Funktionen, die die Hierarchien von oben herab bedingen? Das hinge gegebenenfalls vom Individualfall ab: Es mag vielleicht neben allen zur Autonomie fähigen Gruppierungen an Facharbeitern auch einige unter ihnen geben denen es lieber wäre, wenn sie acht bis zehn Stunden am Tag ihrer routinierten Arbeit nachgehen könnten, um dann abends nach Hause gehen zu können, um ihren Feierabend zu genießen. Demgegenüber stehen jene, die zu beidem durchaus fähig wären. Die Lösung ist dennoch: Die Mischung macht’s (… dass ein Ding Gift ist). Man muss sich als einfacher Arbeiter mit geringeren Ambitionen mit jenen Arbeitern zusammentun, die auch dazu fähig sind, das Organisatorische zu übernehmen. In der Regel braucht es aber keine solchen Kollaborationen, stattdessen kann man die bereits jetzt gegebene Struktur übernehmen: Die Arbeiter in den Fabrikhallen auf der einen Seite, die Arbeiter in ihren Bureaux auf der anderen Seite. Letztere verbrächten ihre Arbeit, und würden damit den Laden am Laufen erhalten, währenddessen die Arbeiter in den Hallen die Produktion weiterhin übernehmen, um somit das Herzstück des Unternehmens zu produzieren. Der Unterschied zur jetzigen Situation wäre lediglich das Fehlen einer Führungsriege und die daraus resultierende Gleichstellung aller Beteiligten. 
Zur Idee, dass man keine Chefs mehr brauche, egal auf welcher Ebene, ist essentiell für die Frage, ob wir in einer klassen- und führerlosen Gesellschaft leben können. Unternehmen sind immerhin ähnlich isolierten Gesellschaften, wie künstlich erzeugte Biotope in Gewächshäusern (oder einer Familienzusammenkunft zu Weihnachten). Sie zu beobachten kann als Wegweiser gelten, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft bewegt. Alternativ kann es auch dazu dienen, neue Gesellschaftsmodelle auszuprobieren (sofern man sowas tatsächlich in dieser Atmosphäre ausprobieren wollte, in der Regel geschieht es nicht). Unternehmen würden sich also als Experimente im Kleinen eignen, um zu sehen, ob etwas funktionieren kann oder nicht. Alle Theorien einmal beiseite gepackt, ist es sinnvoll, etwas Neues zunächst im Kleinen auszuprobieren, um zu sehen, ob es sich im Großen profilieren kann, es ist wie mit neuen Rezepten, die man ausprobiert haben sollte unter wenigen Testpersonen, bevor man es einer großen Besucherkolonne vorsetzt. Und wenn es nicht gelingt, dann sollte man vielleicht darüber nachdenken, nochmal zum Zeichenbrett zurückzukehren. 
Nun ist die Idee, in Unternehmen fortan ohne Chefs zu arbeiten, keine neue, mehr oder minder gingen auch die Anarchisten der ersten Stunden die Idee einmal durch, haben sie vielleicht auch ausprobiert im kleinen Kreise, in Kommunen. Mein Konzept ist dahingehend auch nur eine Fortsetzung bereits fabrizierter Ideen. Glücklicherweise habe ich aber uach nie behauptet, etwas Neues aus dem Hut gezaubert zu haben. Wir leben in der Postmoderne – es braucht nichts Neues mehr; vielmehr wird es Zeit, das Gegebene endlich in die Tat umzusetzen, bevor uns die Depressionen alle eines Tages verschlingen werden. 
In der Moderne unserer Zeit wurde die Idee indes praktisch aufgewärmt, unter manchen Unternehmen wurde beispielsweise mit flachen Hierarchien geworben, angeblich sollte unter ihnen das Arbeitsklima besser sein als unter sonstigen hierarchischen Unternehmen. Mit der Zeit hat sich aber auch einige Kritik darüber erhoben, welche gegen flache Hierarchien spräche, gegen die Führerlosigkeit in der Arbeitswelt. Beispielsweise schrieb André Spicer in einem Kommentar über dieses Arbeitsmodell im „Guardian, als Beispiel hob er Kritik ehemaliger Mitarbeiter von Valve (bekannt geworden durch Spiele wie Half-Life oder der Plattform „Steam“), welche schrieben, dass man sich als Mitarbeiter wie in einem Fürstentum vorkäme, wo die Barone das Sagen hätten. Hierbei muss indes hervorgehoben werden, dass sich solche Modelle womöglich nur in kleinen Betrieben eignen. Valve hingegen ist ein Gigant in der Spieleentwicklungsbranche, man zählt dort mehr als 360 Mitarbeiter. Und je größer ein Betrieb ist, desto anfälliger wird er entsprechend für Korruption und Machtgebaren. Niemand hat auch je behauptet, dass es anders wäre, weil es gar nicht möglich wäre – in einem Dorf würde man niemals eine pro-Kopf-Kriminalitätsrate erreichen, wie sie in Großstädten erreicht würde. Warum? Weil man weiß, dass man auf dem Land sehr viel schneller aufflöge als in der großen Stadt. Im Dorf kennt man sich untereinander zumeist beim Vornamen, während man sich in der Großstadt meist nicht mehr untereinander kennt, sofern man nicht im selben Bezirk wohnt. Allein darum muss die Devise bereits lauten: Großbetriebe müssen aufgebrochen werden, um sie in kleinere zu verwandeln. Sollte aber alles nach Plan verlaufen (im Regelfall tut man gut daran, auch daran zu glauben, es ist schließlich kein Mammutprojekt), erledigt sich dieser Punkt von selbst: Solange man sich nicht auf seine Nachbarkommune verlassen möchte, schafft man Dienste für sich selbst in Eigenproduktion: Was gebraucht wird, wird auch vor Ort produziert, sofern es sich nicht zeitnahe bestellen lässt. Die Betriebe halten sich in ihrer Größe die Waage, sodass Korruption und Machtmissbrauch keinen Nährboden finden wird. 
Gibt es aber noch andere Annahmen, dass das System, wie es im Kommentar beschrieben wird, nicht übereinstimmt mit der Vorstellung, wie man sich ein Unternehmen mit flacher Hierarchie vorzustellen hat? Nun ja, liest man den Kommentar, ist noch relativ häufig von Chefs (bosses) die Rede, nicht aber als eine Gestalt, die man in der Vergangenheit noch kannte, die heute aber nicht mehr existiert. Sie existieren noch immer durchaus, und noch immer tragen sie die Macht, darüber zu entscheiden, wer bleibt und wer geht. Vor allem aber liest sich der Kommentar wie die pessimistische Vorstellung vieler Anarchisten über Konzerne und Betriebe, in welchen man arbeiten kann und gegebenenfalls auch muss: Willkür beim Personalmanagement, das scheint der rote Faden bei Valve zu sein, geht man von diesem Kommentar aus, der aber auch erwähnt, dass es Mitarbeiter gibt, die dort gerne arbeiten. Vieles soll nach Wohlgefallen funktionieren: Wer bleiben will, muss sich Liebkind stellen mit den Verantwortlichen, die das salomonische Schwert in ihren Händen tragen. Anstatt der verhofften Utopie hat man vor Ort also eher das Gegenteil zu erwarten, ein dystopisches, neofeudales Gesamtbild. Doch kann dies eben nur existieren, weil man eben nicht die Führungsriege auflöste, sondern es lediglich vorgab; eben die Fassade einer nicht-hierarchischen Ordnung. Man sollte sich also wahrhaftig nicht blenden lassen. 
Doch es gibt auch ernstzunehmendere Artikel als diesen Kommentar. In einem Essay, welches auf der Internetseite „Aeon“erschienen ist, schrieben Nicolai Foss und Peter Klein, dass viele der Theoretiker und Populisten einer führerlosen Unternehmenskultur sich keine Bilder davon machten, wie denn solche Unternehmen in der Praxis eigentlich organisiert wären, wie man also vorginge, wenn man niemanden mehr hätte, von dem/-r man immer nur herablassend schrieb, dass er oder sie nur überwache, dass auch alles funktioniert. Zugegebenermaßen habe auch ich demzufolge ein wenig eingängig argumentiert: Ich schrieb auch lediglich, dass alles, was es braucht, Arbeiter seien, die wüssten, was sie tun müssten, und dazu befähigt seien, miteinander zu kommunizieren, sodass alle Organisation von innen heraus stattfände. Andere Theoretiker solcher Modelle sollen gesagt haben, dass man auch mit mehr Technik am Arbeitsplatz Manager ersetzen könne: Interfaces zur Befehlserteilung und Kommunikation, und, – wohl aber vor allem im Bureaualltag – Blockchain-Technologie. 
Natürlich ist es utopisch, zu glauben, dass Manager durch Dinge wie eine Blockchain ersetzt werden könnten, oder durch Interfaces, in welchem Kollegen zueinander Bitten und Befehle übermitteln könnten. Und der Text selbst hob es auch hervor, dass auch Manager und Chefs heutzutage essentielle Jobs übernähmen, die essentiell für das Fortbestehen des Unternehmens sind, entgegen der landläufigen, abschätzigen Meinung vonseiten der einfachen Arbeiter jedweder Façon. 
Es wirft aber trotzdem eine wichtige Frage auf: Warum braucht es nun aber Manager und Chefs generell? Einen Hinweis auf die Frage gibt uns hierfür in unfreiwilliger Manier der Text auf: 
„[…] But you do need an entrepreneur to launch a venture or establish a sharing platform, an owner or owners to advance the capital and take responsibility for the overall aims of the project, and managers to establish and enforce the rules of the game. That’s what modern management is all about – designing the system in which empowered, knowledge-based workers can thrive. But the basic system with workers and managers is the same.”
Der Beweis liegt also direkt auf der Hand: Manager und dergleichen braucht es nur aus einen Grund, nämlich, wenn es um die oberste Maxime des freien Marktes geht: Die Profitabilität. Wenn es darum geht, die Umsätze zu maximieren, um die Gewinne zu steigern, dann braucht es die Führungsetage, welche sich jeden Tag aufs Neue damit befasst. Im Umkehrschluss muss das bedeuten: Ist der Drang nach Profiten aus der Welt geschafft, weil man den Markt in sich selbst aufgelöst hat, weil man nicht länger in Nationalstaaten lebt, sondern in Kommunen, welche einerseits Selbstversorger sind und ansonsten den Tauschhandel als Höchstes der Gefühle praktizieren, braucht es sie auch nicht mehr. Sie haben ihren Dienst in der Welt getan, doch jetzt, da eine neue Zeit angebrochen wäre, könnten auch sie ihr Leben in Freiheit genießen. Grund genug hätten sie danach immerhin: Studien zufolge sind sie in nicht wenigen Fällen die Ursache des Burnoutrisikos ihrer Mitarbeiter. Ihren Posten sich in Luft auflösen zu sehen könnte also eine Win-Win-Situation sein. Kann man aber behaupten, dass es später keine Rollen wie die ihrigen mehr brauche? Eine schwierige Frage, für welche wir uns auch die Frage stellen müssen, inwieweit ihre Kompetenzen noch weiterverwertet werden können. Wir sprechen schließlich nicht davon, die Arbeit an sich aufzulösen. Auch in der Utopie werden noch viele bis alle Hände gebraucht werden, und sie es mehr für die Produktion als für die Organisation. Fortan wäre der einzige Unterschied, dass Menschen es sich vielmehr aussuchen können werden, ob sie arbeiten oder nicht. Es wird keinen Zwang diesbezüglich mehr geben. 

XVII

Hierbei stoßen wir aber wieder an einem Punkt an, den ich bereits zuvor ausgeschrieben habe: Im Kapitalismus herrscht Freiheit, auch auf dem Markt, sagen die Kapitalisten. Sie sagen, dass niemand dazu gezwungen ist, einen Job anzunehmen, man hat die Auswahl, welche durch den Markt generiert wird. Wenn einem ein Job also nicht gefällt, so sagen sie, dass man ihn doch einfach kündigen kann, es steht einem schließlich frei. Man hätte auch die Wahl, einfach nicht zu arbeiten, müsste dafür aber auch mit den Konsequenzen leben, es war schließlich die eigene Wahl, dies zu tun. Der Staat sollte indes den Markt nicht zu arg regulieren, da er ansonsten nicht nur dessen Freiheit zunichtemacht, sondern auch die der Bürger/Arbeiter, die mit und in ihm zusammen leben. 
So weit, so schlüssig, an und für sich. Es hängen nur eben die altbekannten Probleme daran: Die Freiheit, die durch diese Logik beschrieben wird, ist in sich eingeschränkt, da der Markt nur Jobs produziert, die er auch im Moment und längerfristig benötigt. Sehen wir also einmal von Jobs als bloße Einheiten im Format „1 Job = 1 Einheit“, dann sehen wir, dass bestimmte Jobs eben auch ihre jeweiligen Voraussetzungen haben. Bedeutet im Gegenzug: Es gibt Menschen, die eher im Bureau zuhause sind, während andere vielleicht lieber mit Kindern arbeiten. Was aber, wenn im Moment keine Bureaufachkraft benötigt wird, eine arbeitssuchende Person aber nur schlecht mit Kindern arbeiten kann und auch keine sozialpädagogische Ausbildung durchlief? Soll diese Person, um auch in Zukunft die Miete bezahlen zu können, umschulen auf den Beruf des/der Erzieher/in? Das wirkt wie eine reichlich unfreie, erzwungene Entscheidung, die nur getroffen wurde, weil der Markt keine kostenlosen Wohnungen bereitstellen möchte, geschweige denn nur die essentiellsten Nöte für die gewöhnlichen Menschen. Alles hat seinen Preis, auch der Tod kostet einen Jeden das Leben. 
Die Arbeitslosigkeit ist indes auch gleich einem Todesurteil, wenngleich man auch nicht sofort stirbt, wenn man für längere Zeit arbeitslos ist. Die Mühlen des Marktes mahlen nur sehr langsam, umso länger ist sodann auch der Leidensprozess, der sich mit fortlaufender Zeit nur noch verschlimmert. Je länger man aus dem Markt ausgeschieden ist, weil man auf Gedeih und Verderb keine den eigenen Kompetenzen gerechte Stelle findet, desto mehr schwinden die eigenen Chancen auf eine gut bezahlte Stelle. Die noch düsterere Aussicht wäre das Hangeln von Job zu Job, allesamt befristete Stellen, sodass man am Ende des berufstätigen Lebens, wenn der Körper es nicht länger zulässt, bleibt nichts als eine mickrige Rente und die Lasten eines Lebens voller erlittener Knechtschaft, weil man sich für jeden noch so entbehrungsreichen Job hingab, solange er ein wenig Geld einbrachte. 
Natürlich ist diese Darstellung nun reichlich elegisch, ein Stück weit vielleicht auch überzogen und überspitzt. Es gibt natürlich auch Menschen, die von Konzepten wie der befristeten Arbeit auch Gutes ertönen lassen, weil sie dadurch verschiedene Bereiche kennenlernen können, anstatt also vier Jahrzehnte lang denselben Beruf auszuüben, immer etwas anderes machen konnten, sofern es ihren Qualifikationen entsprach. Diese Fälle gibt es durchaus, und sie sind auch der Grund, weswegen das Modell der befristeten Arbeit nicht gänzlich abgeschafft werden sollte. Ebenso ist es Grund genug, es zu erhalten, zu sehen, dass manche Betriebe zwischenzeitlich einen temporären Mehrbedarf an bestimmten Berufsgruppen haben, beispielsweise wegen Großprojekten, die aber irgendwann ein Ende finden werden, und so findet auch der Mehrbedarf sein Ende. Was es aber braucht, ist ein gewisses Set an Regularien vonseiten des Staates, die den Arbeitern eine gewisse Sicherheit zusichern: Beispielsweise die Auszahlung des gesetzlichen Mindestlohns, oder eine Sicherheit, dass sie nach ihrer befristeten Arbeit nicht zwingend direkt an die nächste befristete Stelle weitergereicht werden. Letzteres wäre vor allem ein Risiko, welchem man entgegenlief, wenn man beispielsweise bei Agenturen anfragt, damit diese die Vermittlung übernehmen; gemeint ist damit auch die Bundesagentur für Arbeit, welche zur wohl bekanntesten Arbeitsagentur in Deutschland gehört, doch selbstredend gibt es auch noch private Vermittlungsagenturen, nebst sogenannten „Headhuntern“ wie der Per Se GmbH. 
Wer sich auskennt, weiß dem aber zu widersprechen: Nicht erst seit diesem Jahr wird in der befristeten Arbeit, also in der Leih- und der Zeitarbeit, sogar gesetzlich mehr als nur der gesetzliche Mindestlohn ausgezahlt, ihm kommt eine besondere Beachtung zu: Wie man in einem FAQ des DGB lesen kann, gelten jeweils für Ost und West unterschiedliche, dennoch aber (bislang) höhere Löhne als Mindeststandards für Leih- und Zeitarbeiter, beide betragen jeweils 9,49 EUR im Osten und 9,79 EUR im Westen. Nach oben hin ist noch Luft, aber zumindest kann es nicht nach unten gehen, ohne dass der Arbeiter ein Recht hätte, die Überreste einzuklagen. 
Dieses Recht zu klagen ist essentiell für eine demokratisch geordnete Gesellschaft, doch sie reicht nur so weit, wie auch der Markt seine Karten ausspielen kann. Arbeitsschutzgesetze haben sich Arbeiter in  der gesellschaftlichen Entwicklung weithin erkämpft: So gibt es beispielsweise Kündigungsfristen, die zusichern, dass einem Arbeiter nicht unter allen Umständen auf der Stelle fristlos gekündigt werden kann – es gibt immer noch eine Übergangsfrist, in welcher sich der Arbeiter, nachdem ihm (oder ihr) gekündigt wurde, nach einer neuen Stelle umsehen kann, in der Hoffnung, dass er oder sie alsbald wieder fündig wird. Doch auch eine Beteiligung des Arbeitgebers an den Versicherungsbeiträgen konnte erwirkt werden, man muss die Beiträge nicht allein tragen. Viele Dinge liegen aber dennoch im Ermessen des Arbeitgebers: Gehaltserhöhungen beispielsweise. Wer glaubt, dass er oder sie mehr verdient als ihm oder ihr bereits ausgezahlt wird, oder dringend mehr benötigt, weil beispielsweise Reparaturen am Eigenheim oder der Wohnung fällig sind, oder ein Krankheitsfall in der Familie mehr Geld erfordert, muss schon mit einer regelrechten Charmeoffensive ausgestattet sein, ansonsten wird daraus nichts. Vernunft oder die besten Argumente müssen nicht zwingend Rezepte zum Erfolg sein, manchmal sind es auch einfach nur Überredungskünste. Oder wer glaubt, dass eine Drohung mit der Kündigung das wirksamste Mittel sei? Das wäre allenfalls ein Schuss ins eigene Bein in einer solchen Situation; Bluffs sind selbst im Poker nur etwas für die wahren Teufelskerle, mit ihnen zu spielen will gelernt sein, ansonsten springt man kopfüber ins kalte Wasser und erfriert jämmerlich. 
Viele mögen es aber vielleicht auch schon erlebt haben, dass sie entweder in Mutterschutz gingen oder plötzlich einen Pflegefall in der Familie hatten, wodurch sie kurzfristig aus dem Job aussteigen mussten (das Muss ist hierbei von höchster Wichtigkeit, da es in der Regel nicht verhandelbar ist, ob die krankende Mutter oder das Neugeborene da sind, sie sind es einfach). Für Männer wäre sowas wahrscheinlich – in letzterem Fall besonders, die Auszeit für Väter ist noch eine relative Seltenheit, wenngleich sie auch zunimmt – kein größeres Problem, wollten sie in ihren alten Job zurückkehren, ein größeres umso mehr für Frauen. Man kann von Glück sprechen, dass gesetzliche Regelungen die Möglichkeiten, Angestellte zu schmieren, gering halten. Praktisch eine Neuerung, wobei es mitunter zu Streitigkeiten kommen kann, ob diese Auszeit vom Beruf auch weiterhin bezahlt wird. Man kann es sich vorstellen: Über mehrere Monate scheidet man aus, will aber weiterhin bezahlt werden, als ob man noch immer tätig sei und am Ertrag des Unternehmens mitwirke. Man erkennt darin, inwieweit das vor allem für den Staat von Interesse ist: Man kann nicht auf immer und ewig darauf zählen, dass Zuwanderer später als Fachkräfte einsteigen im Lande, vor allem, wenn ein Großteil unter bestimmten Personengruppen unter den Zugewanderten am Ende doch von Hartz IV leben. Problematisch kann es aber werden, wenn das Kind nicht nur da ist, sondern man auch wieder arbeiten geht, weil man keine Ansprüche mehr auf Elternzeit hat, sodass man einfach wieder arbeiten gehen muss, komme was wolle. Da ist beispielsweise die Sache mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die viele berufstätigen Eltern erdrückt, oder die Suche nach einem Kita-Platz für das kleine Kind, welches sich noch nicht selbst überlassen werden kann, jedoch auch zu jung ist für die Schule, welche vielleicht auch eine Ganztagsbetreuung anbietet. Ein Blick sei dennoch vor allem auch auf die Diskriminierung von Frauen geworfen, welche im Text der SZ hervorgehoben wird: Dadurch nahezu die Hälfte aller berufstätigen Eltern auch beiderlei arbeiten, in Voll- und Teilzeit eingeteilt, und darunter auch bei der eindeutigen Mehrheit die Mutter in Teilzeit verweilt, sind es vor allem auch die Mütter, die nach Rückkehr in den Beruf ihre Karriere an den Nagel hängen können, für sie ist diese Chance mit dem Kind gestorben (wohlgemerkt: Das Kind lebt immer noch, nicht missverstehen!). Dadurch, wie man dort lesen kann, noch immer Voll- und Teilzeitstelle die einzigen Optionen sind (Gleitzeit sollte dabei eine Option sein, die man mit ein wenig Ausbau zum perfekten Zukunftsmodell für die Work-Life-Balance erheben kann), haben viele Frauen keine Chance, einen Spagat zwischen Kind und Karriere zu wagen. Stattdessen bleibt es vielmehr ein Ultimatum: „Willst du ein Kind haben, oder eine Karriere?“ Nun könnte man, wollte man ein Spiel mit dem Feuer, wenn auch nur kurz, wagen, so könnte man einwerfen, dass es doch auch für die psychische Entwicklung besser ist, wenn mindestens ein Elternteil wenigstens für die meiste Zeit verfügbar ist, sodass sich das Kind nicht von seinen Eltern entfremdet, doch sollte in einer fortgeschrittenen Gesellschaft die Frau, wie auch der Mann, die Freiheit der Wahl genießen. Vielmehr könnten auch gerade die größeren Betriebe eine betriebsinternen Kinderbetreuung anbieten, wodurch sie selbst einerseits für Arbeitnehmer mit Kindern attraktiver würden, und sie andererseits auch das zunehmende Problem der Knappheit von Kita-Plätzen zusammen mit Kommunen anpackten. 

XVIII

Um aber einmal mehr die Kurve zu kratzen, sollten wir uns die Frage stellen: Wie sähe das alles aus, wenn man den Staat abschaffe, und den Menschen erkläre, dass sie nunmehr in erster Linie in Verantwortung ihrer selbst stünden und der ihrer Kommune? Zuallererst sollten die Feministen beschwichtigt und gewonnen werden für die Sache: Die Rechte von Frauen würden direkt und kompromisslos umgesetzt, auch die Kinderbetreuung würde im besten Fall vergemeinschaftet. Gemeint ist damit, niemand zwingend seine Kinder zuhause betreuen muss, die Betreuung wird zentralisiert. Alle Kinder kommen in gemeinsame Kindergärten, religiöse Gruppierungen können auf Wunsch ihre eigenen Kindergärten aufmachen. Religionsfreiheit soll natürlich großgeschrieben werden, sofern die Grundrechte der Kinder dabei nicht beschnitten werden. Der gesellschaftlichen Isolation sollen natürlich weder Tür noch Tor geöffnet werden, sowas steht außer Frage. Generell bleibt es aber dabei: Die Betreuung soll nicht länger eine der existentiellen Fragen sein, an welcher sich entscheidet, ob man überhaupt Kinder bekommen soll. Nicht selten hieß es aus guten Gründen: „Kinder sind unsere Zukunft“. Es stimmt durchaus, niemand bestreitet es. Früher galt es noch für die Rente, da der Generationenvertrag voll und ganz auf den Nachwuchs setzte, auf dass er die Rente der Eltern finanziere, währenddessen ihr eigener Nachwuchs eines Tages ihre Rente finanziere, und so weiter. Heutzutage muss man vor allem daran denken, dass sie das Erbe einer grundlegend verändernden Idee erhalten müssen, und dafür muss man ihnen ein gutes Beispiel sein. 
Gemeint ist damit vor allem eines: Nicht nur muss die Kinderbetreuung zentralisiert werden, sondern muss auch geklärt werden, wie es mit der Elternzeit aussehen soll. Zu sagen, dass einfach jeder Elternteil sich so lange Auszeiten nehmen kann, wie es ihm oder ihr beliebt, sondern muss ausgemacht sein, wie lange maximal aus dem Job ausgestiegen werden darf, sofern man einer geregelten Beschäftigung nachgehen wird. Diejenigen, die es nicht tun, oder freiberuflich arbeiten, beispielsweise als Journalisten oder Berater, müssen sich darum womöglich weniger Sorgen machen. 
Wie lang aber sollte man sich ausnehmen dürfen? Die Frage bemisst sich auch daran, wann man frühestens sein Kind in einen Kindergarten oder eine Ganztagsbetreuung schicken sollte, beziehungsweise wollte oder könnte. Wir haben also gleich drei Faktoren, welche uns bewegen können: Das Sollen, also angesichts der Empfehlungen diplomierter Pädagogen; der Wille, also wann man überhaupt sein Kind in eine Betreuung schicken möchte, darüber streiten sich ja auch die Geister, da jeder meint, die eindeutig richtige Antwort zu kennen, basierend auf eigenen Erfahrungen, Hörensagen und einer handfesten Meinung; letztlich natürlich auch das Können, also wann man auch einen Beruf hat, zu welchem man zurückkehren kann, sofern man muss, und wann man auch einen Kita-Platz, welchem man das eigene Kind überlassen kann. 
In der Regel sollte die allgemein angewandte Faustformeln gebrauchen, um solche Urteile zu fällen: Der geeignete Einstiegstermin für ein Kind in seine schulische Laufbahn Liegt bei etwa sechs Jahren, für den Kindergarten sollte man circa drei Jahre ins Auge fassen. In letzter Zeit, so muss man aber einwenden, eröffneten Kindergärten auch schon ihre Pforten für jüngere Kinder, häufig bedingt durch Paare, in welchen beide Elternteile arbeiten gehen, wodurch niemand auf das Kind aufpassen könnte. In der Regel sind Kindergärten einfach günstiger als zuhause angestellte Tagesmütter, manchen fehlt vielleicht auch das Vertrauen in solche Pflegerinnen (oder Pflege; ob es aber Tagesväter gibt, weiß ich selbst nicht, wahrscheinlich sind sie nicht so sehr gefragt wie ihre weiblichen Pendants). 
Hierbei könnte man auch eine dornige weil trickreiche Frage stellen: Wie sähe das in einer Kommune aus, wenn man dort arbeiten wollte, jedoch auch ein Kind hätte? Könnte man von einer Gleitzeit Gebrauch, um das Kind strategisch in den Arbeitsalltag zu manövrieren? Gleitzeit ist ein Konzept aus der Arbeitswelt, bei der dem Arbeitnehmer die Möglichkeit offeriert wird, selbst zu planen, wann man mit der Arbeit beginnen möchte, solange man ein bestimmtes tägliches Arbeitspensum erfüllt. Heißt also: Verlangte der Arbeitnehmer, dass man täglich circa zehn Stunden arbeitet, könnte man von neun bis um sieben arbeiten, von acht bis um sechs, und so weiter. Manchen Eltern käme es vielleicht zupass, wenn sie ihr Kind im Laufe des Tages dort hinbringen könnten, um es dann zur rechten Zeit wieder abzuholen. Ich will mich hierbei keineswegs in noch spezifischeren Details versteigen, sondern einfach in den Raum geworfen haben, dass man solche Konzepte vielleicht miteinander verknüpfen kann, um jedem Menschen die bestmöglichen Konditionen zu unterbreiten, um eine Work-Life-Balance zu erzielen. Nötig dafür wären lediglich die Ressourcen, die es braucht, um all diese Gegebenheiten unter einen Hut zu bringen. Sprich: Jobs wird es garantiert bis ans Ende aller Tage geben, doch die Kita-Plätze sind es, die einem zu schaffen machen können, eben weil er die Nachfrage nicht stillen kann, die ihm entgegenbricht. Manche mögen dahinter das Problem der Verstaatlichung des Erzieherwesens sehen, doch sollte man demgegenüber nicht unerwähnt lassen, dass es auch private Kindergartenbetreiber gibt, zu welchem beispielsweise auch die Montessori-Kindergärten gehören (für den relevanten Teil einfach zur Zwischenüberschrift „Die Grundprinzipien der Pädagogik Maria Montessoris“ herunterscrollen). Ich will gar nicht bestreiten, dass solche Kindergärten – Kindergärten, welche mit alternativen pädagogischen Konzepten arbeiten – nicht unbedingt etwas für jedermann sind, doch es gibt natürlich auch ganz herkömmliche Kindergärten; privat geführte Kindergärten, welche allgemein anerkannte 08/15-Konzepte gebrauchen, und allein privat geführt werden, um die eigenen Kinder nicht mit denen des Plebs zusammenkommen zu lassen. Und wem diese Sprache zu konnotativ ist, der sollte sich doch einmal fragen, woher die Nachfrage nach privaten Kindergärten rührt. Einerseits ist es natürlich der Mangel an Kitaplätzen für jedermann, doch andererseits ist es eben jene Sichtweise derjenigen, die ihre Kinder dorthin schicken, welche das Angebot sprießen lassen. Manche Eltern haben Sorge um die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Kinder in kommunalen Kindergärten, weswegen sie bereit sind, ein wenig obendrauf zu zahlen, solange sie sich sicher sein können, dass ihre Kinder in besten Händen sind. Die Folgen, die daraus entstehen können, sind nicht unbekannt: Diejenigen Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder in private Krippen zu schicken, tun das, währenddessen die ärmeren Eltern ihre Kinder weiterhin in die staatlich subventionierten Krippen schicken wird. Die Gesellschaft spaltet sich also auch hierbei bereits auf in die Gruppierungen der Aristokraten und des Gesindes. Es macht also nur noch schlimmer, was vielen Kindern bereits ad ovo blüht: Dass sie durch ihre Armut stigmatisiert werden und ihnen somit ein sozialer Aufstieg erschwert wird. Auf eine Geburt in Armut folgt die mindere Bildung und die dadurch geringgehaltenen Berufschancen. Ausnahmen bestätigen vor allem durch ihre alarmierende Seltenheit die Regel. 
In einer rekommunalisierten Gesellschaft könnte man das Problem durch eine Zentralisierung der Erziehung und der Bildung vorbeugen: Die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Kindergärten und Schulen – das Phänomen der Spaltung ab dem Kindergartenalter kann man auch bei Schulen beobachten, wobei hier das Phänomen einer Neoaristokratie noch stärker beobachtet werden kann, weil es hierbei schließlich um die Bildung im herkömmlichen Sinne geht, und nicht nur um die Sozialisierung der Kinder –würde durch die Zentralisierung der beiden Sparten aufgehoben. Gemeint ist damit: Es gibt nur noch öffentliche Kindergärten, da das Konzept der privaten Kindergärten durch den Wegfall monetärer Mittel ohnehin aufgehoben würde, stattdessen könnten alle Mittel und Bemühungen um die Verbesserung der beiden Sparten konzentriert werden können. Wer also wirklich daran interessiert wäre, könnte diejenigen unterstützen, die bereits an der Sache sind. Es braucht niemandes Hilfe, wer am Ende nur am eigenen Vorteil interessiert war. 


XIX

Dieser Gedankengang wirft abermals Fragen auf, wie man sich denken kann: Steht hinter dieser Entwicklung also eine Abkehr vom Egoismus, hin zum allgemeinen Altruismus? Und: Wird dieser Wille zur Bemühung um die Verbesserung egal welcher Dinge überhaupt noch bestehen, wenn man selbst keine individuellen Vorteile mehr ergattern können wird? Immerhin ist das doch von Konservativen und Rechtsliberalen als der als Triebmittel hervorgehobene Grund für alle Innovationen und alle Neugier; mache man ihn also zunichte, befördere man den Stillstand des gesellschaftlichen Fortschritts. 
Die erste Frage kann man schnellstmöglich abhaken: Es ist richtig – was eine gesunde Gesellschaft braucht, ist einen allgemein anerkannten Altruismus, welcher die ebenfalls allgemein anerkannte Maxime darstellen muss. Für einen womöglich amoralischen Egoismus darf es keinen fruchtbaren Boden geben. Hiermit ist jedoch auch die zweite Frage in Teilen verwoben: Für viele Menschen ist die Aussicht auf einen persönlichen Vorteil Essenz ihres Strebens, darüber kann man nicht einfach steigen in aller Selbstsicherheit, immerhin drohe man, krass ausgedrückt, ihren Lebenswillen zu entreißen, und das nur zum Wohle anderer. Wir würden also Menschen in ihrem Willen unterdrücken, um den Willen anderer Menschen zu verwirklichen. Gingen wir hierbei nicht von persönlicher Präferenz aus, müssten wir von arroganter Falschmünzerei sprechen; wie wir es also drehten, erbrächten wir keine Gewinne, wir erzielten nichts. Eine Alternative müsste also her. 
Die Debatte ist nicht neu, sie ist mindestens so alt wie die Konstellation linker und rechter Ideologien, doch eine wirkliche Lösung im Falle des Eintritts einer anarchistischen Utopie wurde nie wirklich gefunden (zumindest war mir bislang keine bekannt, sodass ich selbst den Versuch wage, eine zu kreieren, wobei ich zu keiner Zeit behauptet haben möchte, die ultimativ richtige Lösung gefunden zu haben; eine weitaus simplere Alternative möchte ich im Anschluss aufführen, wobei sie keine Lösung darstellt als mehr einen Kompromiss der lakonischsten Art und Weise). Die meisten mögen vielleicht gedacht haben, dass man sich aus diesem Dilemma winden kann, indem man die Gegenseite als inhuman und amoralisch, wenn nicht sogar verantwortungslos, deklariert, und sagt, dass sie damit unvereinbar und indiskutabel ist. So entgeht man brenzligen Diskussionen, entzieht einer bilateralen Lösung aber gleichzeitig jede Chance zur Ermöglichung; wer Diskussionen über Themen vermeidet, wird auch nie eine (dauerhafte) Lösung finden können. Warum? Weil sie, selbst, wenn sie eintreten sollte, binnen kürzester Zeit in sich zusammenbräche, weil sie an nie aufgedeckten Problemen zugrunde ginge. Wie ich auch schon in anderen Texten meinerseits erwähnte, wird man bestimmte Fehler nie aufdecken, wenn man sich nur unter seinesgleichen aufhält; unter Menschen, die der eigenen Auffassung entsprechen und zu nahezu allem Ja und Amen sagen werden. Nicht, weil sie sich persönliche Vorteile bei einem verschaffen wollten, sondern, weil sie tatsächlich dieser Meinung sind (was nicht ausschließt, dass man jemandem Vorteile in irgendeiner Form verschaffen könnte, die es wert wären, dass sich andere bei einem einschleimen sollten. Vielleicht ist man ja zufälligerweise ein polarisierender Präsident des Landes und hat im Moment ministeriale Posten zu vergeben). Wer aber alles guten Gewissens abnicken kann, wird nicht ein weiteres Mal länger darüber nachdenken, und sich fragen, ob irgendwo ein offener Haken ist oder eine Lücke vorhanden ist, in der es zu stolpern nicht so sinnvoll wäre, wenn man auch weiterhin fortbestehen möchte. 

Bevor wir aber schnell ins nächste Thema einsteigen, sollten wir uns noch eine Frage stellen bezüglich der Erziehung: Welche Grundwerte wollen wir vermitteln, ohne in irgendwelche ideologischen Fahrwasser einzugehen? Die Frage ist insofern wichtig, als dass wir womöglich in der Vergangenheit und der Gegenwart Fehler gemacht haben, die wir in Zukunft vermeiden sollten. Einerseits brauchen wir entschlossene und ehrgeizige junge Menschen, andererseits wollen wir sie auch nicht drillen. Und obgleich wir mit einem Neuanfang nicht meinen, alle Regler auf null zu setzen, sollten wir doch ändern, was es zu ändern gilt, solange wir die Möglichkeit haben. Wohlgemerkt dazu: In der Erziehung können wir vielleicht noch Änderungen vertragen. Der Grund: Rechte werfen Linken gemeinhin vor, zu weich zu sein, der Begriff der „Snowflakes“ kam nicht von ungefähr. Manche mögen vielleicht sagen, dass es lächerlich, ja – sogar relativierend! – sei, dem Palaver der Rechtspopulisten und ihresgleichen mehr Aufmerksamkeit als notwendig zu schenken, doch ist auch das ein Zeichen für den geistigen Verfall der modernen Linken: Ihr Mangel an Selbstreflexion. Anstatt in sich zu gehen und sich zu fragen, wie es gerade um einen selbst, um das eigene Denken und Handeln steht, um möglicherweise fehlerhafte und geradeheraus falsche Ansätze auszumerzen, wirft man alle Kritik von sich und degradiert stattdessen das Gegenüber, hängt ihm derogative Ausdrücke an und entwertet somit die Kritik. Auf diese Weise fährt man mit Vollgas in eine Richtung, schaut nicht zurück, und kracht eventuell auch mal gegen eine Wand. Doch anstatt die eigenen Fehler für den Unfall anzuerkennen, wird man abermals dieselben Fehler wie zuvor machen und die Fehler woanders suchen, eben bei Dritten. 


XX

Entsprechend sollten wir uns vielleicht auch Gedanken darüber machen, welche Grundwerte wir Kindern vermitteln wollen in einer rekommunalisierten Welt. Immerhin werden infolge des Systemwechsels auch andere Werte Priorität haben müssen. Es mag vielleicht vor allem Linken eigen sein, doch setzt das Schulsystem der Gegenwart vor allem auf eine kompetitive Grundeinstellung. Soll heißen, dass Kinder ab der Schulzeit vor allem überwiegend konkurrieren müssen miteinander. Noten mögen sich als einigermaßen angemessenes Bewertungssystem eignen, um eine Tendenz und eine Momentaufnahme zu geben, doch anders als das an deutschen Gymnasien und französischen Schulen angewandte 20-Punkte-System (1 = ungenügend; 20 = sehr gut) ist es nichtsonderlich vielsagend, stattdessen wirkt es stigmatisierend und kann dazu führen, dass es manche Schüler demotiviert, wo es andere wiederum motivieren mag. Es ist, wie praktisch – und hierbei muss ich gegenargumentieren –, wie jedes Bewertungssystem, ein zweischneidiges Schwert, welches keine eingängigen Effekte hervorbringen kann, sondern gut und schlecht zugleich wirken kann. Verallgemeinerungen wären also in jedweder Hinsicht zu eng gefasst, und sollten darum vermieden werden. Gleichzeitig muss man dem aber entgegenhalten, dass es intolerabel wäre, das jetzige System beizubehalten, nicht zuletzt auch deswegen, weil es Schüler, anstatt sie in ihren Kräften und Schwächen zu vereinen, gegeneinander ausspielt, oder ausspielen kann; wie beschrieben sind Verallgemeinerungen zu engstirnig und können niemals das Gesamtbild wiederspiegeln. 
Zurück aber zum eigentlichen Thema, den (un)bekannten Baustellen des Bildungssystems, vielmehr in diesem Zusammenhang das Bewertungssystem. Kann man Bildungsstände überhaupt in Zahlen ausdrücken? Zahlen können nur bemessen, was sich bemessen lässt, das ist bekannt. Zählen lässt sich nur, was sich auch greifen lässt, was sich in Einheiten darstellen lässt. Sprechen wir aber von Resultaten in Fragen der Akquisition von Inhalten und Informationen, so sprechen wir von abstrakten Sachverhalten, solange wir tatsächlich von den Informationen in Form von Verständnissen von Systemen, wie sie in der Mathematik angewandt werden, jenseits der bloßen Terme und Theoreme; wie sie in der Grammatik der menschlichen Sprachen (im deutschen Raum vor allem Deutsch, Englisch, Französisch und Latein (elitäre Schüler erlernen an Privatschulen vielleicht sogar noch Altgriechisch)); wie sie in der zellularen und der allgemeinen Biologie vorhanden sind, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Sowas in Zahlen auszudrücken, gestaltet sich an sich schwierig und führt darum zu teilweise desaströsen Gegebenheiten, in welchen eigentlich begabten Schülern unnötig Steine in den Weg auf eine zu Höherem berufene Karriere gelegt werden. 
Was könnte man dabei besser machen? In der Grundschule erhalten Schüler anstelle dieses Bulletins, welches man als Zeugnis verpachtet, ausgeschriebene Zeugnisse, in welchem ihre Entwicklung in Worten wiedergegeben werden, wodurch sich Eltern ein genaueres Bild von der Sozialisierung und des Fortschritts ihres Zöglings machen können. Ab der fünften Klasse wird dieses durch das weniger hilfreiche Konzept, wohl aus dem Glauben heraus, dass es sich dabei um das für das, was sie bewerten sollen, überlegenere Konzept halten. Manche mögen es vielleicht auch verachten, übernehmen es aber, weil sie auf ihrem Weg in Richtung Lehramt (und für manche der damit verbundene Beamtenstatus) nichts vermasseln wollen, und auch einmal dort nicht mehr heraus wollen. Wer will schließlich schon gefeuert werden, weil er oder sie gegen das Zeugnis als Bulletin randalierte und sich dezidiert weigerte, Schüler/innen auf diese Weise herab- oder heraufzustufen? Aktivistischen Linksliberalen imponiere man vielleicht mit einer solch progressiven Einstellung, doch die Stelle könnte dennoch futsch sein, mit einigem Nachdruck, der eine Wiedereinstellung anderswo verhindern könnte. Das „Schweinesystem“ hätte einem einmal mehr das Handwerk gelegt. Wahrscheinlich geschähe es aber nicht, sondern würde man vor die Probe gestellt: Steht man lieber zu seinen Idealen, oder hinge man eher am Job? Ersteres bedeute, dass man entweder kündige oder die Stelle präventiv ablehne, weil – letzteres – bedeute, dass man sich dem „Schweinesystem“ beuge, man die eigenen Ideale verrate, und selbst somit zum Heuchler verkomme. 
Was wäre also die dritte Alternative zu den beiden vorangegangenen Optionen, die sich wohl als Dilemma entpuppten? Im derzeitigen System wohl vor allem die Gründung einer Privatschule, welche es Schülern ermögliche – und Eltern offeriere –, sich gemäß ihrer Leistungen und Fähigkeiten bemessen zu lassen, in fairer und reflektierender Manier. In einer Kommune, welche unabhängig von irgendeinem Staat operieren kann, könnte man sich zusammen mit dem Rest der Kommune, um darüber abzustimmen, ob ein solches ausgeschriebenes System nicht doch das besser für den Nachwuchs wäre, oder ob man doch lieber beim Althergebrachten bleibt. Das könnte jede Kommune für sich entscheiden, wie es ihr beliebe, sie sind frei von der Meinung Außenstehender. 
Könnte es aber zu irgendwelchen Schwierigkeiten kommen, wenn ein Lehrer für 30 Schüler beispielsweise jeweils ein ausführliches Spiegelbild der entsprechenden Leistungen erbringen muss? Durchaus, es ist nicht zu leugnen, vor allem, wenn man sich überlegen mag, wie viele Notizen er oder sie machen muss über jeden Schüler, um zu (Halb)Jahresende ein ausführliches Resumé abgeben zu können. Eine kolossale Aufgabe, fürwahr, doch sie hat auch ihre guten Seiten (unter bestimmten Voraussetzungen, auf die wir gleich zu sprechen kommen werden): Sie schafft mehr Nähe zwischen Lehrern und Schülern (Nein, nicht diese Art von Nähe), sodass Schüler eher das Gefühl haben, sich ihnen anvertrauen zu können, und Lehrer besser auf gewisse Schwächen bei ihren Schülern eingehen können, weil sie diese Schwächen auch besser erkennen können. Die Qualität des Unterrichts nimmt also zu, auch wenn ein gewisses Mehr an Arbeit bestehen mag. Dies muss natürlich entsprechend besser entlohnt werden (in diesem System, wohlgemerkt; es stimmt: In einem kommunalen, nicht-monetären System wäre die einzige wirkliche Entlohnung dieser Arbeit, zu sehen, was eines Tages aus den einstigen Schülern wird; dass sie einmal Großes vollbringen werden), da ansonsten die Befürchtung im Raum steht, dass niemand mehr den Job machen möchte, weil es am Aufwand bemessen nicht mehr zu stemmen wäre, ohne die Aufgabe eines eigenen Lebens, abseits des Berufs. Es vollzöge letztlich, was man schon fast auf dem Markt zu sehen glaubt: Dass neben Schlaf, Essen und Arbeit kaum mehr Platz für ein Privatleben ist, oder zu sein scheint. Je nach dem, wie man es sehen mag, und als was man selbst arbeitet. 


XXI

Ich sprach es vorhin bereits an: Es mutet ein wenig substantiell demokratisch an, wenn man sagt, dass sich die Kommune, autonom gedacht, darüber gemeinsam abstimmen könnte, wie sie denn ihr Bildungssystem gestalten möchte. Freilich, das ist es ja auch! Und gegen die Demokratie als Idee ist ja auch nichts zu sagen. Jedoch zu glauben, dass sie alleinstehend und ohne Pendant zu gebrauchen ist, ist ein Irrtum, dem man in der Vergangenheit erlag, und ihn nie anzuzweifeln vermochte, zumindest nicht im öffentlichen Diskurs. Vielleicht war es aber auch ein panoptischer Schleier, der über den Menschen lag, wo man ihnen doch bereits in der Schule verklickerte, dass die Demokratie bleiben muss, um unser Wohlergehen zu sichern. Wer wagt denn schon, sein eigenes Wohlergehen aufs Spiel zu setzen? Man sägt sich ja auch nicht ohne Grund ein Bein ab; wenn man das tut, dann tut man das zumindest unter einem guten Vorwand. Beispielsweise, weil man in einer Zelle aufwacht, ein Bein angekettet an der Wand, neben einer Säge, während einem eine Stimme aus einem Lautsprecher sagt, dass man nur noch X Minuten Zeit hat, sich zu befreien, bevor ein todbringendes Gas in den Raum eingelassen wird. Wäre eine solche Situation jedoch nicht gegeben, würde man es auch nicht tun. Niemand genießt das Dasein als eigens verursachter Krüppel. 
Das ist aber auch eine Art und Weise, sich zu erklären, was Konservative und Rechtsliberale Ehrgeiz und Triebe verstehen: Ohne Anreize und befriedigende Ziele vor Augen hat auch niemand einen Grund, für irgendwas tatkräftig zu arbeiten; irgendwonach muss ein Mensch streben können, damit er auch sein Bestes geben wird. Auch deswegen widerstreben ihnen sozialistische Gesellschaften: Wenn jeder alles ohne irgendwelchen Aufwand bekommen kann, gibt es auch keinen Grund für Innovationen, Verbesserungen – man bekäme nichts für sie, man reiche es einfach weiter an eine Gesellschaft, die sowas in ihrer Selbstgefälligkeit erwarten. Sie setzen dabei jedoch diese Selbstgefälligkeit voraus, sie muss aber eigentlich nicht unbedingt gegeben sein. Obgleich es menschlich wirken mag, auf Dauer solche erwarteten Geschenke anzunehmen, muss es nicht heißen, dass sie irgendwann nicht mehr zu schätzen wüsste. Nach diesem Muster könnte man aber viele Gegebenheiten des Status quo erklären: Die Rückgänge bei Abonnements von Nachrichtenmagazinen und –zeitungen, beispielsweise: In einer Zeit, in der Informationen und Ergebnisse umfangreicher Recherchearbeit häufig kostenlos verfügbar sind, sehen Menschen keinen Sinn mehr darin, Magazine und Zeitungen zu abonnieren, oder in irgendeiner anderen Form Geld auszugeben. Man erhält doch bereits alles, was man wissen muss, kostenlos im Netz! Die einzigen, die vielleicht noch einen Anreiz in exklusiven Inhalten sehen können, sind Menschen, die geradezu süchtig sind nach Nachrichten und Informationen. Da sie aber zu wenige sind, um die Kosten und Gehälter zu stemmen, weswegen einige unter ihnen neben Abonnements auch Premiumartikel anbieten, und um Spenden bitten. Manche Zeitungen, wie beispielsweise das „Neue Deutschland“, die ehemalige Staatszeitung der DDR, stehen deswegen teilweise vor dem Aus. Speziell das Neue Deutschland genießt vielleicht aber auch nicht zwingend das Interesse der breiten Masse: Durch seine teils kritische Vergangenheit als ehemaliges Parteiorgan der SED ist es natürlich nicht jedermanns Sache, nicht einmal die erste Wahl einer überhaupt einer breiteren Masse. Es ist natürlich eine selbstverschuldete Situation, wenn man sich überdies auch noch immer als „sozialistische Tageszeitung“ bezeichnet. Diese beiden Faktoren kombiniert bedeutet natürlich, dass man sich im kapitalistischen Grundsystem nur schwer behaupten können wird. Doch auch ganz normale Tageszeitungen erfahren immer mehr Schwierigkeiten beim Überlebenskampf auf dem offenen Nachrichtenmarkt: Insbesondere Lokalzeitungen sterben aus, weil junge Menschen sich nicht mehr für Lokalthemen interessieren. Sie empfinden überdies keine Verantwortung für das Überleben solcher Zeitungen, weil sie ihnen ihrem Verständnis nach nichts zu bieten haben. Was bleibt, sind also die überregionalen Zeitungen, die entsprechend berichten, doch auch diese müssen sehen, wo sie bleiben, auf einem Markt, der ihnen nahezu alles kostenlos bietet; ob man spendet, ist auch eine Frage, wie drängend die Lage vor Ort bei den ansässigen Journalisten aussieht. Solange es nicht zwingend notwendig ist, versucht man, es zu vermeiden. 
Doch wir kommen vom Thema ab, mehr oder weniger: Worauf ich hinaus möchte, ist, dass es in dieser Frage kein Richtig oder Falsch geben kann, da die Grundprinzipien der eigenen Moralität unterschiedlich verlagert sind. Während die einen auf Selbstverantwortung, Individualismus und dem menschlichen Wesen als ein einzelkämpferisches setzen, setzen die anderen auf die Macht der Gemeinschaft und die Natur des Menschen als ein soziales Wesen. Es ist insofern nur umso toxischer, zu behaupten, dass irgendeine Seite unterdrückerisch sei, oder die andere inhuman und überhaupt vollkommen menschenverachtend. Vielmehr sollte man zunächst voraussetzen, dass keine Seite ultimativ richtig liegen kann, oder dass irgendeine Seite eine konsensuelle Antwort parat hätte, das ist in etwa so utopisch wie der Traum vom funktionierenden sozialistischen Staat oder einer allgemein privatgesellschaftlichen Welt, die nicht auf den hobbes’schen Urzustand bellum omnia contra omnes zurückfiele, nur höher entwickelt. Auch die kommunale Welt wäre kein Allheilmittel, sie kann lediglich eine breitere Option bieten: Wenn Menschen nicht länger gebunden sind an ein Konzept – letztlich sprechen wir in dieser Welt nur von einem System: Dem der staatlichen, selbstlegitimierten Autoritäten, sei es in Form einer Monarchie oder eines konstitutionellen Staates – können sie auch selbst entscheiden, wie sie ihre Gesellschaft aufbauen: Wenn sie einen Staat wollen, dann errichten sie sich einen neuen Staat; wollen sie als Privatgesellschaft leben, in der sie den kapitalistischen Traum leben, dann tun sie das; und wollen sie ein faschistisches Regime errichten, dann tun sie eben das. Es ist jedem freigestellt, nach der eigenen Façon glücklich zu werden, selbst, wenn diese Façon eine zutiefst menschenverachtende ist. Es ist irreal, zu glauben, dass solche Tendenzen jemals ausgerottet sein werden. Es ist entspricht nicht der Natur des Menschen, zu jeder Zeit die absolut richtige Entscheidung zu treffen, da der Mensch in seinem tiefsten Innern triebgesteuert ist. Er ist für simple Antworten empfänglicher als für komplexe, solange die simplen ihn die größere Befriedigung verschaffen kann. Man kann einen Menschen auch nicht von den eigenen Erfahrungen abbringen, indem man ihn beispielsweise Daten für die nationale Ebene zeigt, in der Regel überwiegt dann doch, was man selbst gesehen hat. Derartige Argumente bringen auch den Kommentar vom Nazi, der aufgrund von Irrationalität zu diesem Denken kam: Auf manche mag es zutreffen, doch eben nicht auf alle. Manche haben auch entsprechende Erfahrungen machen können, und lassen sich daraufhin nicht mehr davon überzeugen, dass ihre Erfahrungen aber nicht der Regelfall sind, sondern Einzelfälle. Zwar mag man als Nazi vor allem als Nationalist denken und sich um die Landesgenossen sorgen, doch in der Regel ist das auch nicht mehr als ein einfältiger Vorwand, um den eigenen Rassismus zu übertünchen, man möchte sich nicht als ein klägliches Subjekt sehen, welches sich gegen ganze Ethnien ausspricht, weil man beschissene Erfahrungen gemacht hat, oder irgendwelchen Erzählungen geglaubt hat, welche sich womöglich nicht einmal beweisen lassen, zumindest nicht im Narrativ, an welches man selbst glaubt. Ich möchte keineswegs diese Art des Denkens rechtfertigen, ich selbst verabscheue sie; doch kann man Menschen nicht einfach ihr eigenes Denken absprechen, sofern man es nicht durch den zwanglosen Zwang des besseren Arguments schafft. Glaubt ein Mensch tief und fest an etwas, dann muss man diesen Menschen mit ein wenig Gräuel ziehen lassen. Man sollte ihnen nicht böse sein, da sie selbst doch die größten Opfer ihrer selbst sind. Wir müssen sie indes von etwaigen Straftaten gegen ihre Mitmenschen abhalten, am besten hält man sie sogleich fern von jenen Menschen, gegen die sie einen solchen Groll hegen. Sie wegzusperren ist eine unmenschliche Tat, da man sie ihrer Freiheit beraubt, aufgrund von Regeln und Gesetzen, die man im Grunde selbst aufgesetzt hat. Es ist am Ende doch nur ein bekämpfen von Symptomen, ohne die Krankheit wirklich zu bekämpfen. Als ob man immer wieder Antibiotika gegen eine schwere Erkrankung verabreiche, obwohl man doch viel bessere Methoden vorliegen hätte, welche die Krankheit endgültig heilen könnte. 


XXII

Haben wir diese Methoden auch für den Nationalsozialismus? Mehr oder minder. Wie beschrieben können wir Menschen nicht für ihr menschenverachtendes Denken verurteilen, paradoxerweise, doch wir können eine Situation erschaffen, in welcher Menschen, die einander nicht können, einander aus dem Weg gehen können, ohne dabei irgendwelcher Freiheiten und Rechte beraubt zu sein. Die Lösung ist natürlich, und das werde ich niemals bestreiten, ziemlich einfach gedacht, sie wird wahrscheinlich vielen zunächst missfallen, da sie wie ein Kahlschlag daherkommt, wie die deduktive Konklusion (zwei Euro in das Phrasenschwein) aus gegebenen Umständen: Das Aufkeimen radikaler Ideologien und zunehmenden Zuspruchs für sie; zunehmende Abscheu gegenüber den Regierungen, welche die Menschen regieren; und schlussendlich ein Zunehmen an populistischen und kontraproduktiven Regierungen (Bolsonaro, Trump, Modi, etc.), doch sollten sich all jene, die mir das vorwerfen, eines erklären: Wann soll ihrer Meinung nach der allmächtige Wandel eintreten, welcher uns aus dem verheerenden Status quo ante befreit, kommen, in einen Status quo superior? Die Antwort ist einfach: Er wird nicht kommen. Es gleiche der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises, sowas zu schaffen, und genau deswegen wird es nicht geschehen. Der Pluralismus unserer Gesellschaft ist uns Fluch und Segen zugleich, und verhindert darum ein friedliches Zusammensein in einer staatlichen Gesellschaft, in welcher der Staat, und nicht die Menschen, das Sagen haben. Karl der Große wusste, dass die Größe seines Reichs ein Hindernis für die effiziente Regierung sein wird, weswegen er sich Pfalzen einrichtete, in welchen er residieren konnte, während er auf der Durchreise war, um zu observieren, wie es wo läuft. Am Ende zerbrach sein Reich dennoch, aus europolitischen Gründen. Aus seiner Idee können wir dennoch etwas lernen: Zentralregierungen haben ebenfalls ihre Grenzen, sie können nur ein gewisses Maß an Macht bergen, den anderen Teil (ihrer Macht) müssen sie subordinieren. Das Ende dieser Kette an Machtsubordination bilden die Kommunen, sie tragen die absolute Macht über ihre Gemeinschaft, unterstehen aber den Ländern, welche der Zentralmacht, der Spitze, unterstehen. Kommunen sind dabei durch ihr elementares Dasein den ihr überstehenden Mächten überlegen, da sie zwar vielen unterstehen, jedoch niemanden befehligen, sondern tiefgreifende Entscheidungen in ihrer Gemeinschaft treffen können, im Rahmen ihrer Spielfläche. Sie sind aber auch am flexibelsten, und das ist einer der Kerngründe der Überlegenheit, welcher am besten ausschlägt: Da sie im weitesten Sinne frei in ihren Handlungen sind, und auch am nächsten zu ihren Handlungsbestimmungsorten stehen, können sie am sichersten handeln, ohne einen größeren Schaden anzurichten. Staaten sind in ihrem Zentralorgan durch einige Menschen gesteuert, welche ohne notwendige Qualifikationen gigantische Steine verrücken müssen, welche bei einer falschen Bewegung eine Kettenreaktion auslösen können, die am Ende das ganze Land ruinieren können. Man untersteht eigentlich einer Macht in der Ferne, selbst, wenn man in der Hauptstadt lebt; die Richter dieses Staates sitzen in einem Prachtbau, haben womöglich irgendein obskures geisteswissenschaftliches Fach studiert, und haben es durch Versprechungen vom fantastischen Wolkenkuckucksheim und einer LKW-Ladung voll Charme durch die Silberzunge in ein Ministerium wie dem der Wirtschaft oder der Finanzen geschafft, und ruinieren durch ihre Zugehörigkeit in einer sogenannten Volkspartei das ganze Land. 
Worauf ich hinaus möchte, ist folgende Problematik, wie sie bereits zuvor beschrieben wurde, um abschließend zu einer Überlegung zu kommen, welche im Nachhinein, solange man mit meiner Argumentation übereinkam: In einer Demokratie müssen wir stets der Entscheidung einer schier überwältigenden Masse an Meinungen auskommen, welche im Nachhinein in ein Wahlergebnis fließt, aus welchem schließlich eine Regierungskoalition entspringen muss. Dabei haben wir keine Einsicht in alle Stimmzettel, welche uns belegen könnten, dass das Ergebnis tatsächlich so ist, wie es uns präsentiert wird. Wir sehen nicht einmal all die Menschen, die abgestimmt haben, es wäre auch einfach unmöglich. Entsprechend müssen wir an die Richtigkeit des Ergebnisses glauben, wie wir die Voraussetzungen eines Philosophen annehmen müssen, wenn wir seine Argumentation nachvollziehen können wollen. Passt uns das Ergebnis aber nicht, neigen wir eher dazu, es anzuzweifeln, insbesondere, wenn wir behaupten, dass unser Freundes- und Bekanntenkreis, obwohl er gänzlich anders gewählt hat als der Durchschnitt, wie er im Wahlergebnis zu sehen ist, der tatsächliche gesellschaftliche Querschnitt sei. Es gäbe auch gute Gründe zur Skepsis, doch da wir diese nur selten evident stützen können, sind wir zum Vertrauen verdammt. Ebenso sind wir dazu verdammt, das amtliche Wahlergebnis letztlich zu akzeptieren, selbst, wenn es uns nicht passt. Wir müssen sogar die Fehltritte akzeptieren, die die Regierung macht, selbst, wenn sie in völlig irrsinniger Manier unser Geld verprasst und aus angeblich diplomatischen Beweggründen Menschenrechte verletzt, indem sie Waffen an autokratische Staaten liefert. Regen wir uns immer mehr auf, kommen Ombudsmenschen daher und sagen uns, dass wir uns beruhigen sollen, immerhin können wir bei der nächsten Wahl gegen sie stimmen. Ein frommer Wunsch, wer glaubt, dass eine solche Stimme irgendetwas bewirken kann, wenn dieselbe Regierung dennoch wiedergewählt wird (Bona Note: Wie oft wurde noch gleich die Große Koalition trotz allen gesellschaftlichen Unmuts wiedergewählt? Eben genau das meine ich). 

Besser ist es also, die Gesellschaft der Menschen auf das Minimum der Kommunen herunterzubrechen, das Internet ermöglicht uns diese Zerkleinerung. Staaten haben ausgedient, es muss letztlich verstanden werden. Der Mensch wurde nie zur Staatenbildung geboren, sie treten nicht umsonst nicht natürlich auf – sie sind eine wahnwitzige Idee, welche, ähnlich wie Religionen in der späteren zeit – durch machthungrige Menschen begründet, welche unter der Hand Reichtümer anhäufen wollten und gerne die Fäden ziehen wollten. Staaten sind zu leicht korrumpiert, weil sie an sich fragil gestaltet sind. Der Mensch tut gut daran, sie zur Implosion zur führen, um einen Neuanfang zu starten. Nicht allein in einem Land, nicht allein in Europa. Sondern weltweit. 

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